Predigt     1. Timotheus 6/12     Konfirmation     20.03.16

"Blumen im Beton"
von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof
 

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Eltern, Paten und Angehörige, liebe Gemeinde,

am Konfirmationstag beginnt der Ernst des Lebens, sagt man. Und entsprechend wird wohl so mancher Vater, so manche Mutter, mancher Onkel und manche Tante heute um Ruhe bitten, um euch eine kleine Ansprache zu halten über das, worauf es im Leben ankommt. Vielleicht wird dann über Fleiß und Ehrlichkeit und andere wichtige Einstellungen gesprochen. Und vielleicht mit einem feierlichen Zittern in der Stimme.

Wie ich euch so kenne, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, wird mancher von euch dabei nicht nur im Geiste die Augen verdrehen und heimlich auf die Uhr schauen. Vielleicht fällt dann zufällig ein Glas oder etwas anderes um. Bei solchen Ansprachen ist jede Störung willkommen.

Mein vollstes Verständnis habt ihr. Das ist schon ärgerlich, wenn der Eindruck erweckt wird, als ob der Ernst des Lebens für euch erst mit dem heutigen Tag beginnt. Als ob alles, was den Ernst des Lebens ausmacht, bisher von euch ferngeblieben wäre. Als ob ihr in einer heilen Welt, in einer Idylle aufgewachsen wärt. Als ob ihr noch keine schlechten und schmerzvollen Erfahrungen gemacht hättet, die manchen von euch auch schon einmal überfordert haben. Als ob man euch erst schonend darauf vorbereiten müsste, dass die Welt nicht so heil und das Leben nicht so leicht ist.

Als ob euer Kinderglaube an den lieben Gott, der euch vor allem Schmerz und vor allem Bösen bewahrt und fernhält, noch nicht zerbrochen wäre. Als ob ihr noch keine Kämpfe bestehen musstet, um euren Platz in der Schule, in der Familie, im Freundeskreis. Als ob ihr von all dem keine Ahnung hättet.

Ihr habt recht. Ihr habt von all dem längst eine Ahnung. Ihr wisst aus eigener Erfahrung, dass das Leben auch ein Kampf ist mit widrigen Umständen, mit verpassten Chancen, mit der Gemeinheit anderer, und vor allem auch ein Kampf mit den eigenen Stärken und Schwächen. Zumindest habt ihr all das bei eueren Freunden, Eltern und Verwandten wahrgenommen. Auch wenn die nicht mit euch über ihre Probleme geredet haben. Auch wenn sie versucht haben, das alles möglichst vor euch zu verbergen. Ihr habt mehr mitgekriegt, als sie denken.

Vom Verlieren und Weiterkämpfen, vom Scheitern und Neubeginnen, vom Lieben und Hassen: Kurz, von allem, was die Freude und den Schmerz des Lebens ausmacht. Darum kämpft auch ihr den guten Kampf des Lebens, dazu seid ihr berufen durch eure Geburt. So könnten wir in Anlehnung an unseren Bibelvers sagen: Kämpfe den guten Kampf des Lebens, das hart ist und schön. Es ist ein Geschenk, wirf es nicht weg.

Das wäre auch schon eine Ansprache wert und ein wenig Aufmerksamkeit. Ein paar Worte, ohne eine heile Welt zu malen und ohne alles schönzulügen. Ohne die Narben von Wunden, die uns das Leben zugefügt hat, zu verstecken. Und trotzdem zu sagen, es lohnt sich!

Versucht es einmal so zu sehen, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: Schlimmer, als eine solche Ansprache wäre, wenn keiner eurer Gäste solche Worte für euch finden würde. Wenn sich an einem solchen Tag keiner bereit fände, das Leben zu loben, das vor euch liegt. Schlimm wäre, wenn darüber niemand etwas ehrlich Gutes zu sagen wüsste. Wie groß müsste der Frust und die Resignation am Leben geworden sein, wenn es so wäre! Und da würde dann auch das gute Essen und Trinken die Seele nicht zusammenhalten. Besonders an einem solchen Festtag nicht. Deshalb wünsche ich euch, dass gerade heute einer von eueren Gästen den Mut findet, ein paar Worte zu sagen. Heute, wo sich alles versammelt, was am Leben schön und auch schwer ist.

Auch der Apostel Paulus redet solche Worte. Und er schämt sich nicht, sie als Christ zu sagen. Er sagt das, was wir bisher weltlich gesagt haben, auf geistliche Weise. Auch er redet zu Menschen, die bereits eine Ahnung davon haben, dass das Leben schöne und auch dunkle Seiten hat. Und Paulus hat den Mut, seine eigenen Niederlagen und Probleme nicht zu verstecken. Er hatte eine Menge davon. Kämpft den guten Kampf des Glaubens, sagt er trotzdem. Weil er genau weiß, dass der Glaube kein Kinderglaube bleibt, sondern dass er es auch mit den schlechten Seiten des Lebens zu tun bekommt. Wie die Lebensfreude, so ist auch der Glaube nicht über alle Zweifel erhaben. Auch der Glaube ist anfechtbar.

Vielleicht gerade durch die Erfahrung, die ihr bisher mit Menschen gemacht habt, die von sich behaupten, dass sie gläubig wären. Und doch sind sie ausgebrannt und haben kaum mehr Hoffnung. Helfer wollen sie sein und sind doch selber hilflos. Klagen und Schimpfen können sie, aber es fehlt ihnen die Kraft selbst etwas anders zu machen. Ja, auch die Kirche gleicht manchmal einer Festgesellschaft, in der keiner mehr ein Lob auf das Leben zu sagen weiß, oder noch schlimmer, in der keiner mehr ein ehrliches Lob auf Gott zu sagen weiß. Das ist wirklich keine Einladung zum Glauben.

Aber, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, all das war auch schon zur Zeit des Apostel Paulus so. Und wenn Paulus meint, dass sich der Kampf des Glaubens trotzdem unbedingt lohnt, dann muss er einen sehr gewichtigen Grund haben.

Dieser Grund ist Gott selbst. Auch Paulus weiß, was wir alle gelernt haben: Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen.

Und deshalb sagt Paulus: Ergreife, wozu du berufen bist. Nimm wahr und vertraue auf das, was Gott dir schenken will. Der will dich - wie Paulus sagt - mit einer geistlichen Waffenrüstung ausstatten. Und das sind ganz besondere Waffen. Das sind Waffen, die das Leben nicht zerstören, sondern die das zerstören, was unser Leben bedroht. Es sind Waffen, die sich nicht gegen das Leben, sondern gegen den Tod richten. Es sind Waffen, die keinem Angst machen, sondern Angst vertreiben.

Solche Waffen will Gott euch schenken. Zum Beispiel durch die guten Worte seines Evangeliums. Durch den Segen, den ihr heute empfangt. Waffen, die Gott denen gibt, die sich zu ihm bekennen, wie ihr das heute in euerem Konfirmationsversprechen tut. Ihr dürft diese Waffen einsetzen gegen alles, was euch Angst macht, gegen die Angst vor dem Tod und vor allem gegen die Angst vor dem Leben. Gegen alles, was euch diesen Tag und die Zukunft eueres Lebens vermiesen will. Wo diese Waffen einschlagen, da wachsen Blumen im Beton, denn hinter ihnen steckt die Kraft Gottes, der das Leben geschaffen hat.

Dahinter steckt die Kraft des Gottes, der nicht zulässt, dass Tod und Hoffnungslosigkeit die Oberhand über das Leben gewinnen und das Lob des Lebens verstummt. Dahinter steckt die Liebe Gottes, der ein Mensch wurde, um uns diese Kraft zu zeigen und zu bringen. An Ostern wälzt er den Stein vom Grab des Christus und von allen Gräbern, die uns schon zu Lebzeiten gefangen nehmen wollen.

Deshalb gehört der Glaube an die Auferstehung von den Toten mitten ins Leben! Der, der den Tod überwunden hat, sollte es nicht schaffen, uns die Augen für das Geschenk unseres Lebens zu öffnen? Und wenn ihr auch schon durch finstere Täler musstet und vielleicht noch durch manches Tal durchmüsst, dann dürft ihr sagen: Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich. Es gibt nichts, was stärker ist, als Gottes Stecken und Hirtenstab. Der wacht über euch, was das Leben auch bringt. Der lässt keinen von euch im Stich.

Und wenn die Reise durch dieses Leben auch für Euch, wie für uns alle, in hoffentlich vielen Jahren erst zu Ende geht, dann macht es wie die Frau im Gedicht von Kurt Marti:

wenn ich gestorben bin
hat sie gewünscht
preiset das leben
das hart ist und schön
preiset DEN
der ein gott von lebendigen ist
(Kurt Marti „Leichenreden“, Luchterhand, 1976. S. 19)

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, unsere Welt ist nicht heil. Unser Leben und die Freude daran sind bedroht. Auch der Glaube ist anfechtbar. Davon habt ihr längst eine Ahnung. Aber von Gott nur eine Ahnung haben, das wäre zu wenig, wie ein halber Panzer, ein halbes Schild, und vom Schwert nur der Griff. Gott verdient euer ganzes Vertrauen, und er gibt euch dafür seine ganze Liebe, seine ganze Kraft und seinen ganzen Segen.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text: 

Paulus schreibt:

6,12 Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.


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