Predigt     1. Mose 28/10-19    Kirchweih Zedtwitz     19.07.09

"Wo Gott wohnt"
(von Pfarrer Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

51 Jahre ist es nun her, dass dieses Gotteshaus feierlich eingeweiht wurde. Letztes Jahr, beim 50. Jubiläum, da wurden die Anfänge der Friedenskirche in Erinnerung gerufen und die Geschichten, die sich damit verbinden.

Heute möchte ich allgemeiner aber auch grundsätzlicher fragen: Was feiern wir eigentlich, wenn wir Kirchweih feiern? – Die Schönheit dieses Gotteshauses? Die Opferbereitschaft der Generation, die sie gebaut hat? Die Erinnerung an besondere Gottesdienste? Den Kraftort für den Alltag? Den Ort von Gottes Gegenwart?
Ich frage und begebe mich mit Ihnen auf die Suche nach Antworten. Eine Geschichte aus dem AT soll uns auf den Weg bringen. Sie steht im 1. Mose 28. Ich lese die Verse 10-19:

Text

Wir kennen das: Die Suche nach besonderen, nach heiligen Orten! Christen aller Konfessionen und Jahrhunderte pilgerten und pilgern auch heute noch zu Wallfahrtskirchen – in dem Glauben, dass sie Orte besonderer Kraft sind; dass die Gebete, die dort gesprochen und Rituale, die dort abgehalten werden, besonders wirksam sind.

Dabei ist das im Grunde vollkommen unbiblisch, ja heidnisch! Und auch unser Predigttext verrät den gleichen Fehler, den Menschen immer wieder machen! Auch Jakob glaubt, die „Himmelsleiter“ wäre an diesem Ort, wo er übernachtet hat – und richtet entsprechend ein Steinmal auf, ein Haus Gottes. Für das Wunder der Gottesbegegnung im Traum macht er den geographischen Ort verantwortlich: „Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht!“

Dieses „Ich wusste es nicht“ ist der Schlüssel zum rechten Verständnis! Heißt es doch: Es war mir nicht bewusst. Anders gesagt: die Himmelsleiter, also Gott, erschien ihm im Unbewussten, in dem Teil unseres Seelenlebens, zu dem wir keinen direkten Zugang haben, von dem – wie uns die moderne Tiefenpsychologie bestätigt – nur unsere Träume zeugen. Das Auftauchen und Sprechen Gottes im Traum wird nicht durch diesen besonderen Platz hervorgerufen, sondern entspringt seinem Inneren, geschieht in seinem Inneren, in seiner Traumseele.

Jakob nennt die „Stätte“ heilig, weil er sich noch nicht bewusst war, dass er selbst diese „Stätte“ ist. Dabei ist er selbst das „Haus Gottes“! In ihm geschah die wunderbare Gottesbegegnung! Er selbst ist das Heiligtum! Und wer die Gottesrede in Jakobs Traum genau hört, wird darin nur bestätigt. Denn der Gott Abrahams und Isaaks und letztlich auch der Gott Jesu ist ein Mitgeh-Gott: „Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.“

Mit Abraham zog Gott mit, mit Mose und dem Volk Israel zog er durch die Wüste und war nicht auch Jesus als Wanderprediger unterwegs? Das jüdische Volk hat in seiner tausendjährigen Geschichte unter Schmerzen die Einsicht gewonnen, dass Gott nicht an besonderen Kultorten heimisch ist. Die Schmerzen: das war der Verlust des 1. und des 2. Tempels in Jerusalem. Die Einsicht war: dass Gott sich in den Menschen innewohnt. Dieses Wissen um die „Schechina“, um die Innewohnung Gottes in uns greifen im NT der Evangelist Lukas und der Apostel Paulus auf. Ich zitiere: „Gott wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht.“ Und: „Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid?“

Jetzt frage ich noch einmal: Was feiern wir eigentlich, wenn wir Kirchweih feiern?
Hören wir doch auf die Liederdichter in unserem Gesangbuch:

- Zieh in meinem Herzen ein, lass es deinen Tempel sein….“ (EG 166.1)
- „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“ (EG 16.5)
- Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, Eu’r Herz zum Tempel zubereit…“ (EG 1.4)
- „Wohne in mir, mach mich ganz eines mit dir.“ (EG 41.5)

Was Jakob nur erahnte, was alle Mystiker der Christenheit aber auch aller anderen Religionen sagen, und was auch wir manchmal erspüren oder erfahren: Dass ganz tief in uns drinnen, in unserer Mitte Gott wohnt - die Quelle des Lebens, der Liebe und der Hoffnung, die nicht zuschanden wird.

Also noch einmal gefragt: Was feiern wir, wenn wir Kirchweih feiern? Je nachdem, was wir unter „Kirche“ verstehen: Meinen wir das Gebäude aus Steinen, dann können wir uns über die Schönheit dieses Gotteshauses, die Opferbereitschaft der Generation, die sie gebaut hat, die Erinnerung an besondere Gottesdienste unterhalten. Meinen wir aber das „Gebäude aus lebendigen Steinen“, wie es der Verfasser des 1. Petrusbriefes ausdrückt, dann reden wir von der Gemeinschaft der Heiligen, von unserer Gemeinschaft und der Gemeinschaft der Christen weltweit, die Gott dadurch heiligt, dass er sich in uns und ihnen innewohnt.

Entsprechend bekommt auch das Wort „Gottesdienst“ einen verschiedenen Klang: Im ersten Fall ist Gottesdienst so etwas wie eine moralische Pflicht. Wir gehen zum Kirchweihgottesdienst, weil wir der Generation der Anfänge der Friedenskirche gedenken und Gott loben, unser Opfer bringen und so meinen, etwas für Gott zu tun.

Im zweiten Fall aber macht Gott uns zu Priestern und Priesterinnen im Tempel unseres eigenen Leibes. Dann müssten wir Ernst machen mit dem Wort des Paulus, dass unser Körper „ein Tempel des Heiligen Geistes“ ist (1. Kor.6.19) und müssten uns fragen, was ein dem entsprechender „Tempeldienst“, was also rechter Gottesdienst ist. Dann müsste ein jeder und eine jede von uns anfangen, wieder aufmerksamer auf die Signale seines Körpers zu achten, müsste ihn „einrichten“ wie ein Gotteshaus, wie eine schöne Kirche.

Wie sagte Theresa von Avila: „Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat darin zu wohnen.“ Wenn wir so Gottesdienst feiern, auf diese Weise Gott dienen, dann wird und will Gott einem jeden von uns dienen; dann wird er Wohnung in uns nehmen, leibhaftig, sinnlich – so wie im Heiligen Abendmahl, das wir jetzt miteinander feiern wollen.

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

10 Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran
11 und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen.
12 Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.
13 Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben.
14 Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.
15 Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.
16 Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht!
17 Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.
18 Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf
19 und nannte die Stätte Bethel, das heißt: Haus Gottes.
Herr segne Reden und Hören! Amen.
 


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