Predigt     1. Mose 2/15-17, 3/2-13     Konfirmandenbeichte     23.03.2013

"Ehrlich Mensch sein"
(von Pfarrer Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)

Liebe KonfirmandInnen, liebe Eltern und Paten, liebe Gemeinde,

morgen ist es also soweit! „Endlich!“, werdet ihr sagen. Endlich kein Konfi-Unterricht mehr, kein Auswendiglernen mehr und am Sonntag darf man auch mal wieder länger schlafen. Morgen feiert ihr eure Konfirmation. Ihr werdet euer eigenes Ja zum christlichen Glauben und zu einem Leben im Geiste Jesu Christi sprechen. Dann seid ihr religionsmündig, sozusagen Erwachsene im Glauben – auch wenn man im Glauben nie ausgelernt haben wird, ein ganzes Leben lang nicht. In vielen Kulturen gibt es solche Feiern. Sie markieren  - wie bei uns die Konfirmation - den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenwerden: Ein tiefer Einschnitt in einem jeden Menschenleben! Früher wurde das noch deutlicher, als Konfirmation häufig mit dem Ende der Schulzeit und dem Beginn des Arbeitslebens zusammenfiel.

Die Bibel, diese einzigartige Sammlung menschlicher Lebens- und Glaubenserfahrungen, weiß um die Bedeutung dieses Übergangs von der Kindheit zum Erwachsensein. Und sie weiß, dass dabei immer etwas schief läuft, wenn Kinder zu Erwachsenen werden. Man könnte sagen: Sie verlieren ihre Unschuld. Diese Erfahrung kleiden die biblischen Schriftsteller in eine Erzählung, die ganz am Anfang unserer Bibel zu lesen ist. Und am Anfang steht sie nicht umsonst! Weil sie damit jedem Leser und somit auch uns sagen will: So war es von Anfang an! Und so wird es wohl immer sein! Aber hören wir doch selbst auf diese Geschichte!

Predigttext (siehe rechts)

Eine erste Beobachtung zu dieser Geschichte: Alles ist ihnen erlaubt. Aber ausgerechnet das Eine, das Gott ihnen verbietet, das tun sie! So, wie Kinder ab einem gewissen Alter genau das tun, was ihnen ihre Eltern verbieten. Warum eigentlich? Warum werden Kinder irgendwann aufmüpfig, fangen sie an, zu widersprechen, tun sie genau das, was Eltern am wenigsten wollen? Die Geschichte gibt darauf bewusst keine Antwort! Die Schlange für alles verantwortlich zu machen, ist jedenfalls keine vernünftige Erklärung! Aber dazu später noch ein Wort!

Eine zweite Beobachtung: Als sie vom Baum der Erkenntnis essen, da heißt es, dass ihnen die Augen aufgehen. Und sie erkennen, dass sie nackt waren. Erstaunlich! Denn vorher hat sie ihre Nacktheit überhaupt nicht gestört! Sie war sozusagen ganz natürlich. Aber jetzt? Jetzt schämen sie sich plötzlich ihrer Nacktheit. Jetzt verstecken sie sie, indem sie Schurze aus Feigenblättern machen. Na ja, heute ziehen sie Armani-Jeans an und dazu ein poppiges T-Shirt. Aber die Sache bleibt doch die Gleiche! Menschen verkleiden sich – oder sollte man sagen: sie verstecken sich? Spielen dem anderen etwas vor? Sehen den anderen nicht mehr in seiner Natürlichkeit, sondern schauen nur noch auf Äußerliches? Liebe Konfirmanden, aufgepasst in dieser Welt der Erwachsenen! Hier wird gelogen und betrogen. Hier wird Verstecken gespielt, immer wieder – aber anders als in dem Kinderspiel gibt es hier schmerzhafte Enttäuschungen und Verletzungen! Hier in unserer westlichen Gesellschaft wird mehr Wert auf äußeren Schein als auf ehrliches Sein gelegt.

Damit komme ich zu meiner dritten Beobachtung: Angst haben sie am Ende! Angst voreinander und – mehr noch – Angst vor Gott! Als er im Garten spazieren geht, da verstecken sie sich in ihrer Furcht vor ihm. Man kann danach die ganze Menschheitsgeschichte lesen als eine einzige Geschichte des Weglaufens von Gott! Auch Jesus hat in einer Geschichte davon beispielhaft erzählt – freilich auch davon, wie der Vater seinem verlorenen Sohn, als der beschließt, zu ihm umzukehren, entgegenläuft und ihn herzlich umarmt.

Und dann, als Adam und Eva darauf angesprochen werden, dass sie trotz des Verbots von dem Baum gegessen haben, da schiebt einer dem anderen die Schuld zu! „Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß. Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich, so dass ich aß.“ Keiner will schuld sein! Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen. Am Ende zeigen sie beide auf die Schlange. Womit wir die Frage von vorhin beantwortet haben: Die Schlange dient in der Geschichte allein dazu, diesen Sündenbock-Mechanismus zu verdeutlichen. Warum Adam und Eva, warum alle Menschen gegen Gottes Gebot handeln, bleibt offen!

Aber die große Versuchung für alle nennt die Geschichte beim Namen. Sie kommt aus dem Munde der Schlange: sein wollen wie Gott! Oder anders gesagt: nicht Mensch sein wollen, nackt und verletzlich, offen und ehrlich; sondern mehr sein wollen, letztendlich sich aufspielen als der liebe Gott. Dass dabei überhaupt nichts Liebevolles herauskommt, erzählt die Bibel gleich in den nächsten Kapiteln, wo gleich als erstes in der Welt der Erwachsenen ein Bruder den anderen erschlägt.

Was heißt es also, wenn ihr morgen euer persönliches Ja zum Glauben an Jesus Christus sprecht? Es heißt, dass ihr als „erwachsene Christen“ eintretet in einen Kampf! Einen Kampf für ehrliches Menschsein, in einen Kampf auch gegen Lug und Betrug, in einen Kampf für Gerechtigkeit und – wie die Heilige Schrift als großes Ziel erhofft – für Frieden! Ein Kampf, der zunächst einmal in euch selber anfängt, mit der Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Das allein ist schon eine lebenslange Aufgabe. Und dabei sollt ihr auch noch nicht stehen bleiben. Denn da draußen warten Menschen in so vielerlei Not, warten auf eure Menschlichkeit!

Ehrliches Menschsein – das üben wir auch heute in diesem Gottesdienst ein: Wenn wir alle hier vor Gott treten mit dem, was uns das das Leben schwer macht; mit dem auch, womit wir anderen das Leben immer wieder schwer machen; auf dass wir uns im Spiegel wieder ins Gesicht schauen können und dem Mitmenschen in die Augen! Ja, hier dürfen und hier können wir es: Uns und einander eingestehen, dass wir uns so viel schuldig bleiben – meist mehr, als wir müssten: unseren Kindern, aber auch unseren Eltern; uns selbst, aber auch unserem Mitmenschen gegenüber. Ja, in der Gemeinschaft derer, die für wahres und wahrhaftiges Menschsein kämpfen, in der Heiligen Christlichen Kirche da üben wir das immer wieder ein: nicht in Scham- oder Schuldgefühl zu versinken, sich nicht zu Tode genieren zu müssen, sondern aufzuatmen, neu anfangen zu dürfen, ehrlicher zu leben mit der Ermutigung, es in Zukunft einfach besser machen zu können.

Hier, vor dem Angesicht des Gekreuzigten, dürfen wir wissen, dass keiner mehr oder besser ist als der andere – egal ob er Armani-Jeans trägt oder Konfektionsware. Denn hier blicken wir gemeinsam auf diesen Jesus Christus - in dem Glauben, dass er alle Schuld, vor allem meine, auf sich genommen hat und immer wieder nimmt - auf dass wir freie und aufrechte Menschen sein können und so mehr und mehr dem Ebenbild Gottes in uns entsprechen, das er mit der Taufe in einen jeden von uns gelegt hat.

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

5 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.
16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten,
17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben….
Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?
2 Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!
4 Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben,
5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
6 Und das Weib sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon, und er aß.
7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
8 Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten.
9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?
10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?
12 Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß.
13 Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich, so dass ich aß.


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