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			Liebe Leser, 
			 „Es ist noch nicht lange her, da wurde von 
			vielen der Verlust der Utopien beklagt, die seit ihrer Erfindung als 
			himmlisches Manna für den denkenden Teil der Menschheit galten. Vom 
			bloßen, märchenhaften Wünschen unterschieden sich diese Entwürfe zur 
			gänzlichen Verbesserung unseres Loses durch ihre rationale Gestalt. 
			Die Utopien waren samt und sonders europäische Blaupausen zur 
			Errichtung idealer Gesellschaften, in denen nicht mehr der alte Adam 
			das Sagen hatte, sondern der Neue Mensch. Alle Versuche zu ihrer 
			Verwirklichung endeten früher oder später im Katzenjammer; so 
			zuletzt (anno mirabili) 1989.“ So beginnt der Schriftsteller und 
			Denker Hans Magnus Enzensberger sein Essay, mit dem er sich in der 
			so hilflosen Debatte all der ins Kraut schießenden Ethikräte um die 
			Manipulation an menschlichen Stammzellen zu Wort meldet. 
			(„Putschisten im Labor“, Spiegel Nr. 23/2001, S. 216 ff.) 
			 
			„Waren einst für die Ausrottung aller Leiden Schamanen und 
			Wunderheiler zuständig, so sind es heute Molekularbiologen und 
			Genetiker; und von der Unsterblichkeit sprechen nicht mehr die 
			Priester, sondern die Forscher. Die neuen Utopien werden mit 
			beispiellosen Kampagnen in der Öffentlichkeit vorgetragen. ... Der 
			gute alte Fortschrittsglaube, von dem noch vor kurzem niemand viel 
			wissen wollte, erlebt so eine triumphale Wiederauferstehung.“ (ebd.) 
			 
			Enzensberger bestreitet im Folgenden, dass Wissenschaft und Politik 
			heute noch frei seien in ihren Entscheidungen. Sie seien längst von 
			wirtschaftlichen Komplexen bestimmt, deren „Protagonisten jedem, der 
			es hören will, erklären, dass sie keinesfalls bereit sind, 
			gesetzliche Einschränkungen hinzunehmen. Sie verkünden ganz offen, 
			dass sie die Absicht haben, ihre Tätigkeit notfalls, nach dem 
			Vorbild von Geldwäschern und Waffenhändlern, in Gegenden 
			fortzusetzen, wo Skrupel unbekannt und Sanktionen nicht zu 
			befürchten sind.“ (ebd.) 
			 
			Dies aber bedeutet letztlich die Außerkraftsetzung aller 
			demokratischen Prozesse. Die, die sich dagegen wehren, werden, wie 
			in der Atomdebatte der vergangenen Jahrzehnte, als 
			Fortschrittsverweigerer und Arbeitsplatzvernichter abgestempelt. Was 
			wir erleben ist der endgültige Ausverkauf von allem, was uns an 
			Heiligem, an Grenze des Menschen noch geblieben ist.  
			 
			Enzensberger schließt: Letzten Endes wird die Utopie der totalen 
			Beherrschung der Natur und des Menschen, wie alle bisherigen 
			Utopien, nicht an ihren Gegnern scheitern, sondern an ihren eigenen 
			Widersprüchen und an ihrem Größenwahn. Noch nie hat sich die 
			Menschheit freiwillig von ihren Allmachtsphantasien verabschiedet. 
			Erst wenn die Hybris ihren Lauf genommen hat, wird die Einsicht in 
			die eigenen Grenzen, vermutlich zu einem katastrophalen Preis, 
			notgedrungen die Oberhand gewinnen. Dann wird auch eine 
			Wissenschaft, die wir achten und mit der wir leben können, wieder 
			eine Chance haben. 
			 
			Ausverkauf des Heiligen, wäre ein treffliches Wort für das, worum es 
			hier geht. Und deshalb können wir uns als Christen diesen Ausflug in 
			den Zeitgeist nicht ersparen, der uns auch zeigt, dass noch andere 
			diesen Prozess geistesgegenwärtig beobachten und sich zu Wort 
			melden. Denn schließlich feiern wir an Pfingsten nicht den 
			Ausverkauf des Heiligen, sondern den Einzug des Heiligen in die 
			Welt. Gott gießt seinen Geist aus auf alle Welt.  
			 
			Gerne wären die Jünger im Trubel der Osterfreude in die Welt 
			gezogen. Sie konnten und durften es nicht ohne den Geist der ihrer 
			Schwachheit aufhalf. Denn ohne diesen Geist wussten sie und wissen 
			wir nicht was wir beten, reden und glauben sollen (Römer 8/26). Zwar 
			wird uns an Pfingsten von überschwänglicher Begeisterung berichtet. 
			Aber zugleich ist dieses Pfingstwunder eine radikale Kritik aller 
			menschlichen Vernunft und Kraft. Wir können die Sterne des Himmels 
			mit unseren Augen sehen, mit unserem Verstand die Unermesslichkeit 
			zu begreifen versuchen, aber wir können sie nicht anfassen. Wir 
			können über Gott nachdenken, aber wir können nichts mit und aus ihm 
			machen. Er bleibt uns entzogen.  
			 
			Der Geist des Menschen und der Geist Gottes haben keine natürliche 
			Schnittmenge: Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist 
			Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn 
			es muss geistlich beurteilt werden. 
			 
			Oder Luther in seiner Auslegung zum dritten Glaubensartikel: „Ich 
			glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus 
			Christus meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann. Sondern der 
			Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen 
			Gaben erleuchtet und geheiligt.“ Der Glaube weiß um die 
			Unverfügbarkeit des Heils und der Erlösung. Und dies ist nicht die 
			Beleidigung der menschlichen Vernunft und Kraft, sondern ihre größte 
			Freiheit und Entlastung. Wir müssen nicht versuchen, was wir gar 
			nicht können.  
			 
			Und deshalb müssen wir genau dieses heute als Christen auch jenseits 
			unserer Kirchenmauern vertreten. Es gibt viele Wissenschaftler, die 
			uns darin recht geben. Für die längst nicht ausgemacht ist, dass all 
			die Versuche am werdenden Leben in absehbarer Zeit auch nur einen 
			schwer Kranken gesund machen, während Infektionskrankheiten wie 
			Malaria und Tuberkulose jährlich Millionen Menschen den Tod bringen. 
			Es könnte gut sein, dass am Ende einer Verwirklichung all dieser 
			hochtrabenden Pläne, für uns alle kein besseres und freieres Leben 
			steht, sondern das Gegenteil. Eltern, die ein behindertes Kind zur 
			Welt bringen, werden sich rechtfertigen müssen, warum es überhaupt 
			geboren wurde und der Allgemeinheit Kosten verursacht. Das wäre das 
			Ende einer menschlichen Gesellschaft, deren Wert sich für uns 
			Christen immer noch daran bemisst, wie sie mit ihren schwächsten 
			Gliedern umgeht.  
			 
			Der Heilige Geist ist gerade darin der beste Freund des gesunden 
			Menschenverstandes, dass er ihm seine Grenzen zeigt. Das Heilige 
			darf und muss Gottes Geheimnis bleiben. Es ist zu bestaunen, aber 
			bleibt unserem Zugriff entzogen. Ein Menschenverstand, der keine 
			Grenzen mehr kennt, verfällt dem Größenwahn, der in unserer 
			Gesellschaft zwar bei dem behandelt wird, der meint, er könne den 
			ICE durch seine Beine fahren lassen, nicht aber bei denen, die den 
			Menschen neu erfinden wollen.  
			 
			Es muss geistlich geurteilt werden schreibt Paulus. Der Heilige 
			Geist ist auch darin der beste Freund des gesunden 
			Menschenverstandes, dass er ihm auf die Sprünge hilft. Denn der 
			Heilige Geist ist der Geist des Christus. Wir aber haben Christi 
			Sinn. Darum gilt mit Meister Eckhart: „Der Mensch soll sich 
			gewöhnen, sich in allen seinen Werken allzeit in das Leben und 
			Wirken unseres Herrn Jesu Christi hineinzubilden, in all seinem Tun 
			und Lassen, Leiden und Leben, und halte hierbei allzeit ihn vor 
			Augen, so wie er uns vor Augen gehabt hat.“ (Eckhart, Traktate, 
			Quint, S.76)  
			 
			Die neue Kreatur, die der Geist des Christus in uns wachsen lässt 
			(2. Korinther 5,17) ist nicht der Übermensch, ist nicht der 
			Superheld, sondern der wahre Mensch. Gott macht ihn für uns alle 
			sichtbar durch seine Menschwerdung in Jesus Christus. Und deshalb 
			gilt in all den Fragen, die wir bedacht haben: Wir dürfen, ja wir 
			sollen wahre Menschen werden und bleiben. Nicht immer im Gardemaß, 
			nicht immer ohne Gebrechen, nicht immer schlau und leistungsfähig, 
			mit unseren Fehlern und Schwächen – und doch Kinder Gottes! Töchter 
			und Söhne Gottes in der Gestalt wahrer Menschlichkeit. Solche Leute 
			braucht die Welt. Darum beten wir: Komm Heiliger Geist.  
			
			Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv  unter
			
			www.kanzelgruss.de)  | 
			
			 
			Text: 
			Paulus schreibt:
			 
			12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist 
			der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was 
			uns von Gott geschenkt ist. 
			13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche 
			Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und 
			deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 
			14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es 
			ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss 
			geistlich beurteilt werden. 
			15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber 
			von niemandem beurteilt. 
			16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn 
			unterweisen«? (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn. 
  
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