Predigt 1.Mose 1/1-5,26-31; 2/1-4a Jubilate 21.04.13 "Gottes
Repräsentanten?!" |
Liebe Leser,
Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt bis zur dreißigsten Etage. Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon und es herrscht noch genau der selbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen. Sie hören weit, sie sehen fern, sie sind mit dem Weltall in Fühlung. Sie putzen die Zähne, sie atmen modern. Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung. Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr. Sie jagen und züchten Mikroben. Sie versehn die Natur mit allem Komfort. Sie fliegen steil in den Himmel empor und bleiben zwei Wochen oben. ... So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet sind sie im Grund noch immer die alten Affen. So schaut der Dichter Erich Kästner auf die Menschheit, von der die erste Schöpfungsgeschichte erzählt, sie sei als Gottes Ebenbild in die Welt gesetzt worden. „Kaum zu glauben, wenn ich mir Sie so anschaue“, rief in den 70er Jahren ein Theologieprofessor in das johlende Auditorium, das aus überwiegend langhaarigen Studenten bestand. Einer davon war ich. Diese Schöpfungsgeschichte hat es schwer und ihre Auslegungsgeschichte ist nicht immer ein Ruhmesblatt. Musste sie doch auch im frommen Mund immer wieder als Begründung für das herhalten, was der moderne Mensch unter herrschen und untertan machen verstand. Die Rede von der Krone der Schöpfung schmeichelt bis heute des Menschen Hang zur Überheblichkeit. Dafür war die Schöpfungsgeschichte noch gut genug. Ansonsten freilich längst abgeschafft durch Darwins Evolutionstheorie. Jedes Kind weiß, dass die Erde und das Leben nicht in sieben Tagen, sondern in fünf Milliarden Jahren entstanden sind. Jedes Kind weiß aber hoffentlich auch, dass die Schöpfungsgeschichte als naturwissenschaftlicher Text gar nicht geschrieben wurde. Und auch was im Gewand der modernen Wissenschaft daherkommt ist oft nicht die „reine“ Wahrheit, sondern voller Mythen. In seinem Buch „Zufall und Notwendigkeit“ versucht der französische Nobelpreisträger Jacques Monod nachzuweisen, dass das Leben und das menschliche im Besonderen nur durch eine Vielzahl von bedauerlichen Betriebsunfällen entstanden ist. Er schreibt: „Wenn er diese Botschaft in ihrer vollen Bedeutung aufnimmt, dann muss der Mensch endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist, und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen.“ Und der Physiker Arthur Eddington assistiert: „Infolge einer einzigen Störung in der (kosmischen) Maschine – völlig belanglos für die Entwicklung des Weltalls – wurden aus dem Sternenstoff, der seinem Schicksal versehentlich entging, einige Stückchen Materie von falscher Größe gebildet. Ihnen ermangelte der reinigende Schutz einer hohen Temperatur oder die gleich wirkende ungeheuere Kälte des Raumes. Der Mensch ist eines der grauenvollsten Ergebnisse dieses Versagens der antiseptischen Vorsichtsmaßnahmen.“ Auch als christliche Gemeinde können wir uns einen Blick in die mythische Unterfütterung unserer modernen Welt nicht ersparen, die im Gewand der Wissenschaft daherkommt. Wer bei Erich Kästner noch schmunzeln kann, den muss hier das kalte Grausen packen. Das Grausen vor einer Welt wie ein leeres Zimmer, dem alle Trostfarben fehlen. In dem sich der Mensch als das Ergebnis eines grausamen Zufalls wiederfindet, was ihm keine andere Möglichkeit lässt, als sich vor sich selbst zu ekeln und sich zu hassen. Und wer weiß, ob der Weg der Menschheit nicht im Grunde schon längst von dort gespeist wird: Von dem bewussten oder unbewussten Willen, sich und das Leben auf diesem Planeten wieder abzuschaffen und den Fehler der kosmischen Maschine zu korrigieren. „Die Welt - ein Tor zu tausend Wüsten stumm und kalt. Wer das verlor, was du verlorst, macht nirgends halt.“ (Friedrich Nietzsche, Vereinsamt) Von den Engländern sagt man, sie wären ein Volk, das das Richtige erst dann tut, wenn es alles Falsche ausprobiert hat. Das darf man getrost von allen Völkern sagen. Wer könnte von sich selbst keine solchen Geschichten erzählen? Und auch der Schöpfungsbericht der Bibel schaut betroffen zurück aus heillosen Verhältnissen. Er schaut zurück in die verlorene Heimat. Er reflektiert, was der Mensch einmal war und eigentlich wieder sein soll: Ein Bild Gottes. Repräsentant Gottes auf Erden. Repräsentant nicht seiner eigenen Herrschaft, sondern Repräsentant der Herrschaft Gottes, der das Leben schafft und bewahrt. Aber der moderne Mensch hat seinen Gott, seinen Glauben und sich selbst verloren. Er ist ein notorischer Verbraucher der Welt und des Lebens geworden, der sich mit dem dreißigsten Stock noch lange nicht zufrieden gibt und zitternd am Puls des Wirtschaftswachstums hängt, als wäre seine Welt beliebig vermehrbar. Haltlos ist er geworden, ohne Halt im doppelten Sinn: Er weiß nicht mehr, woran er sich festhalten soll und er weiß nicht mehr, wann er anhalten muss. Und weil wir beides so wenig wissen, sagt es uns die Schöpfungsgeschichte immer wieder. Nein, wir sind nicht das Ergebnis eines blinden und verhängnisvollen Zufalls, sondern Ausfluss des Willens Gottes. In seinem Buch „Kinder des Weltalls“ schreibt der Physiker Hoimar von Ditfurth (auch ein angesehener Wissenschaftler): „Ungezählte Milliarden Sonnen mussten entstehen und wieder zugrunde gehen, damit es den Stoff geben kann, aus dem unsere Welt gemacht ist und wir selbst bestehen. Unermesslich große Räume waren notwendig, um auf dieser vergleichsweise winzigen Erde die Bedingungen entstehen zu lassen, unter denen allein sich Leben entwickeln kann. ... Der Weltraum, durch den wir mit unserem Sonnensystem reisen, hat für uns ein neues Gesicht bekommen. Er ist nicht mehr die kalte, lebensfeindliche Leere, in der wir als beziehungsloser Zufall zu existieren glaubten. Es ist unser Weltraum“ (S. 290). Das könnten Sätze sein aus einer Schöpfungsgeschichte nach dem heutigen Stand der Wissenschaft. Einer Schöpfungsgeschichte, die Besseres kann, als den Hang zu menschlicher Überheblichkeit zu bedienen, weil sie menschliches Herrschen an Gottes Herrschaft bindet. Und diese Herrschaft ist so gar nicht nach unserem Bilde. Gottes Herrschaft ist in der Bibel auf vielerlei Weise dokumentiert als die Fähigkeit, sich selbst zu begrenzen. Ja, die Schöpfung ist selbst ein Ausdruck dafür, weil Gott durch die Schaffung der Welt etwas neben sich sein lässt. Gott verwirft die Sintflut als Möglichkeit, seine Welt zu bessern, verzichtet auf die Insignien seiner Macht und wird ein machtloser Mensch in Jesus, der Christus heißt, weil in ihm Gott alles tut, um das Leben zu retten. Die Allmacht Gottes ist die Macht der Liebe, die sich selbst begrenzt zugunsten des Lebens. Und wir sehen daran, was die Schöpfungsgeschichte meint, wenn sie vom Menschen als Gottes Ebenbild spricht. An der Fähigkeit zur liebevollen Beziehung und damit zur Selbstbegrenzung zeigt sich Gottesebenbildlichkeit und damit wahre Menschlichkeit. Davon zu sprechen und danach zu leben, wird eine Überlebensfrage für die ganze Menschheit sein. Und wir sehen daran, wie modern die Schöpfungsgeschichte im Grunde ist. Ein Sprichwort sagt, erwachsen sei man dann, wenn man etwas tut, obwohl die eigenen Eltern es empfohlen haben. Zum Bilde Gottes werden wir, wenn wir Dinge tun oder Dinge lassen, obwohl unser himmlischer Vater das empfohlen hat. Dann werden sogar aus alten Affen, Kinder Gottes!
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche
Hof) |
Text:
1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. |