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       Liebe Leser, 
		
      	in diesem Jahr jährt sich der Todestag von Hermann 
		Dietzfelbinger, der von 1955-1975 Landesbischof der Evang.-Luth. Kirche 
		in Bayern war, zum 30. Mal. Er starb 1984. Grund genug sich an diesen 
		Landesbischof zu erinnern, der sich selbst einmal als „theologischen 
		Hilfsarbeiter seiner Kirche“ bezeichnet hat.  
		 
		Ein tiefes geistliches Verständnis des Bischofsamtes und des Pfarramtes 
		überhaupt spricht aus diesen Worten. Es ist in seiner Bescheidenheit dem 
		reformatorischen Verständnis des geistlichen Amtes angemessen.  
		 
		Der Theologe Klaus Raschzok schreibt: „Nach reformatorischem 
		Selbstverständnis gibt es nur das eine Predigtamt. Aufsichtsämter wie 
		das evangelische Bischofs- oder (…) Dekansamt, die streng genommen nur 
		Funktionen des einen gleichberechtigten und nicht-hierarchisch gestuften 
		Predigtamtes sind, gehören in den Bereich der menschlichen Ordnung. Es 
		sollte nachdenklich stimmen, dass die frühen Wittenberger 
		reformatorischen Ordinationsformulare sich gerade nicht an der 
		spätmittelalterlichen Priesterweihe, sondern stattdessen an der 
		Bischofsweihe orientierten. Pfarrerinnen und Pfarrer sind Bischöfinnen 
		und Bischöfe ihrer Gemeinden, die getauften Glieder dieser Gemeinden 
		aber sind nach reformatorischem Kirchenverständnis die Priesterinnen und 
		Priester. Immer wieder beobachte ich in der kirchlichen Öffentlichkeit 
		den fehlenden Mut, dazu zu stehen, dass die reformatorischen Kirchen von 
		ihrem Amts- und Leitungsverständnis her nicht dem römischen 
		Kirchenmodell vergleichbar sind und das reformatorische 
		Kirchenverständnis (…) gerade kein explizites bischöfliches oder 
		päpstliches Leitungsamt als hierarchische Steuerungsinstanz an der 
		Spitze der Kirche benötigt.“ (Bay. Korrespondenzblatt Nr. 6/2008, S. 83) 
		 
		Unser heutiger Predigttext nötigt uns, uns daran wieder einmal erinnern 
		zu lassen. Der 1. Petrusbrief ist keine Brief an die Kirchenleitung, 
		sondern an die Gemeinden. Ihr alle, die ihr auf den Herrn Jesus Christus 
		getauft seid, seid gemeint, wenn es heißt: Ihr aber seid das auserwählte 
		Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk 
		des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch 
		berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. 
		 
		Dieser Vers ist „ein Kronzeuge für das Priestertum aller Glaubenden 
		geworden. Dass Luther, nicht nur zur Freude seiner Mitstreiter, 
		weitreichende Konsequenzen aus diesen Worten gezogen hat, irritiert 
		Papst, Kirchenleitungen und Pfarrvereine glücklicherweise bis heute“ 
		(Manfred Wussow, GPM 2/2008, Heft 3, S. 320). Glücklicherweise! 
		 
		Denn das heilige Volk soll nicht im Schatten seiner Führer und 
		Vorgesetzten, seiner Pfarrer, Dekane und Bischöfe stehen und leben. Sie 
		sind die theologischen Hilfsarbeiter der evangelischen Kirche. Denn das 
		Pfarramt hat nicht die Macht und Schönheit der eigenen Einrichtung zur 
		Geltung zu bringen, sondern die Macht des Herrn der Kirche zu bezeugen 
		und sein Wort zum Leuchten zu bringen. Es hat nicht zur Mitgliedschaft 
		im eigenen Unternehmen, der eigenen Partei, der eigenen 
		Wertegemeinschaft, der eigenen Organisation, der eigenen Anstalt des 
		öffentlichen Rechts einzuladen, sondern zum Glauben an Jesus Christus. 
		Auf den Schreibtisch des Pfarrers gehört vor allem die aufgeschlagene 
		Bibel. Denn das Pfarramt ist ein geistliches Amt und nimmt öffentlich 
		wahr, was das Amt eines jeden getauften Christen ist: dass ihr 
		verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der 
		Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Dieses Licht duldet nicht, dass 
		sich jemand zwischen dieses Licht und die christliche Gemeinde platziert 
		und diese in den Schatten stellt. Die theologischen Hilfsarbeiter der 
		Kirche haben vielmehr dafür Sorge zu tragen, dass das Licht des 
		Evangeliums unverstellt und mit voller Kraft die ganze Gemeinde und alle 
		Welt erreicht.  
		 
		Es muss doch einmal gefragt werden dürfen, warum so viele die Botschaft 
		des Evangeliums bejahen und gleichzeitig die Kirche als Organisation 
		ablehnen. Könnte es vielleicht auch daran liegen, dass sich die Kirche 
		als Organisation in manchen Punkten so gebärdet, dass sie ihrer eigenen 
		Botschaft widerspricht? Deshalb müssen die theologischen Hilfsarbeiter 
		der Kirche daran erinnert werden, dass sie in der Nachfolge des Herrn 
		Jesus Christus stehen, der seinen Jüngern die Füße wusch (vgl. Johannes 
		13,1ff.). 
		 
		Jesus gibt den Jüngern dadurch auch ein Beispiel, in welchem Bereich sie 
		vor allem ihres Amtes walten sollen. Dieser Bereich ist eher im 
		Erdgeschoss als in den oberen Etagen und den luftigen Höhen dieser Welt 
		angesiedelt. Gottes heiliges Amt dagegen ist es, uns bei der Taufe den 
		Kopf zu waschen. Und jeder Getaufte sollte für den Rest seines Lebens 
		darauf beharren, sich von Gott den Kopf waschen zu lassen und sonst von 
		keinem.  
		 
		Wer von Gott den Kopf gewaschen bekommt, der wird nicht niedergemacht, 
		eingeschüchtert, gedemütigt, etikettiert, stigmatisiert, entwertet und 
		weiter unten eingeordnet oder gar verbannt. Die Kopfwäsche Gottes nimmt 
		es mit jedem Dreck auf und macht den, den sie wäscht, wirklich sauber 
		und wie neu. Deshalb ermuntert Martin Luther die Gemeinde zur täglichen 
		Buße in Erinnerung an „die Sintflut der Taufe (…), darinnen der alte 
		Adam ersäuft und der neue Mensch erstehet“ (Luther-W Bd. 5, S. 193). Als 
		solchen schickt Gott uns immer wieder und täglich in das auserwählte 
		Geschlecht als Kinder Gottes zurück und damit auf den rechten Weg. Die 
		Kopfwäsche Gottes hat erfreuliche und heilsame Folgen. 
		 
		Sie hat z.B. zur Folge, dass dem, der eine solche Kopfwäsche geschmeckt 
		hat, andere Dinge immer weniger schmecken: alle Bosheit und aller Betrug 
		und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede gehören dazu. Wem soll das 
		noch schmecken angesichts der Milch des Evangeliums, in der die 
		Freundlichkeit des Herrn erfahrbar wird. Milch ist das, was ganz kleine 
		Menschen groß und stark macht. Und wenn sie dann groß sind, dann mögen 
		sie vielleicht keine Milch mehr, aber wohl all das, was man aus dieser 
		Milch noch machen kann, um dem Gaumen eine Freude zu bereiten. Und wer 
		ist nicht bis zum Ende seines Lebens auf der Suche nach dem Land in dem 
		Milch und Honig fließen? Für die Israeliten war dieses Land der Horizont 
		ihrer Wanderung durch die Wüste. Für uns Christen ist an die Stelle des 
		gelobten Landes das Reich Gottes, das Himmelreich getreten, von dem 
		Jesus uns ausführlich erzählt. Milch und Honig sind deshalb ein schönes 
		Bild für das Evangelium selbst. Ein Kostverächter, dem der Appetit 
		darauf vergeht.  
		 
		Das Evangelium hat aber noch weitere geradezu medizinische Wirkungen. 
		Einen lebendigen Stein kann sich wohl keiner so richtig vorstellen. Aber 
		ein Herz, das eigentlich lebendig sein sollte und zu Stein geworden ist, 
		das kennen wir. Und wir wissen auch, wie viel Wärme, Liebe, Geduld und 
		Güte es braucht, um ein versteinertes Herz wieder zum Leben zu erwecken. 
		Der Christus hat so viel Liebe. Sein Evangelium hat so viel Wärme, 
		Geduld und Güte.  
		 
		Und deshalb ist jede Kirche nicht einfach nur aus Steinen gebaut, 
		sondern jeder dieser Steine wurde von einem durch das Evangelium 
		bewegten und durch die Taufe neu geborenen Menschen an seinen Platz 
		bewegt, gepflegt und erhalten. Und schließlich geht es dem Verfasser des 
		Petrusbriefes ja auch noch darum, uns Christus als das Fundament jeder 
		Kirche vor Augen zu malen. Der lässt sich nun einmal nicht in den toten 
		Beton der Dogmen gießen, wie ihn die Fundamentalisten lieben. Er ist der 
		tragende Eckstein und zugleich das Leben selbst.  
		 
		Aber Vorsicht. Man kann anecken. Der Christus verträgt sich nicht mit 
		allem was böse ist, tot und nichtig. Wer auf ihn baut, bekommt es mit 
		dem lebendigen Gott zu tun. Das geht ohne Taufe, ohne Kopfwäsche nicht 
		ab. Aber dann gilt jeden Tag aufs Neue: Ihr seid das auserwählte 
		Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk 
		des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch 
		berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.  
		 
		Lasst nicht zu, dass sich jemand vor euch in die Sonne des Evangeliums 
		stellt. Und habt allezeit großen Appetit auf Gottes gute Gaben, damit 
		ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil. 
       
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)   | 
    
      Text: 
      
       1 So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug 
		und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede 
		2 und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die 
		neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil, 
		3 da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. 
		4 Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen 
		verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. 
		5 Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause 
		und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott 
		wohlgefällig sind durch Jesus Christus. 
		6 Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): »Siehe, ich lege in Zion 
		einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll 
		nicht zuschanden werden.« 
		7 Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber 
		ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein 
		geworden ist, 
		8 ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« (Psalm 118,22; 
		Jesaja 8,14); sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort 
		glauben, wozu sie auch bestimmt sind. 
		9 Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche 
		Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr 
		verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der 
		Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; 
		10 die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und 
		einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25). 
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