Predigt     1. Könige 8/22-24,26-28     Himmelfahrt     25.05.17

"Wo Gott wohnt"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)
 

Liebe Leser,

der König Salomo hat geschafft, was seinem Vater David verwehrt blieb. Der Tempel, der als der salomonische in die Geschichte einging, ist fertig gestellt. Was wir gerade gehört haben, ist ein Ausschnitt aus der Einweihungsrede Salomos. Die Weisheit dieses Königs ist legendär. Wenn er den Mund aufmacht, hat das, was er sagt, immer Hand und Fuß. Und so hat er sich für seine Rede ein wirklich spannendes Thema ausgesucht. Er versucht eine Antwort auf die Frage: Wo wohnt Gott?

Wo wir wohnen wissen wir fast immer. Aber den ganz Kleinen und den ganz Alten, die sich nichts mehr merken können, hängt man schon einmal ein Bändchen um, auf dem steht: Ich heiße Lisa Müller und wohne in der Klosterstraße 23. Wenn Lisa Müller sich verlaufen hat, weiß der, der sie findet, wo Lisa Müller hingehört und wo er sie am besten abgeben kann.

Für Gott wäre das auch praktisch. Ja, viele fänden es auch praktisch, wenn sie wüssten, wo sie Gott abgeben könnten, wenn er ihnen einmal über den Weg läuft. Vielleicht gibt man ihn am besten sonntags in der Hospitalkirche oder der Michaeliskirche oder der Lorenzkirche ab. Dann hätte man wieder seine Ruhe, der alte Mann wäre gut aufgehoben und eine Weile von der Straße weg, auf der wir durch unser Leben brausen.

Aber mit Gott funktioniert das nicht. Das weiß schon der König Salomo. Seinen Tempel dürfen wir uns riesig vorstellen. Aber siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können Gott nicht fassen. Er passt einfach in keinen Tempel und in keine Kirche rein. Und deshalb kann man ihn dort auch nicht einsperren. Das gilt seit dem Himmelfahrtstag auch für seinen Sohn Jesus von Nazareth, den wir den Christus nennen. Seit er zum Himmel gefahren ist, können auch ihn aller Himmel Himmel nicht fassen.

Martin Luther erklärt es uns in seiner Himmelfahrtspredigt vom 14. Mai 1523 auf seine unnachahmliche Weise: „Nun müssen wir von der Auffahrt des Herren Christus zum Himmel auch reden (...) Man soll nicht denken, dass er dahin gefahren sei und sitze da oben und lasse uns hier regieren, sondern darum ist er hinaufgefahren, weil er dort am meisten schaffen und regieren kann. Denn wenn er auf Erden geblieben wäre sichtbar für die Menschen, hätte er nicht so viel schaffen können (...). Darum hüte dich, dass du nicht denkst, dass er jetzt weit von uns weg sei, sondern im Gegenteil, als er auf Erden war, war er uns zu fern, jetzt ist er uns nah (...). Wo ist er aber? Hier bei uns ist er und hat sich darum in den Himmel gesetzt, damit er nahe bei uns sei. So sind wir bei ihm da oben und er bei uns hier unten: Durch die Predigt kommt er herab und wir kommen durch den Glauben hinauf.“ (WA XII, 562)

Man liest immer wieder wirklich seltsame Dinge. Da versuchen Theologen, die es doch eigentlich besser wissen sollten, ihren Lesern zu erklären, dass alles, was Luther vom frommen Menschen redet, zuzusagen innerlich und privat sei. Auf die Gestaltung der Kirche hätte das keinerlei Auswirkungen. Da hätten wir freie Hand. Wenn es um die Gestaltung der Kirche gehe, sollten wir heute besser die Wirtschaftswissenschaftler, die Soziologen und die Manager fragen, als die Bibel und die Theologie. Auf die Gestaltung unserer Welt hat nach dieser Logik der private Glaube dann auch keine Auswirkungen. Da hätten wir freie Hand. In dieser Angelegenheit sollen wir besser die Politiker fragen statt die Bibel. Lachen Sie nicht, das ist eine heute verbreitete Ansicht. So wird die Theologie und der Glauben mit Hilfe der Theologie in der Kirche überflüssig und mundtot gemacht. Sonntags die Hände falten und die Woche über freie Hand haben. So stellen sich manche das Christenleben in Kirche und Gesellschaft, also in der Welt, vor; so handhaben sie es dann auch.

Sie können sich scheinbar auf Martin Luther berufen. Unterscheidet der nicht zwischen dem äußeren und dem inneren Menschen, zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche, zwischen dem weltlichen Regiment zur linken und dem geistlichen Regiment zur Rechten?

Ja schon, sagen wir da, Gott sei Dank. Das ist notwendig, damit wir uns, die Kirche und diese Welt nicht mit dem Himmelreich verwechseln. Aber mit der freien Hand hat das gar nichts zu tun. Denn das Werk Gottes auf dieser Welt fängt immer innen, unsichtbar und vor allem geistlich an. Jedes Kind weiß, dass Gott zuerst im Herzen wohnt oder im tiefsten Grund der Seele, wie Meister Eckhart sagt. Durch sein Wort kommt er dort hinein. Das wissen wir ganz sicher, weil in Jesus, dem Christus, Gottes Wort Mensch geworden ist. Im Christus kommt deshalb Gottes Wort auch zu uns. Und wenn es zu uns hinein kommt, dann wird der Christus auch in uns geboren und fängt an, in uns zu wohnen. So einfach ist das und es wird gar nicht komplizierter. Wenn der Christus anfängt, in uns zu wohnen, dann macht er zunächst in unserem Herzen - oder wir können auch sagen in unserer Seele - eine Baustelle auf. Dann macht er sich dort so breit, bis alles, was ihn stört, keinen Platz mehr hat. Am Ende sogar unser altes Ich, das sich selbst für Gott hält und immer nur um sich selbst und die Dinge dieser Welt kreist.

Aber wie für den Tempel des Salomo gilt. Gott lässt sich nicht einsperren und beschränken, auch nicht auf den inneren Menschen. Er will vom inneren Menschen aus auch den äußeren durchwirken und gestalten. Er will von der unsichtbaren Kirche aus auch die sichtbare Kirche durchwirken und gestalten. Und er will schließlich mit seinem Himmelreich die ganze Welt durchwirken und gestalten. Die ganze Welt ist seine Baustelle. Und uns will er dabei haben. Seine Gemeinde will er dabei haben. Die Kirche hat in dieser Welt nur einen Auftrag: Das Wort Gottes zu verkünden und Jesus Christus in den Sakramenten an die Welt zu verschenken. Bis die ganze Welt durch ihn durchwirkt und gestaltet ist.

Und deshalb ist es Blödsinn, wenn Theologen behaupten, der Glaube sei vor allem privat und ansonsten hätten wir freie Hand. Die Idee ist alles andere als neu und immer noch genauso falsch. Wir schlagen unter Bekenntnisse in unserem Gesangbuch (EG 907) nach und lesen, was der Theologe Karl Barth 1934 in die Barmer Theologische Erklärung geschrieben hat, die seit diesem Frühjahr auch in unserer Landeskirche Bekenntnisrang hat: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ (These 1) „Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.“ (These 3)

Wir wissen doch gerade aus unserer Geschichte, dass immer dort, wo wir den Christus ein- oder aussperren wollen, nicht die Freiheit winkt, sondern die Knechtschaft. Immer wenn Christenmenschen so liberal von der freien Hand reden, werden sie Knechte anderer Geister und Ideologien. Frei ist und bleibt die Kirche nur, wenn sie mit Herz und Hand (!) ihrem Auftrag nachkommt. Und deshalb muss sich die Kirche immer wieder neu die Gestalt suchen, die zu ihrem Auftrag passt.

Wo wohnt Gott? Im Herzen hatten wir gesagt. Und im Tempel, im Gotteshaus, in der Kirche. Denn die ist ja dazu da wie Luther schreibt, „dass nichts anderes darin geschehe, denn dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein Wort, und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang.“ So kommt er in unsere Herzen – und von dort in unser ganzes Leben und in die weite Welt. Und dann wohnt Gott natürlich auch im Himmel. Oder sagen wir es anders: Überall, wo Gott wohnt, da ist der Himmel. Wenn Gott in unserem Herzen wohnt, dann ist dort der Himmel, egal wo wir gerade sind. Und der Platz in der Kirchenbank ist immer ein Platz mit Aussicht auf das Himmelreich, wenn dort Gottes Wort gepredigt wird.

Und da wird die Frage, wo wir eigentlich wohnen, noch einmal neu gestellt. Denn jeder von uns hat seit seiner Taufe ein unsichtbares Bändchen um das Handgelenk. Dort steht Dein Name und dahinter steht als Adresse: Himmelreich. Das ist praktisch. Da weiß dann sogar der Tod, wenn er dich findet, wo er dich abzugeben hat.

Das sollten wir niemals vergessen. Wir sollten niemals vergessen, wo wir wirklich wohnen. Vorübergehend auf dieser Welt. Aber dann für immer im Himmelreich. Dann dürfen wir wohnen, wo Gott wohnt. Das sind doch himmlische Aussichten!

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel
23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen;
24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.
(...)
26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.

 


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