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      Liebe Leser, 
		 
		alle Jahre wieder … kommt erst das Christkind, dann der Osterhase. 
		Frisch gefönt rudert er in Zeitlupe im Windkanal über den Bildschirm, um 
		uns unbändige Lebensfreude zu vermitteln und zu sagen: Lasst Euch nicht 
		so hängen. Es wird Frühling. Das Leben ist schön. Dann folgt die 
		Werbung.  
		 
		Passt da die Hanna aus dem Alten Testament nicht auch schön ins 
		Werbefernsehen? Wir stellen uns vor, dass sie noch jung und schön ist. 
		Wir sehen eine Frühlingswiese mit blühenden Obstbäumen und jetzt sehen 
		wir Hanna barfuss und lachend in Zeitlupe auf uns zulaufen. Ihr Kleid 
		und ihr langes Haar wehen wie eine Schleppe im Wind. Ihre Zähne blitzen 
		in HDTV. Sie breitet im Laufen die Arme aus. Jeder sieht es: Ihr Herz 
		ist fröhlich und ihr Haupt ist erhöht. Dann folgt die Werbung.  
		 
		„300 Scheinwerfer zaubern die gewohnt feierliche Osterstimmung auf die 
		Fernsehschirme“ titelte gestern der Hofer Anzeiger um die Übertragung 
		der Osternacht aus dem „TV-Studio“ St. Michaelis durch das Bayerische 
		Fernsehen anzukündigen. Ein 33-köpfiges Produktionsteam überlässt nichts 
		dem Zufall. "300 Scheinwerfer brauchen natürlich eine Menge Strom – so 
		viel wie 15 bis 16 Einfamilienhäuser", erklärt der Techniker. 
		"Hinzu kommt 
		ein 4000-Watt-Strahler, der dem Kirchenfenster mit der 
		Auferstehungsszene den richtigen Glanz verleiht.“ Wie viel Watt das 
		wirkliche Licht der Auferstehung Jesu Christi hatte, wissen wir nicht, 
		aber wir stellen es uns telephantastisch und bombastisch vor, bevor die 
		Werbung kommt.  
		 
		Ganz schön aufwendig und ganz schön anstrengend scheint die Osterfreude 
		zu sein. In immer höheren Dosen muss sie uns winterbleichen und 
		verzagten Gestalten multimedial verabreicht werden. Keine Mühe darf 
		gescheut werden um, den müden Herzen wieder auf die Ostersprünge zu 
		helfen. Immer überzeugender muss der Appell verpackt werden, nun endlich 
		das Jammern sein zu lassen und fröhlich in die Zukunft zu schauen. Im 
		Himmel freilich finden die Engel das alles wirklich zum Osterschießen 
		und liegen vor Lachen unter allen Tischen und Bänken.  
		 
		Gott tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder 
		herauf, hören wir aus dem Mund der maßlos fröhlichen Hanna und fragen 
		verdutzt: Bitte wer?  
		 
		Der Herr!, sagt Hanna bestimmt und wir sehen, dass sie eigentlich gar 
		keins von diesen Supermodels ist, so gar keiner von diesen - im wahrsten 
		Sinne des Wortes - „gemachten“ Menschen. Hanna ist schon ein bisschen 
		alt für das Kind, dass sie im Arm hält. Und die Lachfalten um ihre Augen 
		verraten, dass diese Augen auch richtig viele Tränen kennen.  
		 
		Sie merkt, dass wir auf das Kind schauen und sagt: Wenn Sie’s wissen 
		wollen, ich dachte schon, ich kann überhaupt keine Kinder kriegen. Mein 
		Mann, Elkana, ist wirklich ein guter Mann. Aber früher oder später hätte 
		er mich in die Wüste geschickt. Was geblieben wäre, wäre die Geschichte 
		eines unbedeutenden und verkümmerten Lebens. Ich hatte keine Lust, es 
		auch zu erleben. Sie schaut uns tief in die Augen, als wollte sie 
		herausfinden, ob wir das verstehen, dann blickt sie auf den kleinen 
		Samuel, der in ihren Armen kräht. Ich glaube, er wird einmal was ganz 
		besonderes, sagt Hanna und lacht.  
		 
		Wir nicken, weil uns der Prophet Samuel aus der Bibel bekannt ist und 
		wir uns an diese mächtige Gestalt erinnern. Ein Mann mit Höhen und 
		Tiefen. Den König David hat er gesalbt. Aus der Geschichte Gottes mit 
		seinem Volk ist er nicht wegzudenken. Gott tötet und macht lebendig, 
		führt hinab zu den Toten und wieder herauf, sagt Hanna noch einmal. 
		Schaut mich an. Und wir schauen sie an, diese Hanna, die schon 
		lebensmüde war und jetzt lacht. Und wir schauen uns an, und wir könnten 
		jetzt Hanna wohl auch so manche Geschichte aus unserem Leben erzählen. 
		Vielleicht kam uns noch nicht in den Sinn, dass sie etwas mit Gott zu 
		tun haben können. Aber jetzt, wo sie’s sagt.  
		 
		Dass die Geschichte des Jesus von Nazareth etwas mit Gott zu tun haben 
		könnte, haben die Jünger zuerst auch nicht gedacht und seit dem 
		Karfreitag nicht mehr. Die biblischen Ostergeschichten berichten deshalb 
		von wirklich haltlos bis lächerlich wirkenden Menschen, die bei der 
		Begegnung mit dem Auferstandenen aus allen Wolken fallen. Wenn sie ihn 
		denn überhaupt sehen und nicht mit dem Gärtner verwechseln, wie Maria 
		Magdalena (Joh 20/15). Man sieht halt den Wald vor lauter Bäumen nicht, 
		wenn es um etwas geht, dass es eigentlich nicht geben dürfte. Erst als 
		der Auferstandene die ersten Bissen in den Mund steckt, werden die vor 
		Angst erstarrten Jünger wieder lebendig (vgl. Lukas 24/36-45). Und wie! 
		 
		Aber dann richten die Evangelien auch schon ihren 4000-Watt-Strahler - 
		nicht auf das Kirchenfenster mit der Auferstehungsszene - sondern auf 
		ein paar scheinbar nebensächliche Details, die sich an Jesu Händen und 
		an seiner Seite befinden. Was dort zu sehen ist, sieht aus, als habe man 
		ihm Nägel durch die Hände geschlagen und ihm mit etwas Messerscharfem in 
		die Seite gestochen. Wenn die Jünger es sehen, wird ihnen immer noch 
		flau und sie hören seinen Schrei. Den letzten Schrei, den jede Kreatur 
		drauf hat, wenn es so gewaltsam, so ungerecht, so erbärmlich zu Ende 
		geht. Und ihr Herz hatte mitgeschrieen. Was die Zukunft noch bringen 
		würde, wollten sie eigentlich nicht mehr erleben.  
		 
		Jetzt atmete diese Seite wieder und diese Hände schoben sich Bissen in 
		den Mund und sie konnten wieder an diesen Lippen hängen und in diese 
		Augen sehen. Gott tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und 
		wieder herauf. Aber nicht so, wie ein Puppenspieler die Figuren an 
		seinen Fäden zieht, sie hinunterpurzeln lässt und wieder emporzieht. 
		Hier wird nicht von einem gewaltigen, ja gewalttätigen Gott erzählt, der 
		unberührt, unbeteiligt und gleichgültig den Menschen das Los wirft. An 
		Ostern sehen die Jünger im Antlitz des Auferstandenen Gott ins Gesicht 
		und aus diesen Augen schaut sie die Hanna an und jede Kreatur und sie 
		erkennen sich selbst. An Ostern sehen die Jünger Gott in sein vom 
		menschlichen Leben gezeichnetes Gesicht. Und es ist ein höchst 
		lebendiges Gesicht, besonders weil die Lachfalten um seine Augen 
		verraten, dass diese Augen auch richtig viele Tränen kennen. Gott fuhr 
		hinab in Hölle und Tod und wieder herauf und in seinem göttlichen ewigen 
		Leben birgt er nun auch Dein und mein kleines und sterbliches Leben. Das 
		Gesicht des Auferstandenen spiegelt unser sterbliches Leben und im 
		Gesicht der Jünger strahlt das Licht des lebendigen und ewigen Gottes. 
		Diese Auferstehung ist nicht nur Gottes Geschichte. Sie kommt uns 
		zugute. Der ewige Gott und wir sterbliche Menschen sollen eine 
		gemeinsame Zukunft haben. Gott will nie mehr ohne uns sein.  
		 
		Wir merken, das ist die Sprache höchster Liebe. So sagen es sich 
		Menschen, die sich wirklich lieben: Ich will nie mehr ohne dich sein. 
		Gott tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder 
		herauf. Eben drum. Hanna kann davon erzählen. Und auch davon, dass die 
		Freude über den unbedingt liebenden Gott, sich nicht rücksichtslos 
		austobt, sondern sensibel und achtsam macht z.B. für die Dürftigen in 
		der Asche und die Armen im Staub. Hanna kann davon erzählen, dass die 
		Liebe Gottes zornig und wütend macht über die, die gleichgültig und 
		rücksichtslos auf die treten, die in der Asche und im Staub liegen. Ihr 
		Fürsten, ihr Prominenten in der Welt und der Kirche nehmt euch in acht.
		 
		 
		Und vielleicht verstehen wir jetzt besser, warum die Engel im Himmel 
		sich halb totlachen über all unsere Versuche unser Leben immer 
		aufwändiger und schöner zu inszenieren. Warum es so komisch ist, wenn 
		wir uns jeden Frühling und zu jedem Osterfest herausputzen. Wie viel 
		Watt das wirkliche Licht der Auferstehung Jesu Christi hatte, wissen wir 
		nicht und wie viele Watt seine Liebe. Gott fuhr hinab in Hölle und Tod 
		und wieder herauf. Uns zugute. Er möchte nie mehr ohne uns sein.  
		 
		Kann es sein, dass sich der dieser Liebe würdig erweist, der anfängt das 
		Leben zu lieben, trotz all der Höhen und Tiefen, durch die Gott uns 
		führt? Kann es sein, dass der sich dieser Liebe als würdig erweist, der 
		nach unten schaut, wo er hintritt und dünnhäutig wird für alles, was 
		lebt? Ich sehe Hanna vor mir, wie sie lächelt und nickt.  
  
			
      
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
      Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
      
      www.kanzelgruss.de)  
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			Text: 
			
			 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist 
			fröhlich in dem HERRN, mein Haupt ist erhöht in dem HERRN. Mein Mund 
			hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich 
			deines Heils. 
			(2)Es ist niemand heilig wie der HERR, außer dir ist keiner, und ist 
			kein Fels, wie unser Gott ist. 
			(6)Der HERR tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und 
			wieder herauf. 
			(7)Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 
			(8)Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus 
			der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der 
			Ehre erben lasse. Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN, und er 
			hat die Erde darauf gesetzt. 
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