Predigt     1.Mose 12/2     Gemeindefest Zedtwitz     16.07.17

"Vom Segen"
(von Pfarrer Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)
 

Liebe Leser,

die Friedenskirche feiert heute mit ganz Zedtwitz den Abschluss der Bau-Maßnahmen zur Dorferneuerung. Und wir alle freuen uns über ein wunderschönes Zedtwitz. Alle, die dazu beigetragen haben, sollen dafür anschließend auch noch eigens bedankt werden. Ehre, wem Ehre gebührt! Aber hier in der Kirche ist der Ort, an dem wir zunächst gemeinsam dem danken, der seine Hände segnend über uns alle und über allem bis hierher gehalten hat. Auch, ja gerade hier gilt: Ehre, wem Ehre gebührt!

Ein Blick in die heutige Welt zeigt uns doch täglich, dass vieles, was uns selbstverständlich erscheint, alles andere als selbstverständlich ist:

  • Der Friede in unserem Land, den wir uns weder von linken noch von rechten Kriminellen zerstören lassen
  • Unser demokratischer Rechtsstaat mit Gewaltenteilung, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit
  • Unser säkularer Staat mit dem Recht zur freien Religionsausübung im Rahmen dieser Rechtsordnung

Wir waren nicht die Macher, wir sind vielmehr Erben der Väter unseres Grundgesetzes - mit der Verpflichtung, dieses Erbe zu hüten und weiterzugeben an unsere Kinder und Kindeskinder. Wir sollten das tun - wie es in der Präambel zum GG heißt: „Im Bewusstsein unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.

Zedtwitz darf sich allemal privilegiert wissen. Oder in religiöser Sprache: gesegnet! Hier wohnt keiner auf der Straße, sondern alle in festen Häusern. Die große Mehrheit lebt im Wohlstand. Und die, die es allein nicht mehr schaffen - im Schloss, in der alten Schule oder auch im Haus Regnitztal - bekommen Unterstützung und liebevolle Fürsorge. Die Kinder spielen auf einem fantastischen Spielplatz. Jeder kann ohne Angst durch die blumengesäumten Straßen gehen oder sich nachts auf eine Bank am idyllischen Inselring setzen. Und jeden Sonntag läuten die Glocken der Friedenskirche, versammelt sich eine christliche Gemeinde vor diesem Altar und feiert Gottesdienst: mit einer klangvollen Orgel und manchmal auch - wie heute - mit unserem Singkreis. Wahrlich, ein gesegnetes Dorf!

„Alles liegt an Gottes Segen“ - So sagten die Alten. Und sie wussten, dass alles, was Menschen möglich ist, worauf sie auch zurecht stolz sein können, erst dann gut wird, wenn Gott seinen Segen dazu gibt. Oder deutlicher gesagt: Wenn Gott die Menschen segnet und sie „mit heilvoller Kraft begabt“ - so nämlich die ursprüngliche Bedeutung von „segnen“! Menschen mit heilvoller Kraft begaben - das ist Gottes Absicht, auch mit uns. Das war seine Absicht schon immer - wie wir es nachlesen können in der Heiligen Schrift als erstes Wort an einen konkreten geschichtlichen Menschen. Die Rede ist vom Stammvater Abraham, zu dem Gott sagt (1. Mose 12):  „Ich will dich segnen! Und du sollst ein Segen sein!“

Jeder Leser der Heiligen Schrift, jeder Gläubige versteht diese Worte als Gottes Grundsatz-Erklärung an jeden Menschen, genauer gesagt: an jeden Menschen, der Gottes Stimme auch hört, wie Abraham. Gemeint ist nicht irgendeine „innere Stimme“, nicht unser ständiger Monolog, den wir mit uns selbst führen! Gemeint ist die Stimme Gottes, wie sie aus der Heiligen Schrift zu uns spricht: aus den Erzählungen des Alten Testaments, wo so viele Generationen ihren Schatz an Lebens- und Glaubenserfahrungen festgehalten haben für ihre Kinder und Kindeskinder. Aus den Erzählungen des Neuen Testaments, wo die Schar der Zeugen den gekreuzigten und auferstandenen Christus bekennt als endgültiges Segenswort Gottes an uns Menschen und an die ganze Schöpfung: Jesus Christus - das menschgewordene Wort Gottes!

Gott segnet Menschen eben nicht auf mirakulöse Weise, sondern indem er sie anspricht, indem Gottes Wort laut und vernehmbar wird:

Schon am Anfang eines Lebens, wenn das Kind über das Taufbecken gehoben wird, ihm ein Kreuzzeichen auf die Stirn gemacht und mit dem Taufwasser wirkmächtig besiegelt wird, dass dieses Kind dem auferstandenen Christus angehört, dass er bei ihm sein wird alle Tage bis an der Welt Ende um es dann heimzuholen auf eine neue Erde unter einem Himmel, wo Gerechtigkeit wohnt.

  • Am Ende der Kindheit, wenn Jugendliche vor dem Altar niederknien und sie mit einem persönlichen Schriftwort unter Handauflegung gesegnet werden. Oder genauer gesagt: Wo Gottes Stimme jedem jungen Menschen zuspricht, dass er je eigene Gaben und Begabungen hat. Und sein Wort ihnen Mut macht, diese zu entfalten und so eine je eigene Persönlichkeit zu werden - begabt mit heilvoller Kraft!
  • Wenn zwei sich liebende Menschen vor den Traualtar treten und Gottes Wort ihnen versichert, dass ihre Liebe göttlichen Ursprungs ist und dass sie im Glutofen der Liebe Jesu Christi zum Band der Vollkommenheit werden wird.
  • Wenn Jubelkonfirmanden nach 50 oder 60 Jahren hier dankbar zurückblicken - und sie doch Gottes Versprechen, bei ihnen zu sein bis an der Welt Ende, mit ganz anderen Ohren hören, weil beim Blick nach vorne alle um Begabung mit heilvoller Kraft bitten.
  • Am Ende des Lebens, wenn der Reisesegen über den Leichnam gesprochen wird und wir alle daran erinnert werden, dass wir hier keine bleibende Statt haben sondern unterwegs sind zu unserer himmlischen Heimat und Gottes Wort die Trauernden tröstet und sie fürs Leben mit heilvoller Kraft begabt.

So segnet Gott, indem er uns mit seinem Wort anspricht und wir uns vor ihm verantworten und - mit heilvoller Kraft begabt - zum Segen werden für andere! Das war den Vätern unseres Grundgesetzes vermutlich mehr bewusst, als unserer heutigen Zeit, wenn sie in der Präambel ausdrücklich von ihrer „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ sprachen.

Zedtwitz kann sich glücklich schätzen, eine eigene Dorfkirche zu besitzen, wo Gott mit seinem Wort Menschen segnet und sie in ihrer jeweiligen Lebenssituation mit heilvoller Kraft begabt, auf dass sie zum Segen werden für ihre Mitmenschen hier in Zedtwitz , aber eben nicht nur. Letztlich geht es darum, dem „Frieden der Welt zu dienen“! Dass dieses „dem Frieden dienen“ auch in Zedtwitz mitunter recht schwierig sein kann, weiß ein jeder. Daran wird auch der Umstand nichts ändern, dass Zedtwitz ein wunderschönes Dorf geworden ist und wir heute den Abschluss der Baumaßnahmen zur Dorferneuerung feiern. Denn was ein Dorf wirklich schön (oder auch hässlich) macht, das sind seine Menschen! Was Zedtwitz braucht sind - nein, nicht schöne Menschen, sondern gesegnete Menschen! Menschen, die sich von Gottes Wort ansprechen lassen und sich vor ihm verantworten; die sich begaben lassen mit heilvoller Kraft und zum Segen für andere werden - wie Abraham! Das wäre eine Dorferneuerung mit einem wahrhaft menschlichen Gesicht!

Freilich, alles beginnt damit, dass Gott zu uns Menschen spricht: Ich will dich segnen! Und du sollst ein Segen sein! Daran hat sich bis heute nichts geändert. Freilich, seine Stimme wird gerne überhört. Sie ist nicht laut, die Stimmen des Alltags sind in der Regel lauter. Aber wer sie hört, der wird ein anderer, ein „neuer Mensch“ wie der Apostel Paulus sagt. Er erfährt sich als einen, der von der Macht des Lebens persönlich angesprochen wird, der berufen, herausgerufen wird. Die „Ecclesia“, die Kirche ist ihrem griechischen Wortsinn nach ja nichts anderes als die Gemeinschaft der „Herausgerufenen“….sagen wir einfach mal: aus den eingefahrenen Gleisen des Denkens und des Verhaltens, aus dem Alltagstrott unseres Egoismus und unserer Freudlosigkeit, unserer Blindheit gegenüber dem Wunder des Lebens, dem Wunder des Mitmenschen, den vielen Wundern der Mitgeschöpfe.

Abraham, so wird die spätere Tradition vermuten, sah sich herausgerufen aus einer falschen Gottesverehrung – ein Gedanke, der bei näherem Hinsehen auf die Götzen unserer Tage durchaus neue Plausibilität hat. In jedem Fall bedeutet es Aufbruch und Neuanfang, wenn ein Mensch Gottes Stimme hört. Er wird auf einen Weg geschickt in das „Land der Verheißung“, das Ziel ist ein erfülltes, ein sinnvolles Leben, das es nur in der Gemeinschaft mit allen gibt, mit allen Mitmenschen, mit allen Mitgeschöpfen. Dazu beruft Gottes Stimme.

„Ich will dich segnen. Und du sollst ein Segen sein.“ – Ja, es geht etwas Heilsames von Menschen aus, die staunen können über das Wunder des Lebens; die dankbar sind für jede geschenkte Lebenszeit; die einem anderen Menschen ganz nah sein können, ohne Angst um sich selber zu bekommen; die klar sind in ihren Worten und Taten; die immer noch Hoffnung haben trotz allem; die Lebensfreude ausstrahlen, weil sie etwas spüren vom Geheimnis der göttlichen Lebenskraft. Wer so von Gott gesegnet ist, von dem geht sozusagen von selbst Segen aus – trotz, oder vielleicht muss man sagen: gerade wegen des vielen Fluchens und Verfluchens auf Erden. Der wird so zum Mitstreiter Gottes für das Leben in gelingender Gemeinschaft.

So bitten wir Gott heute, dass er auch uns segne wie einst Abraham, dass er einen jeden mit heilvoller Kraft begabe, auf dass die Gemeinschaft dieses Dorfes ihren Beitrag leiste zum Frieden der Welt.

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

Gott spricht zu Abraham:

„Ich will dich segnen! Und du sollst ein Segen sein!“

 

 

 

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