Liebe Leser,
wenn während eines Gottesdienstes die Kerzen auf dem Altar in
unserer Kirche und aller christlichen Kerzen brennen, dann nicht nur
zur Zierde, quasi als Altarschmuck. Nein, das Kerzenlicht hat eine
tiefe Symbolik. Es steht für Gott selbst und für ein Leben im Licht!
Davon redet der Verfasser des 1. Johannesbriefs, der ja kein
wirklicher Brief ist, sondern eher ein kleines Lehrbuch:
(Text)
Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Der Verfasser des
1. Joh. knüpft an die Worte des Christus im Johannesevangelium an:
„Ich bin das Licht der Welt.“ Er beginnt mit der zentralen Botschaft
von Gott, die durch Christus zu den Menschen gekommen ist: Gott ist
Licht!
Dabei tun wir Heutigen uns leichter, wenn wir den
zeitgeschichtlichen Hintergrund sehen: Bei den heidnischen Griechen
hat das „Chaos“ die Finsternis und die Unterwelt und die „Nyx“, die
Nacht, gezeugt. Viele ihrer Götter wurden in ihrem Wesen durch
Finsternis gekennzeichnet. Und moralische Finsternis
charakterisierte sie ja alle. Es waren Gottheiten des Düsteren, der
Lust und der Lüge. Aber wie anders ist unser Gott, sagt Johannes. In
ihm ist keine Finsternis! Und das Wort „Licht“ wird zur Signatur für
die Gott innewohnende absolute Reinheit seines Wesens: Gott ist
Licht und in ihm ist keine Finsternis! Dann folgen die
Verhältnisbestimmungen zwischen den Menschen und dieser
einzigartigen Quelle allen Lichts. Wenn Gott Licht ist, wie zeigt
sich das im Leben der Christen und Christinnen?'
Was tut das Licht? - Es verändert! Jeder, der in Hof schon einen
langen Winter erlebt hat und dann zum ersten Mal wieder Sonnenschein
auf dem Gesicht gespürt hat, weiß, was ich meine! Und wer einen
lichtvollen Gott als Gegenüber hat, der wird spürbar verändert! Der
fängt zu strahlen an, der wird selbst zu einem Kind des Lichts. Das
ist ja die Lebensbewegung unseres christlichen Glaubens: aus dem
Licht heraus zum Licht hin: Das Licht des lebendigen Gottes geht auf
den Menschen über und lässt ihn in einem neuen Licht erscheinen. Es
erfüllt ihn mit Lebenskraft, mit Kreativität und Herzenswärme. Es
motiviert und aktiviert zu einem lichtvollen Leben und deshalb auch
zum Kampf: gegen alle Dunkelheiten, trotz aller Dunkelheiten und in
allen Dunkelheiten.
Und weiter: Licht schafft Klarheit! Licht lässt erkennen! Im Lichte
Gottes erkennen wir uns selbst – so, wie wir wirklich sind! Eben
Menschen, die – wie Jesus in seinen Gleichnissen vom Verlorenen
erzählte – immer wieder „verloren gehen“, deren Leben häufig einem
Scherbenhaufen ähnelt, die immer wieder davonlaufen vor Gott und
häufig auch vor sich selbst. Wir verfehlen unsere Bestimmung zur
Menschlichkeit immer wieder, lassen es auch immer wieder an ihr
fehlen. In uns ist, bleibt und wird es immer wieder finster. Und
durch uns in dieser Welt auch!
Aber gerade das Gotteslicht taucht dieses unser Menschsein in ein
wärmendes, gnädiges Licht. Es ist kein grelles Licht wie das eines
Verhörscheinwerfers. Nein, Gottes Licht ermöglicht es uns, die Augen
ganz aufzumachen und hinzuschauen, sich und das eigene Leben
anzuschauen, ohne sich etwas vorzumachen, frei von allen Masken, die
wir sonst aufsetzen. So scheint im göttlichem Licht immer auch auf,
wer ich wirklich bin: Sünder – ja! Aber eben nicht bloßgestellt vor
anderen, sondern getragen, ja, geliebt von Gott. Der Begriff
„Erleuchtung“ ist in diesem Zusammenhang durchaus treffend. Denn
erst in diesem göttlichen Licht kann der Mensch die
Bruchstückhaftigkeit seines Lebens als ein sinnvolles Ganzes
glauben.
Wie sehr man in unserer heutigen Gesellschaft unter diesem
Versteckspiel leiden kann, wenn mehr Wert auf den Schein als auf das
Sein gelegt wird, das hat der
Hip-Hoper MaximNoise 2009 in seinem Stück mit dem Titel „Hör was ich
nicht sag“ beschrieben:
Hör was ich nicht sag; ignorier' die Maske die ich trag;
ich wirke stark, doch nichts davon ist wahr.
Hör was ich nicht sag; ignorier' die Maske die ich trag',
ich wirke stark, doch nichts davon ist wahr.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sage, ich mag' den Konflikt,
und mich benehme so, wie eine Bombe die tickt.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sage, ich brauch' dich nicht,
denn nichts ist für mich von Wert, außer dein Licht.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sag; ich schaff' es allein,
denn ich bin gerne Teil der Gruppe und in der Masse vereint.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sag, es gibt keinen Gott, denn zu
vieles macht mich fertig und es fickt mein Kopf.
Ich mach den Eindruck als wär' alles so weit heiter in mir, doch ich
bin fertig am Boden, hab keine Zeit zu verlieren. Bei dem Gedanken
an Schwäche bekomme ich Panik, innerlich zerbrochen siehst du
äußerlich gar nichts.
(frei nach dem von Tobias Brocher ins Deutsche übertragene Gedicht
von Charles C. Finn »Please Hear What I Am Not Saying«, 1966)
Innerlich zerbrochen, verzweifelt um sich schlagend, doch zugleich
Stärke simulierend, appelliert der Sänger an ein Gegenüber, das ihm
die Maske abnimmt und hört, was er nicht sagt. Denn nur dieses
Gegenüber, von dem er doch behauptet, dass er es nicht brauche, ist
für ihn von letzter Bedeutung, nur in seinem Licht könnte er das
Licht (der Hoffnung) sehen.
Das Bekenntnis der Sünde ist der erste Schritt aus dem Selbstbetrug
- nur so kehrt die Wahrheit zu uns, in uns zurück. Johannes lädt uns
mit seinen Worten dazu ein, unsere „Sünde“ zu bekennen, die Maske
abzunehmen: „Hör', was ich nicht sage!“ Weil es der erste
Schritt in die Freiheit ist, wenn wir uns und unser Leben nicht mehr
schönreden müssen, wenn wir die Masken vor uns und anderen endlich
ablegen können! Weil wir so klar werden, menschlich erkennbar auch
für andere. Und weil genau das auch anderen die Möglichkeit bietet,
sich auch selbst erkennbar zu geben. Oder wie Johannes sagt: „Wenn
wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir
Gemeinschaft untereinander!“
Solche menschliche Gemeinschaft mit Herzenswärme braucht unsere
heutige Gesellschaft mehr denn je! Gemeinschaftliche
Fußball-Begeisterung, die wir dieser Tage in Deutschland und
anderswo erleben, ist dafür kein Ersatz. Solche Gemeinschaft der von
Gott Erleuchteten ist Gott heilig. Solche Gemeinschaft ist Kirche.
Und solche Gemeinschaft leuchtet hinaus in die Welt. Und bringt
Licht - in alle Finsternis!
Pfarrer Rudolf Koller
(Hospitalkirche
Hof) |
Text:
5 Und das ist die Botschaft, die wir von
ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm
ist keine Finsternis.
6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln
in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.
7 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir
Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht
uns rein von aller Sünde.
8 Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst,
und die Wahrheit ist nicht in uns.
9 Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht,
dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller
Ungerechtigkeit.
10 Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum
Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
2 1 Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt.
Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem
Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.
2 Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für
die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.
3 Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote
halten.
4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein
Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.
5 Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes
vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.
6 Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er
gelebt hat.
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