Predigt     2. Korinther 1/18-22     4. Advent     18.12.11

"Der Ja-Sager"
(von Pfarrer Rudolf Koller, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

„Freuet euch in dem Herrn! Abermals sage ich: Freuet euch. Der Herr ist nahe!“ So klingt das Leitmotiv des heutigen Sonntags schon im Wochenspruch an. Das Evangelium führt es aus mit dem Lob der Maria, die sich ihres Heilands freut. Heute ist der Sonntag Gaudete, der Sonntag der Vorfreude auf die Geburt Jesu, Gottes fleischgewordenes Ja zu allen Menschen, der Sonntag der Vorfreude auf Weihnachten. Und der Apostel Paulus erinnert die Christen in Korinth und uns an den Grund dieser Freude, der uns mit allen Christen damals und heute verbindet: „Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja“

Vor einigen Jahren lief im Kino ein Film mit dem Titel: "Der Ja-Sager". Ebenso humorvoll wie auch konsequent wird erzählt, wie bunt ein Leben als "yes man", so der Originaltitel des Filmes, werden kann. Da ist Carl. Carl arbeitet als Kreditberater für eine Bank. Er ist geschieden, lebt zurückgezogen, wirkt fast griesgrämig, hat keine echten Freunde, ist einsam. Alles in seinem Leben wirkt eigenartig grau. Carl merkt, dass ihm etwas fehlt. Auf Anraten eines Freundes besucht er ein Motivationsseminar. Am Ende des Seminars schwört er sich, ab sofort nicht mehr Nein, sondern nur noch Ja zu sagen.

Nach dem Seminar spricht ihn ein Obdachloser an. Der bittet Carl, ihn in seinem Auto mitzunehmen. Carl will Nein sagen, aber eben hat er es geschworen, die richtige Antwort ist Ja. Am Ziel fragt der Obdachlose nach Geld, es sei doch etwas in Carls Brieftasche, widerwillig gibt der ihm ein Bündel Scheine, sagt Ja. Dann stellt Carl fest, dass der Tank seines Autos leer ist. Zu Fuß läuft er zu einer Tankstelle. Hier trifft er eine Frau. Die hat Mitleid mit ihm. Auf deren Motorroller geht es mit Benzin im Kanister zu seinem Wagen zurück. Ermutigt durch seine ersten Erlebnisse mit dem neu entdeckten Ja, fragt Carl, fast übermütig, ob sie rumknutschen wollen. Er denkt, dass sie Nein sagen wird, aber sie küsst ihn. Das eben noch langweilig graue Leben eines kleinen Managers, bekommt Farbe, kommt in Bewegung. Für die Zuschauer folgt die erste Erkenntnis: Das „Ja-Sagen" öffnet die Augen für andere Menschen und macht erlebnisfähig.

Fortan sagt Carl tatsächlich zu allem und jedem Ja. Für ihn beginnt eine rasante berufliche Karriere. Er wird gefragt und erklärt sich bereit, auch am Sonnabend zu arbeiten. Das sorgt für den ersten Karrieresprung. Jetzt erhält jeder Antrag auf einen Kredit, der über seinen Schreibtisch geht, den Bewilligungsstempel. Es geht alles gut, kein Kredit platzt. Für Carl geht es auf der Karriereleiter bergauf. Zweite Erkenntnis für den Zuschauer: Als "yes man" hat der Mensch Erfolg. Das ständige Ja und das dauernde Glück, wirken natürlich unrealistisch, das will der Film auch erreichen. Aber mit dem neuen Lebensstil zieht Spontaneität ein, und die bringt dem „Ja-Sager" Glück. Der eben noch in seinem eintönig einsamen Leben gefangene, eben noch graue Mann strahlt Energie aus.

Eine Liebesgeschichte gehört natürlich dazu, die Frau, die zum ersten spontan angebotenen Kuss Ja gesagt hat, wird zu Carls Freundin. So macht das Ja aus dem einsamen Mann einerseits einen erfolgreichen Manager und schenkt ihm andererseits ein farbiges Privatleben. Und die dritte Moral der Geschichte ist ebenso wahr wie schlicht: Niemand küsst gerne einen Menschen, der nur Nein ausstrahlt, es kann - gerade in Liebesdingen! - nicht genug Ja geben.

Natürlich sorgt der "yes man" auch für Verwirrung. Als die Frau, die er liebt, feststellt, dass auch sie nur dasselbe Ja gehört hat wie alle anderen Menschen, mit denen es Carl zu tun hat, wird sie kritisch. Wenn es nur noch ein Ja gibt, dann fehlt es dem Ja an Kraft. Die Freundin trennt sich von Carl. Carl sucht in seiner Not wiederum den Motivationstrainer auf, will wissen, ob er die Sache mit dem Ja richtig verstanden habe. Da stellt sich heraus, dass Carl etwas falsch verstanden hat. Einen reinen „Ja-Sager" wollte der Trainer nicht ausbilden. Aber er wollte ihm die Möglichkeiten eröffnen, die im Ja liegen. So löst er den Schwur, den Carl abgelegt hat. Doch auch ohne den Schwur ist sein Leben während seiner Zeit als "yes man" rundum erneuert worden. Was vorher eintönig war, ist einer Vielfalt an neuen Begegnungen und unbekannten Möglichkeiten gewichen. Auf nichts, was Carl erlebt, will er verzichten, vor allem nicht auf die Liebe, die er neu entdeckt hat. Er entschuldigt sich bei seiner Freundin, sie bleiben ein Paar. Happyend. Auch eine Lektion, die dieser Film einem verpasst, es geht, wenn man mit anderen Menschen zusammenlebt, doch nicht ohne ein begrenzendes Nein. Wer aber mehr will als ein Leben Grau in Grau, braucht sehr viel Ja.

„Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja“. – Ich versuche die Aussage des Apostels einmal mit eigenen Worten zu beschreiben:

"In IHM" ist Gottes großes Ja zum Leben; ein Leben, das mit dem Staunen und Loben nicht fertig wird, dessen Grundton die Lebensfreude ist, weil es die Welt als wohlgeordnete Räume zum Leben, als Lebensräume sieht: den Himmel für die Vögel, dass Wasser für die Fische, das Land für alles, was da kreucht und fleucht, ja, auch für den Menschen. "In IHM" ist die Welt, was sie in Gottes Augen ist: gute Schöpfung voller Wunder des Lebens – ein jedes nach seiner Art!

"In IHM" hat der Mensch eine herausragende Rolle: er ist „Ebenbild Gottes“, fast wie Gott, indem er an Gottes statt darauf achtet, Lebens-räume und Leben zu bewahren – ein jedes nach seiner Art.

"In IHM" gehen einem die Augen auf, auch und gerade über sich selbst, wird der Riss erkannt, der durch diese vergängliche Welt geht, auch der Riss durch einen selbst – freilich ohne davonzulaufen vor sich und seinem Schatten. Er kann erkannt und benannt werden, weil der eigene Wert nicht von ihm abhängt.

"In IHM" spricht Gott, ruft er heraus aus eingefahrenen Gleisen und geht mit auf der Wanderung durchs Leben, hin zum gelobten Land, in guten wie in bösen Tagen. "In IHM" spricht Gott, wie er einst zu Abraham und Mose und den Propheten gesprochen hat, segnet durch sein Wort, das Leben gelingen lässt: 10 Finger, 10 Worte zum Leben!

Und nicht zuletzt: "In IHM" verbindet Gott alle Menschen zu einem großen Volk, zu seinem Volk von Brüdern und Schwestern in der ganzen weiten Welt. „Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja“.

Woher der Apostel das weiß? – Es war jene grundstürzende Erfahrung vor Damaskus, die dem Apostel die Augen öffnete für Gottes Gegenwart in Jesus Christus – und dafür, dass er, der Saulus, „in Christus“ ist!

"In Christus" – so redet der Apostel von seinem Leben, nachdem er zum Glauben gekommen war: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus in mir.“ Das ist eine Formulierung, die an die großen christlichen Mystiker erinnert, wenn sie davon sprechen, dass der Christus in uns zur Welt kommen müsse. Unsere lutherische Tradition spricht hier vom Glauben – nicht im Sinne eines verstandesmäßigen Für-Wahr-Haltens, sondern als umfassendes Sich-Verlassen auf Gottes Güte. Oder sollten wir besser sagen: als ein Einstimmen mit Herz und Verstand in Gottes großes Ja zum Leben?

"In Christus" – so der Apostel - werden die Verheißungen Gottes Gegenwart! Ob Peyton Reed, der Regisseur des Films „der Ja-Sager“ das nun wollte oder nicht: Er hat Carl in dem Moment zu einem anderen Menschen gemacht, als der anfing Ja zu sagen: Als Carl sein Geld aus der Brieftasche zieht und dem Obdachlosen gibt, verändert sich alles. Da verschieben sich seine Wertvorstellungen. Sie verlassen das Haben und das Leben öffnet sich der Ebene, auf der sich Menschen wirklich begegnen können. So ist das auch mit Gottes Verheißungen im Glauben: Sie werden im Glaubenden gegenwärtig, verändern so Mensch und Gegenwart. Es ist, als ob sich der Himmel in einer großzügigen Weise öffnet. Und dem, dem sich der Himmel öffnet, der kann nicht anders, als selbst großzügig zu sein. "In Christus" passiert beides, so der Apostel: Der Mensch wird frei von sich selbst… und kommt ganz zu sich selbst!

Noch einmal Carl aus dem Film: Als „yes man" hat der Mensch Erfolg. Es geht natürlich nicht um den vordergründigen Erfolg, um die Karriereleiter, die er erklimmt. Erfolg ist der Moment, in dem jemand entdeckt, dass da Liebe ist; dass da kostbare Gefühle in einem schlummern; dass da eine tiefe Sehnsucht ist nach Leben und Glück und Gemeinschaft. Erfolg ist, wo sich diese versteckte Sehnsucht meldet und nicht verpufft. Wo die Regungen, die das Innere, die eigenen Überzeugungen bestimmen, ins Leben hereingeholt werden. Das gehört auch zum Glauben: Er öffnet den verhangenen Horizont, macht feinfühlig für Situationen, in denen wir oder andere etwas benötigen.

"In Christus", so sagt der Apostel, hat Gott uns alle festgemacht, hat uns gesalbt und versiegelt. Und er erinnert uns mit diesen Worten an unsere Taufe. „In Christus“ hat Gott Ja gesagt zu einem jeden von uns. Wir wurden wie Königinnen und Könige mit dem Taufwasser gesalbt, als Zeichen dafür, wie unglaublich wertvoll wir in Gottes Augen sind. Wir tragen das Zeichen der Taufe als unverbrüchliche Bestätigung dafür, dass wir zu Gott gehören. Es ist ein unsichtbares Zeichen, aber ein wirkliches Geschehen. Es ist deshalb unsichtbar, weil es nicht auf das Zeichen ankommt, sondern auf das Ja, das Gott damit zu uns gesagt hat. Wir sind Kinder Gottes, seine Töchter und Söhne, Brüder und Schwestern im Herrn.

Und Gott? Er wartet auf unser „Amen“ dazu! Wartet darauf, dass wir einstimmen in sein großes Ja zum Leben, zum Mitmenschen, zur Mitwelt. Dabei sind seine Verheißungen unterwegs wie ein Schiff auf dem Meer, darauf wartend, dass es seinen Anker werfen kann und einen Ort finde, wo beides zusammenfindet: Gottes Ja und unsere menschliche Sehnsucht, der Christus und unser Leben. Der Anker, das ist das alte Symbol für den Glauben. Deshalb sei heute allen Glaubenden zugerufen: Freuet euch! Und abermals sage ich euch: freuet euch, denn der Herr ist nahe!

Pfarrer Rudolf Koller   (Hospitalkirche Hof)

Text:

Paulus schreibt:

18 Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist.
19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm.
20 Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe.
21 Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt
22 und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.


 


Archiv
Homepage Hospitalkirche