Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten und
Angehörige,
liebe Gemeinde,
am Konfirmationstag beginnt der Ernst des Lebens, sagt man. Und
entsprechend wird wohl so mancher Vater, so manche Mutter, mancher Onkel
und manche Tante heute um Ruhe bitten, um euch eine kleine Ansprache zu
halten über das, worauf es im Leben ankommt. Vielleicht wird dann über
Fleiß und Ehrlichkeit und andere wichtige Einstellungen gesprochen. Und
vielleicht mit einem feierlichen Zittern in der Stimme.
Wie ich euch so kenne, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wird
mancher von euch dabei nicht nur im Geiste die Augen verdrehen und
heimlich auf die Uhr schauen. Vielleicht fällt dann zufällig ein Glas
oder etwas anderes um. Bei solchen Ansprachen ist jede Störung
willkommen.
Mein vollstes Verständnis habt ihr. Das ist schon ärgerlich, wenn der
Eindruck erweckt wird, als ob der Ernst des Lebens für euch erst mit dem
heutigen Tag beginnt. Als ob alles, was den Ernst des Lebens ausmacht,
bisher von euch ferngeblieben wäre. Als ob ihr in einer heilen Welt, in
einer Idylle aufgewachsen wärt. Als ob ihr noch keine schlechten und
schmerzvollen Erfahrungen gemacht hättet, die manchen von euch auch
schon einmal überfordert haben. Als ob man euch erst schonend darauf
vorbereiten müsste, dass die Welt nicht so heil und das Leben nicht so
leicht ist.
Als ob euer Kinderglaube an den lieben Gott, der euch vor allem Schmerz
und vor allem Bösen bewahrt und fernhält, noch nicht zerbrochen wäre.
Als ob ihr noch keine Kämpfe bestehen musstet, um euren Platz in der
Schule, in der Familie, im Freundeskreis. Als ob ihr von all dem keine
Ahnung hättet.
Ihr habt recht. Ihr habt von all dem längst eine Ahnung. Ihr wisst aus
eigener Erfahrung, dass das Leben auch ein Kampf ist mit widrigen
Umständen, mit verpassten Chancen, mit der Gemeinheit anderer, und vor
allem auch ein Kampf mit den eigenen Stärken und Schwächen. Zumindest
habt ihr all das bei eueren Freunden, Eltern und Verwandten
wahrgenommen. Auch wenn die nicht mit euch über ihre Probleme geredet
haben. Auch wenn sie versucht haben, das alles möglichst vor euch zu
verbergen. Ihr habt mehr mitgekriegt, als sie denken.
Vom Verlieren und Weiterkämpfen, vom Scheitern und Neubeginnen, vom
Lieben und Hassen: Kurz, von allem, was die Freude und den Schmerz des
Lebens ausmacht. Darum kämpft auch ihr den guten Kampf des Lebens, dazu
seid ihr berufen durch eure Geburt. So könnten wir in Anlehnung an
unseren Bibelvers sagen: Kämpfe den guten Kampf des Lebens, das hart ist
und schön. Es ist ein Geschenk, wirf es nicht weg.
Das wäre auch schon eine Ansprache wert und ein wenig Aufmerksamkeit.
Ein paar Worte, ohne eine heile Welt zu malen und ohne alles
schönzulügen. Ohne die Narben von Wunden, die uns das Leben zugefügt
hat, zu verstecken. Und trotzdem zu sagen, es lohnt sich!
Versucht es einmal so zu sehen, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden:
Schlimmer, als eine solche Ansprache wäre, wenn keiner eurer Gäste
solche Worte für euch finden würde. Wenn sich an einem solchen Tag
keiner bereit fände, das Leben zu loben, das vor euch liegt. Schlimm
wäre, wenn darüber niemand etwas ehrlich Gutes zu sagen wüsste. Wie groß
müsste der Frust und die Resignation am Leben geworden sein, wenn es so
wäre! Und da würde dann auch das gute Essen und Trinken die Seele nicht
zusammenhalten. Besonders an einem solchen Festtag nicht. Deshalb
wünsche ich euch, dass gerade heute einer von eueren Gästen den Mut
findet, ein paar Worte zu sagen. Heute, wo sich alles versammelt, was am
Leben schön und auch schwer ist.
Auch der Apostel Paulus redet solche Worte. Und er schämt sich nicht,
sie als Christ zu sagen. Er sagt das, was wir bisher weltlich gesagt
haben, auf geistliche Weise. Auch er redet zu Menschen, die bereits eine
Ahnung davon haben, dass das Leben schöne und auch dunkle Seiten hat.
Und Paulus hat den Mut, seine eigenen Niederlagen und Probleme nicht zu
verstecken. Er hatte eine Menge davon. Kämpft den guten Kampf des
Glaubens, sagt er trotzdem. Weil er genau weiß, dass der Glaube kein
Kinderglaube bleibt, sondern dass er es auch mit den schlechten Seiten
des Lebens zu tun bekommt. Wie die Lebensfreude, so ist auch der Glaube
nicht über alle Zweifel erhaben. Auch der Glaube ist anfechtbar.
Vielleicht gerade durch die Erfahrung, die ihr bisher mit Menschen
gemacht habt, die von sich behaupten, dass sie gläubig wären. Und doch
sind sie ausgebrannt und haben kaum mehr Hoffnung. Helfer wollen sie
sein und sind doch selber hilflos. Klagen und Schimpfen können sie, aber
es fehlt ihnen die Kraft selbst etwas anders zu machen. Ja, auch die
Kirche gleicht manchmal einer Festgesellschaft, in der keiner mehr ein
Lob auf das Leben zu sagen weiß, oder noch schlimmer, in der keiner mehr
ein ehrliches Lob auf Gott zu sagen weiß. Das ist wirklich keine
Einladung zum Glauben.
Aber, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, all das war auch schon zur
Zeit des Apostel Paulus so. Und wenn Paulus meint, dass sich der Kampf
des Glaubens trotzdem unbedingt lohnt, dann muss er einen sehr
gewichtigen Grund haben.
Dieser Grund ist Gott selbst. Auch Paulus weiß, was wir alle gelernt
haben: Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an
Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern
der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen.
Und deshalb sagt Paulus: Ergreife, wozu du berufen bist. Nimm wahr und
vertraue auf das, was Gott dir schenken will. Der will dich - wie Paulus
sagt - mit einer geistlichen Waffenrüstung ausstatten. Und das sind ganz
besondere Waffen. Das sind Waffen, die das Leben nicht zerstören,
sondern die das zerstören, was unser Leben bedroht. Es sind Waffen, die
sich nicht gegen das Leben, sondern gegen den Tod richten. Es sind
Waffen, die keinem Angst machen, sondern Angst vertreiben.
Solche Waffen will Gott euch schenken. Zum Beispiel durch die guten
Worte seines Evangeliums. Durch den Segen, den ihr heute empfangt.
Waffen, die Gott denen gibt, die sich zu ihm bekennen, wie ihr das heute
in euerem Konfirmationsversprechen tut. Ihr dürft diese Waffen einsetzen
gegen alles, was euch Angst macht, gegen die Angst vor dem Tod und vor
allem gegen die Angst vor dem Leben. Gegen alles, was euch diesen Tag
und die Zukunft eueres Lebens vermiesen will. Wo diese Waffen
einschlagen, da wachsen Blumen im Beton, denn hinter ihnen steckt die
Kraft Gottes, der das Leben geschaffen hat.
Dahinter steckt die Kraft des Gottes, der nicht zulässt, dass Tod und
Hoffnungslosigkeit die Oberhand über das Leben gewinnen und das Lob des
Lebens verstummt. Dahinter steckt die Liebe Gottes, der ein Mensch
wurde, um uns diese Kraft zu zeigen und zu bringen. An Ostern wälzt er
den Stein vom Grab des Christus und von allen Gräbern, die uns schon zu
Lebzeiten gefangen nehmen wollen.
Deshalb gehört der Glaube an die Auferstehung von den Toten mitten ins
Leben! Der, der den Tod überwunden hat, sollte es nicht schaffen, uns
die Augen für das Geschenk unseres Lebens zu öffnen? Und wenn ihr auch
schon durch finstere Täler musstet und vielleicht noch durch manches Tal
durchmüsst, dann dürft ihr sagen: Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab
trösten mich. Es gibt nichts, was stärker ist, als Gottes Stecken und
Hirtenstab. Der wacht über euch, was das Leben auch bringt. Der lässt
keinen von euch im Stich.
Und wenn die Reise durch dieses Leben auch für Euch, wie für uns alle,
in hoffentlich vielen Jahren erst zu Ende geht, dann macht es wie die
Frau im Gedicht von Kurt Marti:
wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
preiset das leben
das hart ist und schön
preiset DEN
der ein gott von lebendigen ist
(Kurt Marti „Leichenreden“, Luchterhand, 1976. S. 19)
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, unsere Welt ist nicht heil.
Unser Leben und die Freude daran sind bedroht. Auch der Glaube ist
anfechtbar. Davon habt ihr längst eine Ahnung. Aber von Gott nur eine
Ahnung haben, das wäre zu wenig, wie ein halber Panzer, ein halbes
Schild, und vom Schwert nur der Griff. Gott verdient euer ganzes
Vertrauen, und er gibt euch dafür seine ganze Liebe, seine ganze Kraft
und seinen ganzen Segen.
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
Paulus schreibt:
6,12 Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife
das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt
hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen. |