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      Liebe Leser, 
		 
		„The spirit of St. Louis“, so hieß bekanntlich das Flugzeug, mit dem 
		Charles Lindbergh 1927 als erster Mensch nonstop den Atlantik 
		überquerte. Der Geist von St. Louis war offenbar ein guter Geist, mit 
		dessen Unterstützung der kühne Flieger nicht baden ging. „Spirits“, die 
		Mehrzahl von Geist, bezeichnet im Englischen allerdings nicht mehrere 
		Geister, sondern hochprozentige Getränke. Auch eine Art für kurze Zeit 
		abzuheben, dafür aber garantiert abzustürzen.  
		 
		Nicht nur die „Spirits“, sondern auch der „Spirit“ sind heutzutage 
		schwer angesagt. Denn wer möchte nicht so dann und wann einmal abheben 
		aus der Gleichförmigkeit und Banalität seines Alltags. „Spiritualität“ 
		heißt das Zauberwort, zu dem sich – glaubt man den Umfragen und der 
		Pfingstausgabe des Münchner Sonntagsblatts – inzwischen jeder siebte 
		hingezogen fühlt. Nur jeder zehnte bezeichnet sich noch als so genannten 
		„Traditionschristen“, was ja zugegebenermaßen auch sehr nach toter Hose 
		klingt. Die Bayerische Landeskirche will sich nun der „Herausforderung 
		Spiritualität“ stellen, den Bedürfnissen der „spirituellen Sinnsucher“ 
		entgegenkommen und in diesem Bereich ihre Angebote verstärken.  
		 
		Was ein wunderbares Beispiel für den „Geist der Welt“ ist, von dem unser 
		heutiger Predigttext spricht. Denn der Weltgeist ist ein Geldgeist und 
		hält sich strikt an das Gesetz von Angebot und Nachfrage und von 
		Nachfrage und Angebot. Ob Jägermeister oder „spirituelle Sinnsuche“ ist 
		ihm im Grunde Jacke wie Hose. Ist nicht auch in der Kirche längst eher 
		der Kunde König, als die Kunde königlich? Und wenn der Kunde 
		„spirituelle Sinnsuche“ nachfragt, dann muss das halt auch die Kirche im 
		Ausschank haben. Prost und wohl bekomm’s.  
		 
		"Es wird heute häufig übersehen, dass der Begriff 'Spiritualität', wie 
		er heutzutage verwendet wird, nicht aus der christlichen Tradition 
		stammt, sondern gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Englisch sprechenden 
		Reformhinduismus bei dem Bemühen entstanden ist, der westlichen Welt das 
		geistige Erbe des Hinduismus zu vermitteln. ... Heute ist der Begriff 
		geradezu inflationär geworden: Er schillert in bunten Farben - beinahe 
		so bunt wie die Welt der Religionen! Selbst Pseudo- und Postreligiöses 
		schwingt mit, wenn ihn Psycho-Kulte, Öko-Freaks, ja selbst Politiker und 
		Wirtschaftsunternehmen für ihre Programme und Produkte in Beschlag 
		nehmen. Alle sprechen sie von Spiritualität - aber wissen sie jeweils 
		wirklich, was sie damit meinen - und was andere hören, wenn sie dem 
		Begriff begegnen?" ("Spiritualität" - Wes Geistes Kind? - Aspekte eines 
		inflationären Begriffs religiöser Gegenwartskultur/ Von Werner Thiede, 
		Deutsches Pfarrerblatt, Nr. 6/1998) Solche Fragen scheinen in der Kirche 
		nur wenige wirklich zögerlich und nachdenklich zu machen.  
		 
		Wer möchte noch die Stimme des kleinen Apostels Paulus hören, wenn im 
		Stadion Kirche nach all den Jahren der finanziellen Entsagungen, des 
		Mitgliederschwunds und der medialen Missachtung, dank besseren 
		Marketings und medialer Präsenz von Papst, Kirchentag und 
		Fernsehgottesdienst endlich wieder der Bär steppt? Wer möchte da noch 
		die Stimme des kleinen Apostels Paulus aus der letzten Reihe hören, der 
		feststellt, dass wir eigentlich doch nicht den Geist der Welt empfangen 
		haben, damit wir wissen, was zur Stabilisierung und Erhaltung einer 
		endlich wieder erfolgreichen Kirche gut ankommt, sondern den Geist aus 
		Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist?  
		 
		Selbst im damaligen Korinth wollte die Stimme des kleinen Apostels kaum 
		einer mehr hören. Er war hoffnungslos unterlegen gegen die Stars und 
		Sternchen der christlichen Gruppierungen, die wussten, wie man bei 
		seiner Zielgruppe ankommt. Die predigten ihren Anhängern, wie man ganz 
		ohne Spirits nur mit Hilfe des Glaubens aus der Gleichförmigkeit und 
		Banalität des antiken Alltags abheben kann. „Pneumatische Erhöhungs - 
		Christologie“ haben die Theologen das genannt. Je spiritueller, desto 
		besser, je mehr Himmelfahrt, desto besser. Bald hatten immer mehr 
		Christen in Korinth die Köpfe im Himmel ihrer „spirituellen Sinnsuche“ 
		und füreinander kein freundliches Wort mehr, geschweige denn eine 
		helfende Hand.  
		 
		„Hier geblieben!“ ruft Paulus da mitten hinein und mit ihm der „Holy 
		spirit“, der Heilige Geist. Dieser Geist weiß nichts vom Gesetz von 
		Nachfrage und Angebot. Er kennt nur das Angebot: Das, was uns von Gott 
		geschenkt ist. So macht’s die Liebe. Und dieses Angebot hat einen Namen. 
		Jesus Christus. Dieser Jesus Christus hat Besseres zu tun, als dem 
		„spirituellen Sinnsucher“ sinnvoll zu erscheinen. Mit Sinn (und Zweck) 
		hat der Christus nichts im Sinn. Er ist der Weg und die Wahrheit und das 
		Leben (Joh 14,6). Die Wahrheit, die selbst die selbstlosen 
		Wahrheitssucher dieser Welt vergeblich suchen. Denn, so Paulus: Der 
		natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine 
		Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt 
		werden. 
		 
		Man muss Paulus schon grob missverstehen, wenn man ihm hier unterstellen 
		wollte, ein christliches Geheimwissen zu predigen. Ganz im Gegenteil. 
		Der Heilige Geist ist nämlich ein höchst mitteilsamer Geist. Er teilt 
		uns und aller Welt mit, was uns von Gott geschenkt ist. Und er tut das 
		nicht einmal unvermittelt, aus heiterem Himmel, sondern bindet sich an 
		das Wort des Evangeliums von Jesus Christus, wie es selbst in 
		menschlichen Mündern und auf menschlichen Zungen Platz findet. Der 
		Heilige Geist ist der „spirit of Jesus Christus“. Wer sich dem Christus 
		anvertraut und sich zu ihm bekennt, der darf deshalb „gefunden!“ rufen. 
		Denn der Heilige Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes 
		Kinder sind. (Rm 8/16) 
		 
		Es würde daher nicht einer gewissen Komik entbehren, wollte sich die 
		Kirche Jesu Christi, den „spirituellen Sinnsuchern“ ihrer Zeit andienen; 
		womöglich als besonders kompetente „spirituelle Sinnsucherin“. Eine 
		Kirche, die so auf der Suche wäre, wäre eine Kirche, die nicht nur von 
		allen guten Geistern, sondern auch vom Heiligen Geist verlassen ist. Sie 
		wäre dann nicht nur eine sinnlose, sondern noch vielmehr eine verlogene 
		Kirche, die mit der Wahrheit nichts mehr am Hut hat. Kirche darf doch 
		unter keinen Umständen und auf keine Weise verschweigen, dass sie ihren 
		Herrn gefunden hat, sie von seinem Wort und von seiner Gegenwart lebt. 
		Und sie kann für die „spirituellen Sinnsucher“, denen dieses Evangelium 
		zu wenig sinnvoll erscheint, beten, ihnen das Evangelium noch besser und 
		eindringlicher predigen und sie dann aus der Ferne freundlich grüßen. 
		Eine Gemeinde, die nicht mehr irgendwann den Staub von ihren Füßen 
		schütteln kann (Lk 10/11), hat sich zum Erfolg verdammt. Sie hat 
		vergessen, dass ihr Herr der Gekreuzigte ist, dessen Leben auch dies 
		eingeschlossen hat: „ehrliche Erfolglosigkeit und hartnäckige 
		Abseitsstellung.“ (Friedrich W. Marquart) Karl Barth schrieb: „Wir 
		brauchen tüchtige Pfarrer, aber nicht geschäftstüchtige. Die Verwaltung 
		des Wortes ist kein Geschäft, und wenn es noch so glänzend ginge. Die 
		Tüchtigkeit wird sich zu erweisen haben in Situationen, in die in 
		Geschäften nur Untüchtige kommen: in Erfolgs- und Wirkungslosigkeit, in 
		schwerster Isolierung, in negativen Abschlüssen, vielleicht bis zum 
		Lebensende.“ Zitat Ende. 
		 
		Aber selbst dann wird der Heilige Geist unserem Geist Zeugnis geben, 
		dass der Geist der Welt nicht das letzte Wort haben wird. Und das ist 
		der Grund, warum sich Erfahrungen des Geistes Gottes seltener im 
		angesagten Meditationskreis und viel öfter in der Zuwendung zum 
		Mühseligen und Beladenen, an Kranken- und Sterbebetten oder auf den 
		Durststrecken des eigenen Lebens machen lassen, wo unsere Ohren für 
		Gottes Wort größer werden, als unser Stolz und unsere Wünsche. Das 
		letzte Wort, das der Geist der Welt hören wird, ist die endgültige 
		Absage durch den Geist der Liebe und der Wahrheit. Und deshalb tun wir 
		gut daran, auf dem unübersichtlichen Feld der „spirituellen Sinnsuche“ 
		und ihrer Protagonisten, dem Geist des gekreuzigten Christus, der der 
		Geist der Wahrheit ist, die Ehre zu geben - und was die „spirits“ 
		anbelangt, einem ehrlichen Tropfen! Wie unser Herr Jesus Christus. 
			
      
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
      Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv  unter 
      
      www.kanzelgruss.de)  
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			Text: 
			
			 (12)Wir aber haben nicht empfangen den 
			Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, 
			was uns von Gott geschenkt ist. 
			(13)Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche 
			Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und 
			deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 
			(14)Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es 
			ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss 
			geistlich beurteilt werden. 
			(15)Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber 
			von niemandem beurteilt. 
			(16)Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn 
			unterweisen« (Jesaja 40,13)? Wir aber haben Christi Sinn. 
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