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			Liebe Leser, 
			 
			Martin Luther schreibt: „Es geht so zu, wie man täglich vor Augen 
			sieht. Ehe man hinaufkommt, ist jedermann lüstern, obenan zu sitzen. 
			Wenn man aber hinaufgekommen ist und ein Amt hat und tun soll, was 
			Recht ist, so findet sich’s denn, was es sei, ein Amt zu haben und 
			obenan zu sitzen. Denn wer da zu tun gedenkt, was Recht ist und in 
			seinem Amt anderen nützlich zu sein, der wird der Arbeit so viel 
			finden, dass er bald überdrüssig und müde werden und zum wenigsten 
			im Herzen denken wird, sofern er es nicht mit dem Munde sagt: Ei, 
			hat mich denn der Teufel in dies Amt gebracht? … 
			 
			Aber die Welt bedenkt das nicht, sondern jedermann will empor, dass 
			er Ehre habe. Aber arbeiten und dem Amt recht vorstehen mag niemand. 
			Da geht es oft so zu: sie sitzen oben, aber kaum drei oder vier 
			arbeiten, die anderen allesamt tun nichts, als dass sie fressen, 
			saufen, schwelgen. Dies sind Raupen im Kohl und Fliegen in der 
			Suppe, ein sehr nützliches, liebliches Vieh. Desgleichen geschieht 
			in anderen Ständen auch. Deshalb soll sich ein jeder an seinem 
			Stande und Amt genügen lassen und Fleiß anwenden, dass er darin den 
			Menschen nützlich sei. Denn Gott hat Lust und Gefallen an denen, die 
			in ihrem Stande bleiben und ihr Amt getreulich ausrichten. Ein 
			junger Geselle sei fleißig und studiere, bis unser Herrgott komme, 
			ihn emporziehe und zu ihm sage: Du hast lang genug studiert, werde 
			ein Lehrer oder ein Prediger. Wenn solches von uns geschähe, so 
			bliebe es wohl dabei, dass ein jeder sagen würde: Ich begehre keine 
			Ehre, will mich aber unser Herrgott brauchen, so will ich gern 
			folgen und tun, was ich kann, Gott zu Ehren und meinem Nächsten zum 
			Nutzen. 
			 
			In Summa: Ämter soll man nicht verwerfen, sondern man soll nicht 
			eigene Ehre darin suchen. Die sich aber selbst emporheben, auf dass 
			sie Ehre haben, die stürzt unser Herrgott herab, wie er vielen 
			Königen und Fürsten getan hat. … Denn Gott kann Hoffart nicht 
			leiden. Er hat die Stolzen von Anbeginn gestürzt und hat die Hoffart 
			auch oben im Himmel nicht leiden wollen, wie Luzifers Exempel 
			bezeugt. Darum ist hoch sitzen nicht böse, aber sich selbst 
			erwählen, hoch zu sitzen, das ist böse. … Unser lieber Herrgott gebe 
			uns seine Gnade und helfe uns, dass wir das behalten und tun mögen, 
			was Recht ist.“ (Luther-W Bd. 8, S. 373 ff.) Zitat Ende.  
			 
			Womit zum Thema Leitung in der Kirche schon Entscheidendes gesagt 
			wäre. Leitung muss sein. Schon in der damaligen Situation macht die 
			beständig wachsende Herde der Christen Leitung unabdingbar. Deshalb 
			ist auch im 1. Petrusbrief viel über Leitung zu lesen. „Die Sklaven 
			sollen sich den Herren unterordnen, sogar den ‚wunderlichen‘ (2,18), 
			und die Frauen den Männern (3,1.5). Den staatlichen Instanzen 
			gegenüber wird Loyalität gefordert (2,13–17), und das auch, wenn die 
			Adressaten massiven Anfeindungen ausgesetzt sind: ‚Ehrt jedermann, 
			habt die Brüder lieb, fürchtet Gott, ehrt den König!‘ (2,17). 
			Schließlich heißt es auch innerkirchlich ‚ordnet euch unter‘: ‚Ihr 
			Jüngeren ordnet euch den Ältesten unter‘ (5,5).“ (Christine Jahn, 
			GPM, 1/2012, Heft 2, S. 225) 
			 
			Das können wir heute aus Prinzip ganz schwer hören. Die Sklaven sind 
			befreit und die Frauen emanzipiert. Also das geht schon gar nicht. 
			Und unterm Strich zähl ich, sagt nicht nur die Werbung der Postbank. 
			Und wenn mir ein Pfarrer, der Papst oder sonst wer von der Kirche 
			blöd kommt, dann mache ich halt nicht mehr mit und trete aus. Das 
			Dilemma kennt heute jeder: Noch nie wurde in der Kirche so viel über 
			Leitung geredet und noch nie war sie so unbeliebt. Noch nie wurde in 
			der Kirche so viel von oben gesteuert, um noch effizienter und 
			besser zu werden, und noch nie wurde öffentlich so verschämt dabei 
			getan. Man will ja niemand verärgern, keinen potentiellen Kunden vor 
			den Kopf stoßen. Jeder soll sich mit seinen Wünschen in der Kirche 
			wiederfinden. Und wir ahnen, dass beides so irgendwie nicht 
			zusammenpasst und zusammengeht.  
			 
			Deshalb müssen wir mit Luther festhalten: Ämter und Leitung soll man 
			nicht verwerfen. Sie begründen in der evangelischen Kirche keine 
			geistlichen Hierarchien und keine feudalen Regimente, sondern sie 
			dienen schlicht und ergreifend der Ordnung und damit dem Frieden. 
			Eine christliche Gemeinde darf sich Ordnungen geben. Die müssen 
			nicht überall gleich sein, aber sie müssen sein.  
			 
			Und damit kommen wir zum Hauptpunkt. Kirchliche Ämter und kirchliche 
			Leitung haben sich nicht an den eigenen Wünschen und Zielen, und 
			auch nicht an den Wünschen der Kirchenmitglieder zu orientieren, 
			sondern sie haben sicherzustellen, dass die Gemeinde Jesu Christi 
			als Gemeinde Jesus Christi lebt und dass sie Gemeinde Jesu Christi 
			bleibt. Gemeinde Jesu Christi ist dort, wo „das Evangelium rein 
			gepredigt und die Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden.“ 
			(CA 7) Kirchliche Ämter sind daher keine Herrschaftsämter, sondern 
			Dienstämter. Wer in der Kirche leitet, hat transparent zu sein für 
			den Erzhirten Jesus Christus und diesem nicht in der Sonne zu 
			stehen. Kirchliche Hirtenämter haben vom einen und einzigen guten 
			Hirten Jesus Christus zu erzählen. „Darum“, so Luther an anderer 
			Stelle, „ist weiden nichts anders als das Evangelium predigen, 
			dadurch die Seelen gespeist, fett und fruchtbar werden, dass sich 
			die Schafe nähren im Evangelium und Gottes Wort.“  
			 
			Dazu ist die Kirche und die christliche Gemeinde da. Und darin liegt 
			ihre einzige Existenzberechtigung. Ja, das ist wahr: Die christliche 
			Gemeinde hat bei der Verkündigung der frohen Botschaft alle Register 
			zu ziehen, alle ihre Talente und Möglichkeiten auszuschöpfen. Hier 
			soll man auch schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist. Bei 
			all dem kann sie aber nicht garantieren, dass das Evangelium auch 
			die Herzen der Menschen erreicht. Das bleibt ein Werk des Heiligen 
			Geistes.  
			 
			Wenn aber Wünsche und Bedürfnisse an die Kirche und Gemeinde 
			herangetragen werden und Menschen sagen, die Predigt ist uns nicht 
			so wichtig, aber wenn ihr dies und das macht, dann kommen wir schon 
			- dann müssen wir auch einmal sagen: Tut uns leid, aber dafür sind 
			wir nicht da. Geht doch hier und dorthin, wo man so etwas anbietet. 
			Wir wollen und wir müssen sein, was wir sind und unserem Auftrag 
			treu bleiben. Denn danach wird uns der Erzhirte einmal fragen und 
			nicht, wie voll unsere Veranstaltungen waren und wie viele Fans und 
			Freunde wir hatten.  
			 
			Schiedsrichter in allen diesen Fragen, ist nicht das kirchliche Amt. 
			Unter den Herren dieser Welt gilt: Der Ober sticht den Unter. Wo das 
			in der Kirche auch zutrifft, ist wohl wirklich eine Runde 
			Schafsköpfe beieinander. Schiedsrichter in allen kirchlichen 
			Leitungsfragen ist niemand anders als der Erzhirte Jesus Christus 
			selbst und sein Wort. Und darum sind gerade die, die in der Kirche 
			ein Amt haben aufgefordert, sich in besonderer Weise mit Gottes Wort 
			zu beschäftigen. Wie der Theologe Schleiermacher einmal bemerkte, 
			wird Theologie vor allem zum Zwecke der Kirchenleitung betrieben. 
			Darum muss gerade in kirchlichen Leitungsgremien in besonderer Weise 
			auf Gottes Wort gehört werden. Darum muss gerade dort im Blick auf 
			dieses Wort auch gestritten werden. Was in der Gemeinde zu geschehen 
			hat, ist das, wozu Gottes Wort uns treibt. Von Herzensgrund. Alles 
			andere führt zu gar nichts. Und deshalb ist es unerträglich, das 
			Bibelworte in aktuellen Reformpapieren und in Gemeindekonzepten nur 
			noch als begründendes und schmückendes Beiwerk auftauchen, statt das 
			Fundament zu bilden.  
			 
			Nur wenn wir in allem, was wir tun, den Erzhirten Christus im Blick 
			behalten, bleibt auch Leitung in der Kirche eine erfreuliche 
			Angelegenheit. Denn die Autoritätsform des Evangeliums ist die 
			Bitte. Nicht die Dienstanweisung, sondern das Vorbild. Höchst selten 
			spricht der Christus ein Machtwort. Lieber argumentiert, überzeugt, 
			lockt er und wirbt um Einsicht. Er geht voran und ruft in die 
			Nachfolge. Von Herzensgrund. Und deshalb gilt: Leiten kann in der 
			Kirche nicht der, der weiß und zeigt, wo der Hammer hängt. Leiten 
			kann in der Kirche nur der, der weiß und zeigt, wofür sein Herz 
			schlägt.  
			
      		Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)   | 
			
			 
			Text: 
			1 Die Ältesten unter 
			euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der 
			ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: 
			2 Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, 
			nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um 
			schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; 
			3 nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der 
			Herde. 
			4 So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die 
			unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen. 
  
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