Predigt     1. Timotheus 3,16     Heiliger Abend     24.12.07

"Mehr Krippenplätze!"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

im Februar diesen Jahres löste die Familienministerin Ursula von der Leyen mit ihrer Forderung nach einem massiven Ausbau der Krippenplätze kontroverse Debatten zum Familienleitbild aus. Sie erhielt Unterstützung von der Bundeskanzlerin, der Bischöfin Käßmann aus Hannover und vielen anderen. Sehr dagegen waren der CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, der katholische Bischof Mixa und andere, die das Leitbild der christlichen Ehe und Familie in Frage gestellt sahen.

Ob sich Maria und Joseph für ihren Jesus einen Krippenplatz gewünscht haben, darf doch sehr bezweifelt werden. Sie hatten einfach keine andere Wahl. Und so haben auch wir offenbar keine andere Wahl, als uns alle Jahre wieder den Krippenplatz der Weltgeschichte schlechthin zu betrachten und ihn uns alle Jahre wieder schönzureden, als wäre er der Inbegriff der Geborgenheit, Harmonie und Schönheit. Während es in Wahrheit durch die löchrige Bretterwand des Stalls von Bethlehem wie Hechtsuppe gezogen haben muss, so dass jeder aufmerksame Mitbürger es sofort als seine Pflicht angesehen hätte, das Jugendamt zu informieren.

Ach, es ist schon seltsam und gar kein Geheimnis, welche Blüten unsere Weihnachtssehnsucht und -gläubigkeit treibt und entsprechend bunt wird’s ja auch getrieben in diesen Tagen, nicht nur im Fernsehen. Kein Geheimnis ist also, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis unserer Weihnachtsfeier. Immer früher kommen die Kinder drauf, dass sich hinter dem Wattebart des Weihnachtsmannes das Gesicht von Onkel Herbert verbirgt und die Geschenke nicht vom Christkind kommen, sondern aus dem Media Markt. Und dann gibt es inzwischen die ganz harten Aufgeklärten, die jeden falschen Schein und daraus resultierende Enttäuschung von vornherein verhindern wollen: Also liebe Kinder, das ist der Onkel Herbert und der spielt jetzt mal den Nikolaus. Dazu hat er sich einen Wattebart, einen roten Umhang mit Kapuze und ein Fläschchen Schnaps mitgebracht, weil‘s draußen so kalt ist. Na denn Prost!

Der freilich, um den es an Weihnachten eigentlich geht, der kann nicht gespielt werden. Denn groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens. Das Geheimnis des Glaubens tritt in Konkurrenz zur Geheimnislosigkeit, mit der sich unsere Welt weihnachtlich feiert. Das Geheimnis des Glaubens tritt in Konkurrenz zur Geheimnislosigkeit unserer Welt, eben weil es ein offenes Geheimnis ist. Es kann zwar wie alle Geheimnisse nicht erklärt, aber besungen werden. Und weil es ein offenes Geheimnis ist, will es auch öffentlich besungen werden. Eben das tut unser heutiger Predigttext mit bewegten Worten, die bald zur Erde hinabfahren und wieder in den Himmel hinauf und umgekehrt.

Er ist offenbart im Fleisch, so hebt dieses Lied an. Und wir merken, dass es beim Geheimnis des Glaubens gar nicht um uns geht, sondern um einen anderen. Der Glauben hat herzlich wenig mit unseren Überzeugungen und religiösen Gestimmtheiten zu tun. Im Glauben sind wir nicht bei uns selbst, sondern bei einem anderen. Natürlich weiß jedes Kind, um welchen Er es sich handelt. In diesem Teil des Liedes schauen wir durch die löchrige Bretterwand in den Stall von Bethlehem. Und sehen und hören den Anfang. Der ist wirklich aufwärts kompatibel mit allem Menschlichen. Wer aber an der Krippe das Singen aufhört, versteht nicht einmal die erste Strophe dieses Glaubensliedes.

Nein, der Christus lebte nicht nur ein paar Stunden. Bald macht er sich auf seinen eigenen Beinen auf in die Welt hinaus, um zu suchen und zu finden, was verloren ist: Das verlorene Schaf, den verlorenen Sohn, die Zöllner und Sünder, die Kranken und Verzweifelten. Er wird die Tische der Banker im Tempel umwerfen und sich viele Feinde machen. Er gerät in Konflikt mit der Welt. Aber bei seiner Taufe tut sich der Himmel über ihm auf und Gott selbst bekennt sich zu seinem Sohn. Man wird ihn ans Kreuz schlagen, aber Gott lässt nicht zu, dass sein Leben der Liebe und Güte beerdigt wird. Er setzt es am Ostermorgen für alle Ewigkeit in Kraft. Er wurde gerechtfertigt im Geist Gottes.

Da war er den Engeln der Hölle schon erschienen, als er im Tod schreiend hinabfuhr, um auch die scheinbar ewig Verdammten zu suchen und zu finden und jeder Hölle die Schlüssel wegzunehmen. Es kann einem ja schon ein bisschen schummrig werden bei dieser modernen Engelgläubigkeit. Alles ganz liebe Gesellen, Helferlein, Beschützerlein. Was für dummes Zeug! Kennt ihr nicht den Engel mit dem flammenden Schwert, der das Paradies bewacht, damit kein Mensch mehr hineinkommt? Ach, dem seid ihr doch alle im Lauf eures Lebens immer wieder begegnet. Aber an Weihnachten singen die Gläubigen: Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis; der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis! (EG 27,6) Erschienen den Engeln.

Der muss gepredigt werden den Heiden, Dir und mir also und allen, die sich früher oder später von allen guten Geistern verlassen finden. Der muss gepredigt werden und nichts und niemand sonst. Und schon gar nicht hat sich die Kirche selbst zu predigen. Immer wieder schieben sich die Fragen der Gestaltung und Ordnung, die Sorgen, Nöte und Niederlagen der Kirche vor den, den die Kirche zu verkündigen hat. Vergangene Woche war in der Zeitung zu lesen, dass sich in unserem Dekanat wieder einmal das „Personalkarussell“ dreht. Das ist die Sprache derer, die die Kirche für einen Rummelplatz halten und sie wie einen solchen betreiben. Dabei hat doch gerade der, den die Kirche zu predigen hat, mit dem religiösen Schaustellergewerbe so gar nichts am Hut. Er will gepredigt werden den Heiden und nichts und niemand sonst. Und deshalb ist das Predigen, wie die Bekenntnisschriften betonen, der „praecipuus cultus Dei“, der allergrößte, heiligste, nötigste, höchste Gottesdienst, ...., denn das Predigtamt ist das höchste Amt in der Kirchen. (ApolCA XV, BSLK, 305,9f).

Denn der Glauben in der Welt kommt aus der Predigt (Röm 10/17). Der, der an Weihnachten als Mensch das Licht der Welt erblickt, der als von Gott Gerechtfertigter die Schlüssel der Hölle und des Todes hat und die Tür zum Paradies wieder aufschließt, will geglaubt werden, will bei und in uns ankommen. Im Weihnachtslied heißt es: „Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein neuen Schein. Es leucht wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht.“ (EG 23,4) Im Glauben sind wir nicht bei uns selbst, sondern bei einem anderen. Und deshalb ist das Christuskind entschieden für mehr Krippenplätze. Deshalb ist der Christus für einen Krippenplatz in jedem von uns. Damit er auch in uns zur Welt kommen kann und wir Kinder Gottes werden.

Und dann dürfen wir, ja die ganze nach Freiheit seufzende Kreatur, nicht nur an Weihnachten schon ein bisschen leuchten. An Weihnachten darf der Satz gesagt werden, der in einer Welt ohne Gott ansonsten so erbärmlich klingt: Alles wird gut! Alles wird gut! Denn der, dessen Geburtstag wir an Weihnachten feiern, wurde aufgenommen in die Herrlichkeit. Dort gehören alle Kinder Gottes hin. Dorthin sind wir nach Hause unterwegs.

Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens. Wir besingen an Weihnachten den, der zur Welt kommt, um uns und seine Welt nach Hause zu bringen. Und so wird das Geheimnis des Glaubens zum Geheimnis der Welt und unseres Lebens. An Weihnachten bleibt unser Lied nicht ungehört, wenn wir singen: „Ach lass mich doch dein Kripplein sein, komm, komm und lege bei mir ein, dich und all deine Freuden.“ (EG 37,9)

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)
Text:

16 Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:

Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
 

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