Predigt     1. Könige 19/1-13a     Okuli     24.02.08

"Leidenschaft für Gott"
(von Dekan i.R. Rudolf Weiß)

Liebe Leser,

ein Gottesstreiter gerät in eine tiefe Lebens- und Glaubenskrise. Alles Kämpfen und Bekennen erscheinen Elia vergeblich. Er hat zwar einen Sieg errungen und beim Gottesurteil auf dem Berg Karmel triumphiert. Feuer fiel vom Himmel. In loderndem Eifer für seinen Gott Jahwe ließ Elia die Baalspriester umbringen. Aber mit seinem Eifern hat er den leidenschaftlichen Zorn der Königin Isebel entfacht. Er fürchtet die Rache der Königin Isebel, die den Baalskult in Israel gefördert hat. Sie hat Elia ausrichten lassen, sie werde ihn genauso behandeln wie er die Baalspriester. Obwohl Elia die grandiose Machtprobe zwischen Jahwe, seinem Gott, und Baal, dem kanaanäischen Gott gewonnen hat, verzweifelt der kämpferische Elia. Elia fürchtet um sein Leben, flieht in die Wüste und legt sich unter einen Wacholder. Er klagt in einer bedrückten und bewegten Weise vor seinem Gott, die im ganzen Alten Testament einzigartig ist. Er will nicht mehr weiterleben, sondern sterben. „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ Hatte Elia sich in seiner Leidenschaft für seinen Gott Jahwe übernommen? Wollte er seine Väter übertreffen? Wollte er in seiner Leidenschaft für seinen Gott etwa gar Josua und Mose überbieten? Er resigniert und will mit seinem Scheitern offensichtlich den geheimen Lebensplan, besser, größer, eifernder zu sein als seine Väter zugleich sein Leben aufgeben. Im Buch Jesus Sirach wird der Prophet Elia so charakterisiert: „ Elia glich einem Feuer und seine Worte brannten wie eine Fackel.“

Mit einem gerösteten Brot und Wasser wird Elia gestärkt für den weiten Weg zum Gottesberg Horeb. Dort begegnet er seinem Gott und klagt, warum er am Leben verzweifelt: „Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach mir mein Leben zu nehmen.“

Da ist ein leidenschaftlicher Kämpfer ans Ende seiner Kraft gelangt. Die feurigen Worte, die kraftvollen Taten, das leidenschaftliche Eintreten für den Gott Jahwe führen ihn nicht aus der Bedrängnis, helfen nicht aus der für ihn lebensbedrohlichen Lage. Der Prophet will mit seinem Leben auch den verlorenen Kampf beenden.

Ich will stellvertretend für andere einen Gotteskämpfer nennen, der seinem Leben ein Ende machte. Der Pfarrer Oskar Brüsewitz verzweifelte in der ehemaligen DDR am militanten Kommunismus, der die Jugend systematisch dem lebendigen Gott entfremdete und auch an der seiner Ansicht nach zu laschen und nachgiebigen Kirche. In Zeitz übergoss er sich auf einem öffentlichen Platz vor einer Kirche mit Benzin und steckte sich in Brand. Er starb an den Brandverletzungen in Halle in einem Krankenhaus. Die staatlichen Stellen wollten diesen Feuertod als Tat eines Psychopathen, eines Geisteskranken, erklären; aber die Kirche wehrte sich dagegen. Pfarrer Brüsewitz war nicht geisteskrank, sondern verzweifelt. Er wollte die Gewissen wachrütteln. Freilich wurde im Osten wie im Westen unseres Landes damals leidenschaftlich diskutiert, wie weit die Leidenschaft für Gott gehen darf. Darf ein Glaubenszeuge sein eigenes Leben als eine Art Brandopfer darbringen? Inzwischen hat das fanatische, religiöse Eifern zugenommen. Nicht nur das eigene Leben wird geopfert, nein, die muslimischen Selbstmörder wollen möglichst viele Opfer mitreißen in ihren Tod.

Bei uns wird gerne geklagt, wie wenig in unseren Gottesdiensten los sei und manche empfinden die Verkündigung als langweilig. Was wollen wir? Wollen wir feurige Predigten, die zum bewaffneten Kampf aufrufen wie es in den Kirchen im ersten Weltkrieg und teilweise im zweiten geschah? Nicht nur der Islam kennt die feurige Leidenschaft, die zum Schwert greift, auch das Judentum kennt mit Mose und mehr noch mit Elia feurige und leidenschaftliche Gestalten, die Gottlose umbringen. Auch die Christen kennen solche Feuergestalten wie etwa Bernhard von Clairvaux, der zum Kampf gegen die Ungläubigen aufrief, zum Kreuzzug gegen die Gottlosen. Versuchen wir den Propheten Elia zu verstehen.

Elia tritt ein für den Gott Jahwe, der sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreite und durch die Wüste in das gelobte Land führte. Am Gottesberg hat er sein Volk auf seine Gebote verpflichtet. Jahwe bezeugte sich als leidenschaftlich liebender Gott, der die Liebe zu seinem erwählten Volk nicht mit anderen Göttern teilt. Bereits mit König Salomo kamen fremde Prinzessinnen ins Land, die ihren eigenen Kult mitbrachten und in Jerusalem dafür Heiligtümer errichten ließen. König Ahab hatte eine phönikische Prinzessin aus Sidon geheiratet, die von zu Hause den Baalskult als Staatsreligion mitbrachte. In der Hauptstadt Samaria wurde ein Baalstempel errichtet. Der Baalskult wurde von Isebel gefördert und offensichtlich vom König neben dem Jahwekult toleriert. Gegen diesen Synkretismus nach der Devise „Jahwe und Baal“ richtete sich der Unmut und auch der Zorn der jahwetreuen Landbevölkerung. Elia spitzte den Gegensatz zu und forderte auf zur Entscheidung „Jahwe oder Baal“. Der Zorn der Jahwetreuen loderte auf als der staatlich geförderte Baalskult dazu führte, Jahweheiligtümer zu zerstören.

Eine wachsende soziale Spannung verschärfte den Konflikt. Das in Samaria in einem Palast residierende Königshaus herrschte absolutistisch und vermehrte den Grundbesitz auf Kosten der Bauern, die verarmten. In der Geschichte vom Weinberg Naboths wird berichtet, wie es damals zuging. Der König wollte für seine Sommerresidenz einen Gemüsegarten anlegen und wollte dazu einen Weinberg des Nachbarn erwerben. Der aber war nicht bereit, den ererbten Weinberg herzugeben. Darüber ärgerte sich der König dermaßen, dass ihm der Appetit verging. Isebel half ihrem Mann und zeigte ihm, wie der Weinberg zu bekommen ist. Sie ließ ein Fasten ausrufen und lud dazu auch Naboth ein. Sie schrieb falsche Zeugen an, die aussagten, Naboth hat „Gott und den König gelästert“. Naboth wurde zum Tod verurteilt und gesteinigt. Der Besitz fiel an den König, der Weinberg gehörte ihm. Gegen solchen Rechtsbruch trat Elia auf. Er eiferte nicht nur für die Ehre Gottes, sondern auch für Recht und Gerechtigkeit. Dafür haben alle Propheten, kleine wie große, ihren Mund aufgetan und traten ein für Recht und Gerechtigkeit.

Kehren wir zurück zu Elia, dem Gott, und zwar Jahwe, begegnet. Eine Theophanie, eine Erscheinung Gottes, die ungeheuer beeindruckt, jedoch schwer auszulegen ist. Gott gibt sich Elia nicht im Sturm zu erkennen, der Felsen zerbricht, auch nicht im Wind, auch nicht im Erdbeben, auch nicht im Feuer, sondern im stillen, sanften Sausen.

Ich versuche eine Deutung, die sich auf Elias Leidenschaft für seinen Gott bezieht. Elia wollte seinen Gott groß machen, sogar im Eifern für Gott sogar seine Väter übertreffen. Gott muss nicht groß gemacht werden. Er ist der Herr und kann sich offenbaren, wem er will und auf welche Weise er will. Er ist nicht angewiesen auf die aufkochenden Leidenschaften, die aus Menschen hervorbrechen wie Lava aus einem Vulkan. Er vermag durch Worte zu erschaffen und ins Leben zu rufen. Er vermag durch seinen Geist die Herzen von Menschen zu bewegen. Ich neige dazu, dass Elia in seiner bewegenden Klage vor Gott seinen Willen überstrapaziert hat, weil er verzweifelte und fürchtete, mit ihm allein stehe und falle der Gottesglaube Israels. Gott weiht ihn ein in seinen Plan. Er wird in Israel 7000 Menschen übriglassen, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben. Gott ist nicht angewiesen auf den Eifer des Propheten um seine Ziele zu erreichen. Auch wenn sich nicht mehr das ganze Volk zu ihm bekennt, wird ein treuer Rest übrigbleiben, mit dem Gott seinen Plan verwirklicht. Die Geschichte Israels scheint immer wieder ans Ende zu gelangen und doch geht Gott seinen Weg erstaunlich weiter. Der Gottesglaube blieb lebendig bis zum heutigen Tag.

Die feurigen Gestalten Mose und Elia prägten den Glauben Israels. Zur Zeit Jesu wurde der wiederkehrende Elia erhofft. Auf dem Berg der Verklärung erscheinen neben der Lichtgestalt Jesu die Gestalten des Mose und des Propheten Elia. Jesus steht in ihrer Tradition. Aber er „reinigt“ das Bild Gottes von den gewaltsamen und übereifrigen Zügen. Er kennt auch den Eifer für das Haus Gottes und reinigt den Tempel, der keine Räuberhöhle, sondern ein Bethaus zu sein hat.

Jesus erfährt im Garten Gethsemane auch die tiefe Lebensangst wie Elia und betet: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“ Aber er bittet nicht darum zu sterben. Nein. Er willigt ein in Gottes Plan: „.. nicht was ich will, sondern was du willst.“

Eine wenig bekannte kleine Begebenheit auf dem Weg nach Jerusalem führt uns vor Augen, was Jesus von Elia unterscheidet. Samaritaner weigern sich, Jesus und seine Jünger auf dem Weg nach Jerusalem zu beherbergen und verstoßen gegen das Gastrecht. Jakobus und Johannes eifern und wollen sich bevollmächtigen lassen zu einem Strafgericht wie bei Elia: „Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht. Einige Handschriften fügen ein hinzu: „Ihr habt wohl vergessen, welcher Geist euer Leben bestimmen soll.““ (Lukas 9,52-56) Deutlich genug distanziert sich hier Jesus von der zornigen Leidenschaft, die sich mit Feuer und Schwert gegen andere entlädt. Jesus bezeugt auch Leidenschaft, aber eine Leidenschaft der Liebe, die sogar den Feind einbezieht. Der Apostel Paulus bezeugt in 1. Korinther 13 diese Liebe: „Und wenn ich all meinen Besitz verteilte und nähme den Tod in Flammen auf, aber hätte keine Liebe, dann wäre es alles umsonst.“ Jesus will die engen Schranken überwinden, das engherzige und kleinkarierte Denken und Fühlen, die in anderen Menschen nicht mehr Geschöpfe Gottes zu erkennen vermögen, sondern eine zu vernichtende Brut. Jesus wird sich aus allen Völkern eine Gemeinde sammeln, die nach Gottes Willen und Gebot lebt. Er wird die leidenschaftliche Liebe zu Gott und zu den Menschen nicht mit Feuer und Schwert in die Welt tragen sondern eine Liebe bezeugen, die sich hingibt.

Der Geist Jesu Christ und seines Vaters erfasste an Pfingsten die Jünger und eine Gemeinde von dreitausend Menschen. Gottes Geist gab sich ähnlich zu erkennen wie damals am Horeb. Ein gewaltiger Wind brauste und erfüllte das Haus. Feurige Zungen erfasste die Menschen. Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt. Dieser Geist hilft uns, wenn wir wie Elia verzweifeln möchten, weil wir an die Grenzen der eigenen Kraft geraten sind. Der Geist lenkt unsere Blicke weg, auf uns selbst zu schauen und unsere Grenzen, sondern hin zu dem lebendigen Gott und seiner kraftvollen Liebe.

Der Dichter Paul Gerhardt hat in seinem Lied „Befiehl du deine Wege“ eine gültige Antwort auf die Klagen Elias gegeben:
 
„Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht,
Laß fahren, was das Herze betrübt und traurig macht;
Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll,
Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.“ (EG 361,7)

Dekan i.R. Rudolf Weiß

Text:

 1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.
2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.

5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss!
6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

9 Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?
10 Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen.

11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben.
12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

 


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