Liebe Leser,
„Freuet euch in dem Herrn! Abermals sage ich: Freuet euch. Der Herr
ist nahe!“ So klingt das Leitmotiv des heutigen Sonntags schon im
Wochenspruch an. Das Evangelium führt es aus mit dem Lob der Maria,
die sich ihres Heilands freut. Heute ist der Sonntag Gaudete, der
Sonntag der Vorfreude auf die Geburt Jesu, Gottes fleischgewordenes
Ja zu allen Menschen, der Sonntag der Vorfreude auf Weihnachten. Und
der Apostel Paulus erinnert die Christen in Korinth und uns an den
Grund dieser Freude, der uns mit allen Christen damals und heute
verbindet: „Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja“
Vor einigen Jahren lief im Kino ein Film mit dem Titel: "Der
Ja-Sager". Ebenso humorvoll wie auch konsequent wird erzählt, wie
bunt ein Leben als "yes man", so der Originaltitel des Filmes,
werden kann. Da ist Carl. Carl arbeitet als Kreditberater für eine
Bank. Er ist geschieden, lebt zurückgezogen, wirkt fast griesgrämig,
hat keine echten Freunde, ist einsam. Alles in seinem Leben wirkt
eigenartig grau. Carl merkt, dass ihm etwas fehlt. Auf Anraten eines
Freundes besucht er ein Motivationsseminar. Am Ende des Seminars
schwört er sich, ab sofort nicht mehr Nein, sondern nur noch Ja zu
sagen.
Nach dem Seminar spricht ihn ein Obdachloser an. Der bittet Carl,
ihn in seinem Auto mitzunehmen. Carl will Nein sagen, aber eben hat
er es geschworen, die richtige Antwort ist Ja. Am Ziel fragt der
Obdachlose nach Geld, es sei doch etwas in Carls Brieftasche,
widerwillig gibt der ihm ein Bündel Scheine, sagt Ja. Dann stellt
Carl fest, dass der Tank seines Autos leer ist. Zu Fuß läuft er zu
einer Tankstelle. Hier trifft er eine Frau. Die hat Mitleid mit ihm.
Auf deren Motorroller geht es mit Benzin im Kanister zu seinem Wagen
zurück. Ermutigt durch seine ersten Erlebnisse mit dem neu
entdeckten Ja, fragt Carl, fast übermütig, ob sie rumknutschen
wollen. Er denkt, dass sie Nein sagen wird, aber sie küsst ihn. Das
eben noch langweilig graue Leben eines kleinen Managers, bekommt
Farbe, kommt in Bewegung. Für die Zuschauer folgt die erste
Erkenntnis: Das „Ja-Sagen" öffnet die Augen für andere Menschen und
macht erlebnisfähig.
Fortan sagt Carl tatsächlich zu allem und jedem Ja. Für ihn beginnt
eine rasante berufliche Karriere. Er wird gefragt und erklärt sich
bereit, auch am Sonnabend zu arbeiten. Das sorgt für den ersten
Karrieresprung. Jetzt erhält jeder Antrag auf einen Kredit, der über
seinen Schreibtisch geht, den Bewilligungsstempel. Es geht alles
gut, kein Kredit platzt. Für Carl geht es auf der Karriereleiter
bergauf. Zweite Erkenntnis für den Zuschauer: Als "yes man" hat der
Mensch Erfolg. Das ständige Ja und das dauernde Glück, wirken
natürlich unrealistisch, das will der Film auch erreichen. Aber mit
dem neuen Lebensstil zieht Spontaneität ein, und die bringt dem „Ja-Sager"
Glück. Der eben noch in seinem eintönig einsamen Leben gefangene,
eben noch graue Mann strahlt Energie aus.
Eine Liebesgeschichte gehört natürlich dazu, die Frau, die zum
ersten spontan angebotenen Kuss Ja gesagt hat, wird zu Carls
Freundin. So macht das Ja aus dem einsamen Mann einerseits einen
erfolgreichen Manager und schenkt ihm andererseits ein farbiges
Privatleben. Und die dritte Moral der Geschichte ist ebenso wahr wie
schlicht: Niemand küsst gerne einen Menschen, der nur Nein
ausstrahlt, es kann - gerade in Liebesdingen! - nicht genug Ja
geben.
Natürlich sorgt der "yes man" auch für Verwirrung. Als die Frau, die
er liebt, feststellt, dass auch sie nur dasselbe Ja gehört hat wie
alle anderen Menschen, mit denen es Carl zu tun hat, wird sie
kritisch. Wenn es nur noch ein Ja gibt, dann fehlt es dem Ja an
Kraft. Die Freundin trennt sich von Carl. Carl sucht in seiner Not
wiederum den Motivationstrainer auf, will wissen, ob er die Sache
mit dem Ja richtig verstanden habe. Da stellt sich heraus, dass Carl
etwas falsch verstanden hat. Einen reinen „Ja-Sager" wollte der
Trainer nicht ausbilden. Aber er wollte ihm die Möglichkeiten
eröffnen, die im Ja liegen. So löst er den Schwur, den Carl abgelegt
hat. Doch auch ohne den Schwur ist sein Leben während seiner Zeit
als "yes man" rundum erneuert worden. Was vorher eintönig war, ist
einer Vielfalt an neuen Begegnungen und unbekannten Möglichkeiten
gewichen. Auf nichts, was Carl erlebt, will er verzichten, vor allem
nicht auf die Liebe, die er neu entdeckt hat. Er entschuldigt sich
bei seiner Freundin, sie bleiben ein Paar. Happyend. Auch eine
Lektion, die dieser Film einem verpasst, es geht, wenn man mit
anderen Menschen zusammenlebt, doch nicht ohne ein begrenzendes
Nein. Wer aber mehr will als ein Leben Grau in Grau, braucht sehr
viel Ja.
„Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja“. – Ich versuche
die Aussage des Apostels einmal mit eigenen Worten zu beschreiben:
"In IHM" ist Gottes großes Ja zum Leben; ein Leben, das mit dem
Staunen und Loben nicht fertig wird, dessen Grundton die
Lebensfreude ist, weil es die Welt als wohlgeordnete Räume zum
Leben, als Lebensräume sieht: den Himmel für die Vögel, dass Wasser
für die Fische, das Land für alles, was da kreucht und fleucht, ja,
auch für den Menschen. "In IHM" ist die Welt, was sie in Gottes
Augen ist: gute Schöpfung voller Wunder des Lebens – ein jedes nach
seiner Art!
"In IHM" hat der Mensch eine herausragende Rolle: er ist „Ebenbild
Gottes“, fast wie Gott, indem er an Gottes statt darauf achtet,
Lebens-räume und Leben zu bewahren – ein jedes nach seiner Art.
"In IHM" gehen einem die Augen auf, auch und gerade über sich
selbst, wird der Riss erkannt, der durch diese vergängliche Welt
geht, auch der Riss durch einen selbst – freilich ohne davonzulaufen
vor sich und seinem Schatten. Er kann erkannt und benannt werden,
weil der eigene Wert nicht von ihm abhängt.
"In IHM" spricht Gott, ruft er heraus aus eingefahrenen Gleisen und
geht mit auf der Wanderung durchs Leben, hin zum gelobten Land, in
guten wie in bösen Tagen. "In IHM" spricht Gott, wie er einst zu
Abraham und Mose und den Propheten gesprochen hat, segnet durch sein
Wort, das Leben gelingen lässt: 10 Finger, 10 Worte zum Leben!
Und nicht zuletzt: "In IHM" verbindet Gott alle Menschen zu einem
großen Volk, zu seinem Volk von Brüdern und Schwestern in der ganzen
weiten Welt. „Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja“.
Woher der Apostel das weiß? – Es war jene grundstürzende Erfahrung
vor Damaskus, die dem Apostel die Augen öffnete für Gottes Gegenwart
in Jesus Christus – und dafür, dass er, der Saulus, „in Christus“
ist!
"In Christus" – so redet der Apostel von seinem Leben, nachdem er
zum Glauben gekommen war: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus
in mir.“ Das ist eine Formulierung, die an die großen christlichen
Mystiker erinnert, wenn sie davon sprechen, dass der Christus in uns
zur Welt kommen müsse. Unsere lutherische Tradition spricht hier vom
Glauben – nicht im Sinne eines verstandesmäßigen Für-Wahr-Haltens,
sondern als umfassendes Sich-Verlassen auf Gottes Güte. Oder sollten
wir besser sagen: als ein Einstimmen mit Herz und Verstand in Gottes
großes Ja zum Leben?
"In Christus" – so der Apostel - werden die Verheißungen Gottes
Gegenwart! Ob Peyton Reed, der Regisseur des Films „der Ja-Sager“
das nun wollte oder nicht: Er hat Carl in dem Moment zu einem
anderen Menschen gemacht, als der anfing Ja zu sagen: Als Carl sein
Geld aus der Brieftasche zieht und dem Obdachlosen gibt, verändert
sich alles. Da verschieben sich seine Wertvorstellungen. Sie
verlassen das Haben und das Leben öffnet sich der Ebene, auf der
sich Menschen wirklich begegnen können. So ist das auch mit Gottes
Verheißungen im Glauben: Sie werden im Glaubenden gegenwärtig,
verändern so Mensch und Gegenwart. Es ist, als ob sich der Himmel in
einer großzügigen Weise öffnet. Und dem, dem sich der Himmel öffnet,
der kann nicht anders, als selbst großzügig zu sein. "In Christus"
passiert beides, so der Apostel: Der Mensch wird frei von sich
selbst… und kommt ganz zu sich selbst!
Noch einmal Carl aus dem Film: Als „yes man" hat der Mensch Erfolg.
Es geht natürlich nicht um den vordergründigen Erfolg, um die
Karriereleiter, die er erklimmt. Erfolg ist der Moment, in dem
jemand entdeckt, dass da Liebe ist; dass da kostbare Gefühle in
einem schlummern; dass da eine tiefe Sehnsucht ist nach Leben und
Glück und Gemeinschaft. Erfolg ist, wo sich diese versteckte
Sehnsucht meldet und nicht verpufft. Wo die Regungen, die das
Innere, die eigenen Überzeugungen bestimmen, ins Leben hereingeholt
werden. Das gehört auch zum Glauben: Er öffnet den verhangenen
Horizont, macht feinfühlig für Situationen, in denen wir oder andere
etwas benötigen.
"In Christus", so sagt der Apostel, hat Gott uns alle festgemacht,
hat uns gesalbt und versiegelt. Und er erinnert uns mit diesen
Worten an unsere Taufe. „In Christus“ hat Gott Ja gesagt zu einem
jeden von uns. Wir wurden wie Königinnen und Könige mit dem
Taufwasser gesalbt, als Zeichen dafür, wie unglaublich wertvoll wir
in Gottes Augen sind. Wir tragen das Zeichen der Taufe als
unverbrüchliche Bestätigung dafür, dass wir zu Gott gehören. Es ist
ein unsichtbares Zeichen, aber ein wirkliches Geschehen. Es ist
deshalb unsichtbar, weil es nicht auf das Zeichen ankommt, sondern
auf das Ja, das Gott damit zu uns gesagt hat. Wir sind Kinder
Gottes, seine Töchter und Söhne, Brüder und Schwestern im Herrn.
Und Gott? Er wartet auf unser „Amen“ dazu! Wartet darauf, dass wir
einstimmen in sein großes Ja zum Leben, zum Mitmenschen, zur
Mitwelt. Dabei sind seine Verheißungen unterwegs wie ein Schiff auf
dem Meer, darauf wartend, dass es seinen Anker werfen kann und einen
Ort finde, wo beides zusammenfindet: Gottes Ja und unsere
menschliche Sehnsucht, der Christus und unser Leben. Der Anker, das
ist das alte Symbol für den Glauben. Deshalb sei heute allen
Glaubenden zugerufen: Freuet euch! Und abermals sage ich euch:
freuet euch, denn der Herr ist nahe!
Pfarrer Rudolf Koller
(Hospitalkirche
Hof) |
Text:
Paulus schreibt:
18 Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an
euch nicht Ja und Nein zugleich ist.
19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns
gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war
nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm.
20 Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum
sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe.
21 Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns
gesalbt
22 und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist
gegeben hat.
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