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       Liebe Leser, 
      zum Ende des Kirchenjahres wird unser Blick auf die letzten Dinge gelenkt: 
      Tod und Ewigkeit, Ende der Welt und Wiederkunft Jesu Christi. Wir spüren 
      vielleicht den sanften Schubs, den wir brauchen, um unser Denken in diese 
      Richtung zu bewegen. Wer fasst schon gerne seinen eigenen Tod ins Auge. 
      Und wer lässt sich schon gerne an den Schmerz erinnern, der mit dem Tod 
      eines geliebten Menschen verbunden ist. Und deshalb tappt immer früher im 
      Jahr schon der Weihnachtsmann durch die Geschäfte. Ausweis einer 
      besinnungslosen Konsumwelt, die den Menschen und seine Endlichkeit längst 
      aus den Augen verloren hat. Mag es dem Einzelhandel noch so viel Kummer 
      bereiten: Unser letztes Hemd hat leider keine Taschen.  
       
      Mit dem Tag des Herrn scheint es sich ganz ähnlich zu verhalten. Die Rede 
      von ihm ist so ganz und gar unpraktikabel. Dieser Tag entzieht sich jeder 
      Planung und jeglichem Geschäft, nicht nur weil er seit 2000 Jahren nicht 
      stattgefunden hat und uns noch weit ferner liegt als der Tod, der dann und 
      wann unsere Wege kreuzt. Paulus bringt es auf den Punkt: Ihr wisst ja, 
      dass ihr über den Tag des Herrn nichts wisst. Er kommt wie der Dieb in der 
      Nacht. Liegt es daran, dass die Rede von diesem Tag so verschwunden ist? 
      Von christlicher Hoffnung lässt sich konkreter und besser reden, als mit 
      diesem Begriff. Der Jüngste Tag ist zugleich der fernste.  
       
      Da wollen wir nicht widersprechen, besonders im Hinblick auf all die 
      Weltuntergangssekten, die jenen Tag immer wieder für ihre eigenen Zwecke 
      einplanen und bestimmen wollen – mit bekanntem Misserfolg. Aber auch 
      manche Christenmenschen lesen und deuten gerne in so geheimnisvollen 
      Büchern, wie der Offenbarung des Johannes herum und entdecken in diesem 
      oder jenem Ereignis der Weltgeschichte die Zeichen der Endzeit. Hier gilt, 
      dass der Tag des Herrn sich auch der frommen Berechnung entzieht.  
       
      Und der gottlosen ebenso. Der Atheismus hat ja versucht, diesen Tag des 
      Herrn auszuplanen und die Hoffnung auf ihn verdächtigt, den Menschen davon 
      abzuhalten, sich anzustrengen und mit eigener Kraft das Paradies auf Erden 
      zu schaffen. Freilich hat sich der Kommunismus als Utopie inzwischen 
      erledigt. Dass stattdessen die freie Marktwirtschaft alles zum Besseren 
      regelt, glauben auch immer weniger. Wer mag – nach Börsencrash, 
      Bilanzskandalen und Firmenpleiten – schon noch in seinem Vermögensberater 
      einen Heilsbringer sehen, wahrscheinlich eher das Gegenteil. Und unsere 
      Politiker vermitteln den Eindruck, dass sie an den gewaltigen 
      Zukunftsproblemen hier und da etwas herumzupfen und dann der Maßnahme 
      verfallen, die beim Protestgeheul der Besitzstandswahrer die 
      geringstmögliche Lautstärke erzeugt. Die Hoffnung auf eine bessere Welt 
      hatte es noch nie so schwer, wie heute. Sie ist in Gefahr zu resignieren.
       
       
      Vor diesem Hintergrund möchte ich uns einladen, den Tag des Herrn noch 
      einmal mit anderen Augen zu betrachten. Dieser Tag lässt sich nicht 
      berechnen. Dieser Tag lässt sich nicht herbeiführen; nicht durch die 
      größte Initiative, nicht durch das frömmste Leben, nicht durch die 
      schönste Utopie oder die finsterste Katastrophe. Wenn wir Menschen in 
      unserer Kurzsichtigkeit unseren blauen Planeten verbrauchen, vergiften und 
      verstrahlen, dann wird das unser letzter Tag sein, aber nicht der Tag des 
      Herrn. Denn dieser Tag steht ganz in der Initiative Gottes. Und darin 
      liegt eine durch und durch frohe Botschaft und ein gewaltiges 
      Hoffnungspotential.  
       
      Denn die Rede vom Tag des Herrn, hält der Initiative Gottes heute und für 
      die Zukunft eine Tür offen. Wo diese Tür zufällt befinden wir uns in dem 
      Schlaf, in der Finsternis, in der trunkenen Orientierungslosigkeit, von 
      der Paulus in unserem Predigttext spricht. Es könnte dann sein, dass wir 
      uns auch als Christen offen oder heimlich mit jenem modernen Albtraum 
      arrangiert haben, in dem Gott aus der Welt gestrichen wurde und der Mensch 
      als Hoffnungsträger an sich selbst verzweifelt, weil er nicht kann, was er 
      von sich fordert und sich von sich erträumt. Besonders wir evangelische 
      Christen möchten nicht hinter die Aufklärung zurück. Aber wir kritisieren 
      eine Aufklärung, die das, woran Menschen einmal auf ihre Weise geglaubt 
      haben, bloß eliminiert, und die Hoffnungen, die an ihre Stelle treten 
      sollen, schuldig bleibt oder auffüllt mit modernen Mythen und Phrasen, die 
      an das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern erinnern.  
       
      Die Rede vom Tag des Herrn rechnet mit einem Erwachen aus diesem Albtraum. 
      Sie rechnet mit der heilsamen Initiative Gottes in einer heillosen Welt; 
      mit dem Einbruch von Erlösung in eine verlorene Welt. Gott lässt uns nicht 
      mit uns selbst allein und dem, was dabei dann herauskommt. Gut, dass der 
      Tag des Herrn unserem Zugriff entzogen ist. Gut, dass uns an diesem Tag 
      dann nicht wieder unsere guten und schlechten Absichten, unsere frommen 
      und weniger frommen Wünsche bevorstehen, sondern der Wille Gottes. Gut, 
      dass dann nicht geschieht, was wir angerichtet haben, sondern was Gott 
      bestimmt. Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das 
      Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus (V 9). Sein Wille 
      geschehe.  
       
      Diese Bitte des Vaterunsers bittet um den Tag des Herrn. Sie bittet um ein 
      zukünftiges Ereignis und zugleich darum, dass dieser Tag schon heute in 
      unsere Gegenwart als Hoffnung, Ermutigung und Richtungsweisung hineinragt. 
      Sein Wille geschehe dann und schon jetzt. Wer dem Tag des Herrn entgegen 
      lebt und auch einmal entgegen stirbt, sieht am Horizont einer finsteren 
      Welt das Morgenrot des Himmelreichs. Was wäre unsere Welt ohne diesen 
      Schein!  
       
      Heute beginnt die diesjährige Friedensdekade, die vom 10. bis zum 20. 
      November dauert und auch in Hof mit zahlreichen Veranstaltungen begangen 
      wird. Sie ist Teil der Dekade zur Überwindung von Gewalt, die der 
      ökumenische Rat der Kirchen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2010 ausgerufen 
      hat. Die christlichen Kirchen tragen damit der Tatsache Rechnung, dass der 
      Weltfrieden ein bisher noch lange nicht erreichtes Ziel ist und Krieg eine 
      der größten Bedrohungen der Menschheit darstellt. Wir begrüßen in diesen 
      Tagen, dass der Weltsicherheitsrat eine Irakresolution verabschiedet hat, 
      die keinen Automatismus bei der Anwendung von militärischer Gewalt 
      vorsieht. Wir hoffen, dass die im Sicherheitsrat vertretenen Völker mit 
      ihren eigenen Massenvernichtungswaffen ebenso verfahren, wie mit denen, 
      die es im Irak geben soll. Massenvernichtungswaffen sind ein Übel, dass 
      nicht dadurch beseitigt wird, dass sie sich in angeblich guten Händen 
      befinden.  
       
      Der Islamismus, der den Gottesstaat herbeibomben will und denen, die 
      solches tun, das Paradies verspricht, gehört seiner religiösen Insignien 
      beraubt, damit er als das dasteht was er ist: eine Ideologie der 
      Lebensfeindschaft und des Bösen. Hier sind alle Muslime in der Pflicht, 
      ihren so genannten Glaubensbrüdern entschieden in den Arm zu fallen. 
      Ebenso ist ein christlicher Fundamentalismus zur Umkehr zu rufen, der 
      meint, man könne dem Guten in der Welt den Weg freischießen. Jahrelang 
      gewaltsam ausgetragene Konflikte häufen auf allen Seiten Schuld um Schuld, 
      Hass um Hass auf, die Versöhnung und Frieden jeden Tag unmöglicher machen.
       
       
      Es ist mehr als eine Ahnung, dass Frieden in der Welt nicht möglich sein 
      wird ohne das Morgenrot des Himmelreichs am Horizont, ohne die Hoffnung 
      auf den Tag des Herrn, der schon heute in unsere Zeit hineinragt; an dem 
      Gott allen Menschen die Waffen aus der Hand nimmt und ihre Wunden heilt. 
      „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird 
      nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn 
      das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich 
      mache alles neu!“ (Off 21/4f) 
       
      
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      Text: 
      
       Paulus schreibt: 
       
      (1)Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, 
      ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 
      (2)denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird (a) wie 
      ein Dieb in der Nacht. 
      (3)Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann (b) 
      wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere 
      Frau, und sie werden nicht entfliehen. 
      (4)Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie 
      ein Dieb über euch komme. 
      (5)Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind 
      nicht von der Nacht noch von der Finsternis. 
      (6)So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns 
      wachen und nüchtern sein.  
      (7)Denn die schlafen, die schlafen des Nachts, und die betrunken sind, die 
      sind des Nachts betrunken. 
      (8)Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan 
      mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung 
      auf das Heil. 
      (9)Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu 
      erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus, 
      (10)der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir 
      zugleich mit ihm leben. 
      (11)Darum ermahnt euch untereinander, und einer erbaue den andern, wie ihr 
      auch tut.  |