Predigt     1. Johannes 1,5-2,6    3. Sonntag nach Trinitatis    24.06.12

"Hör, was ich nicht sage!"
(von Pfarrer Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

wenn während eines Gottesdienstes die Kerzen auf dem Altar in unserer Kirche und aller christlichen Kerzen brennen, dann nicht nur zur Zierde, quasi als Altarschmuck. Nein, das Kerzenlicht hat eine tiefe Symbolik. Es steht für Gott selbst und für ein Leben im Licht! Davon redet der Verfasser des 1. Johannesbriefs, der ja kein wirklicher Brief ist, sondern eher ein kleines Lehrbuch:

(Text)

Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Der Verfasser des 1. Joh. knüpft an die Worte des Christus im Johannesevangelium an: „Ich bin das Licht der Welt.“ Er beginnt mit der zentralen Botschaft von Gott, die durch Christus zu den Menschen gekommen ist: Gott ist Licht!

Dabei tun wir Heutigen uns leichter, wenn wir den zeitgeschichtlichen Hintergrund sehen: Bei den heidnischen Griechen hat das „Chaos“ die Finsternis und die Unterwelt und die „Nyx“, die Nacht, gezeugt. Viele ihrer Götter wurden in ihrem Wesen durch Finsternis gekennzeichnet. Und moralische Finsternis charakterisierte sie ja alle. Es waren Gottheiten des Düsteren, der Lust und der Lüge. Aber wie anders ist unser Gott, sagt Johannes. In ihm ist keine Finsternis! Und das Wort „Licht“ wird zur Signatur für die Gott innewohnende absolute Reinheit seines Wesens: Gott ist Licht und in ihm ist keine Finsternis! Dann folgen die Verhältnisbestimmungen zwischen den Menschen und dieser einzigartigen Quelle allen Lichts. Wenn Gott Licht ist, wie zeigt sich das im Leben der Christen und Christinnen?'

Was tut das Licht? - Es verändert! Jeder, der in Hof schon einen langen Winter erlebt hat und dann zum ersten Mal wieder Sonnenschein auf dem Gesicht gespürt hat, weiß, was ich meine! Und wer einen lichtvollen Gott als Gegenüber hat, der wird spürbar verändert! Der fängt zu strahlen an, der wird selbst zu einem Kind des Lichts. Das ist ja die Lebensbewegung unseres christlichen Glaubens: aus dem Licht heraus zum Licht hin: Das Licht des lebendigen Gottes geht auf den Menschen über und lässt ihn in einem neuen Licht erscheinen. Es erfüllt ihn mit Lebenskraft, mit Kreativität und Herzenswärme. Es motiviert und aktiviert zu einem lichtvollen Leben und deshalb auch zum Kampf: gegen alle Dunkelheiten, trotz aller Dunkelheiten und in allen Dunkelheiten.

Und weiter: Licht schafft Klarheit! Licht lässt erkennen! Im Lichte Gottes erkennen wir uns selbst – so, wie wir wirklich sind! Eben Menschen, die – wie Jesus in seinen Gleichnissen vom Verlorenen erzählte – immer wieder „verloren gehen“, deren Leben häufig einem Scherbenhaufen ähnelt, die immer wieder davonlaufen vor Gott und häufig auch vor sich selbst. Wir verfehlen unsere Bestimmung zur Menschlichkeit immer wieder, lassen es auch immer wieder an ihr fehlen. In uns ist, bleibt und wird es immer wieder finster. Und durch uns in dieser Welt auch!

Aber gerade das Gotteslicht taucht dieses unser Menschsein in ein wärmendes, gnädiges Licht. Es ist kein grelles Licht wie das eines Verhörscheinwerfers. Nein, Gottes Licht ermöglicht es uns, die Augen ganz aufzumachen und hinzuschauen, sich und das eigene Leben anzuschauen, ohne sich etwas vorzumachen, frei von allen Masken, die wir sonst aufsetzen. So scheint im göttlichem Licht immer auch auf, wer ich wirklich bin: Sünder – ja! Aber eben nicht bloßgestellt vor anderen, sondern getragen, ja, geliebt von Gott. Der Begriff „Erleuchtung“ ist in diesem Zusammenhang durchaus treffend. Denn erst in diesem göttlichen Licht kann der Mensch die Bruchstückhaftigkeit seines Lebens als ein sinnvolles Ganzes glauben.

Wie sehr man in unserer heutigen Gesellschaft unter diesem Versteckspiel leiden kann, wenn mehr Wert auf den Schein als auf das Sein gelegt wird, das hat der Hip-Hoper MaximNoise 2009 in seinem Stück mit dem Titel „Hör was ich nicht sag“ beschrieben:

Hör was ich nicht sag; ignorier' die Maske die ich trag;
ich wirke stark, doch nichts davon ist wahr.
Hör was ich nicht sag; ignorier' die Maske die ich trag',
ich wirke stark, doch nichts davon ist wahr.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sage, ich mag' den Konflikt,
und mich benehme so, wie eine Bombe die tickt.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sage, ich brauch' dich nicht,
denn nichts ist für mich von Wert, außer dein Licht.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sag; ich schaff' es allein,
denn ich bin gerne Teil der Gruppe und in der Masse vereint.
Bitte glaube mir nicht, wenn ich sag, es gibt keinen Gott, denn zu vieles macht mich fertig und es fickt mein Kopf.
Ich mach den Eindruck als wär' alles so weit heiter in mir, doch ich bin fertig am Boden, hab keine Zeit zu verlieren. Bei dem Gedanken an Schwäche bekomme ich Panik, innerlich zerbrochen siehst du äußerlich gar nichts.
(frei nach dem von Tobias Brocher ins Deutsche übertragene Gedicht von Charles C. Finn »Please Hear What I Am Not Saying«, 1966)

Innerlich zerbrochen, verzweifelt um sich schlagend, doch zugleich Stärke simulierend, appelliert der Sänger an ein Gegenüber, das ihm die Maske abnimmt und hört, was er nicht sagt. Denn nur dieses Gegenüber, von dem er doch behauptet, dass er es nicht brauche, ist für ihn von letzter Bedeutung, nur in seinem Licht könnte er das Licht (der Hoffnung) sehen.

Das Bekenntnis der Sünde ist der erste Schritt aus dem Selbstbetrug - nur so kehrt die Wahrheit zu uns, in uns zurück. Johannes lädt uns mit seinen Worten dazu ein, unsere „Sünde“ zu bekennen, die Maske abzunehmen: „Hör', was ich nicht sage!“  Weil es der erste Schritt in die Freiheit ist, wenn wir uns und unser Leben nicht mehr schönreden müssen, wenn wir die Masken vor uns und anderen endlich ablegen können! Weil wir so klar werden, menschlich erkennbar auch für andere. Und weil genau das auch anderen die Möglichkeit bietet, sich auch selbst erkennbar zu geben. Oder wie Johannes sagt: „Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander!“

Solche menschliche Gemeinschaft mit Herzenswärme braucht unsere heutige Gesellschaft mehr denn je! Gemeinschaftliche Fußball-Begeisterung, die wir dieser Tage in Deutschland und anderswo erleben, ist dafür kein Ersatz. Solche Gemeinschaft der von Gott Erleuchteten ist Gott heilig. Solche Gemeinschaft ist Kirche. Und solche Gemeinschaft leuchtet hinaus in die Welt. Und bringt Licht - in alle Finsternis!

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

5 Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.
6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.
7 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.
8 Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.
9 Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.
10 Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
2 1 Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.
2 Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.
3 Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten.
4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.
5 Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.
6 Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.
 


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