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       Liebe Leser, 
		
      	Resteessen, nennt ein Kollege im Pfarrerblatt die 
		letzten Predigttexte dieses Kirchenjahres. Und gibt zu, welche 
		Beschwerlichkeit es bedeutet, sich durch sie hindurchzupredigen. Sie 
		gehören zur sechsten und letzten Predigtreihe. Mit dem ersten Advent und 
		dem neuen Kirchenjahr beginnt die erste Predigtreihe wieder aus dem 
		Vollen und Elementaren der Heiligen Schrift zu schöpfen. (Eia, wärn wir 
		da!) 
		 
		So setzen wir uns denn auch eher appetitlos an diesen Text, der mit 
		Spitzenbegriffen geradezu um sich wirft, dass einem Hören und Sehen 
		vergeht, und wissen nicht recht, wo wir zuerst mit dem Essen anfangen 
		sollen und ob das Ganze überhaupt genießbar ist. Und wir spüren 
		schmerzlich: Wir sind nicht Paulus; und der, der Euch heute zu predigen 
		hat, ist es auch nicht. Auch für Paulus gilt, dass manchmal nur Paulus 
		weiß, was Paulus denkt; und auch ein Spitzenkoch kocht manchmal voller 
		Begeisterung ein Menü, vor dem seine Gäste ratlos sitzen.  
		 
		Mir geht es heute jedenfalls so. Stellt sich der Apostel denn hier 
		vielleicht als einer vor, der den Geist Gottes gepachtet hat und auf 
		seine Gegner als Knechte des Buchstabens herabschaut; vielleicht sogar 
		auf die Jünger des Mose, die Juden im Allgemeinen, von denen Paulus als 
		Saulus ja auch einmal einer war? Jeder besonnene und geistlich gesinnte 
		Prediger wird es fein bleiben lassen, diese Klinge zu ziehen, auch wenn 
		ihm vielleicht auf Anhieb genug geistlose Schwestern und Brüder 
		einfallen und es ihn sprichwörtlich juckt, sie dorthin zu befördern, wo 
		sie seiner Meinung nach hingehören. Denn der besonnene und geistlich 
		gesinnte Prediger weiß, dass beim Streit um den Heiligen Geist, sich 
		dieser immer als erster verabschiedet - weil er gern weht wo ER will - 
		und die Streithähne lächelnd zurücklässt beim Hornberger Schießen.  
		 
		Oder bewundern wir heute Paulus als listigen Rhetoriker, der die 
		Gemeinde in Korinth in einem Atemzug als seinen Brief und als Brief Jesu 
		Christi beschreibt. Wie kann die Gemeinde dann das Apostelamt des Paulus 
		anzweifeln, ohne ins Grübeln über ihre eigene Christlichkeit zu kommen? 
		 
		Und schließlich die Frage mit dem größten Gewicht: Darf man wie Paulus 
		derart den Geist gegen das Wort und seine Buchstaben ins Feld führen? 
		Gehört beides nicht untrennbar zusammen? Wie sagt Petrus zu Jesus: Herr, 
		wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben 
		geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ (Joh 6/68f) Martin 
		Luther hält in seiner Auslegung zum 3. Glaubensartikel ausdrücklich 
		fest, dass der Heilige Geist Menschen „durch das Evangelium“ beruft, 
		also die Vermittlung durch das menschliche Wort nicht verachtet, sondern 
		hoch schätzt. Der Geist, der durch das Wort wirkt, entspricht dem 
		Christus, in dem Gott nicht anders zur Welt kommen will, als in 
		menschlicher Gestalt. Die frohe Botschaft, die durch das Wort 
		ausgerichtet sein will, korrespondiert mit der Menschwerdung Gottes.  
		 
		Freilich, jedes Kind weiß, dass nicht jedes Wort auch Geist enthält. Man 
		lese erst einmal im Telefonbuch und dann zum Vergleich in der 
		Bergpredigt. Ein schlechtes Buch lässt uns nach wenigen Seiten 
		einschlafen. Ein gutes Buch hält uns wach bis spät in die Nacht. Es geht 
		uns zu Herzen. Es rührt uns zu Tränen. Es lässt uns lachen, auch wenn 
		wir sonst nichts zu lachen haben.  
		 
		Und jedes Kind weiß, dass die gleichen Worte in dem einen ein Feuerwerk 
		im Herzen zünden können und einen anderen unberührt lassen. Wir kennen 
		alle aus der Schule diesen trögen Umgang mit Texten. Haarklein werden 
		die Worte auseinandergeklaubt bis so gar nichts Interessantes mehr übrig 
		bleibt. Öde ist die Wortklauberei in biblischen Texten, bei der uns die 
		Gebote Gottes nicht mehr als heilsame Grenze, als Weisungen ins Land der 
		Freiheit begegnen, sondern nur noch die Unbarmherzigkeit und 
		Beschränktheit ihres Auslegers.  
		 
		Und so gilt auch von der Kirche: „Kirche des Wortes“ kann Kirche nur 
		sein und bleiben, wenn sie gleichzeitig Kirche des Geistes ist. Und wir 
		bestimmen genauer: „Kirche des Wortes“ kann Kirche nur sein und bleiben, 
		wenn sie gleichzeitige Kirche des Heiligen Geistes ist – des Heiligen 
		Geistes, der weht wo er will; der sich nicht verrechnen lässt in 
		Therapie, Soziotechnik, Marketing und Organisation; der sich darum auch 
		nicht inszenieren lässt im religiösen Event und in kirchlichen 
		Leuchtfeuern; der sich auch nicht einsperren lässt in dem, was 
		geschrieben steht, sondern sich in immer neuer Weise zur Sprache bringen 
		will.  
		 
		Was da zur Sprache kommen will, ist nicht beliebig. Wo der Heilige Geist 
		sich zur Sprache bringt, predigt er das Evangelium von Jesus Christus 
		und ruft er Menschen in die heilsame Gegenwart Gottes. Damit haben wir 
		die zwei wichtigsten Kriterien zur Unterscheidung der Geister genannt. 
		Denn auch der Teufel hat seine Spiritisten wie das Geld und der Krieg.
		 
		 
		An dieser Stelle nähern wir uns unserem Predigttext noch einmal. Und wir 
		tun es ganz vorsichtig und nicht ohne Angst. Vielleicht gilt diese 
		Unterscheidung der Geister für den Geist Gottes selbst? Paulus redet von 
		der Gemeinde als von den Dienern des Neuen Bundes. Da muss es auch einen 
		Alten Bund geben. Und beide verhalten sich wie Leben und Tod. Aber 
		beides betrifft den selben Gott und das eine Gottesvolk, die Juden 
		zuerst und dann die weltweite christliche Gemeinde.  
		 
		Wie singt die Hanna des Alten Testaments: „Der HERR tötet und macht 
		lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der HERR macht arm 
		und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus 
		dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter 
		die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.“ (1.Samuel 2/6ff.) Hat 
		Gott zwei Gesichter – ein heilsames und ein herrliches, das niemand 
		schauen kann ohne zu vergehen? (vgl. 2.Mose 33/12ff) 
		 
		Martin Luther schreibt einmal: „Gott will von uns außer seinen Wort mit 
		unserem Dichten und Nachdenken unbegriffen, ungesucht und ungefunden 
		sein. Darum gebührt uns nichts zu tun und zu urteilen nach dem 
		heimlichen Rat und Willen seiner Majestät, sondern alles und allein nach 
		dem öffentlichen Rat und Willen seines Worts.“ Luther meint damit das 
		Wort des Evangelium, in dem der Mensch gerecht wird allein aus Glauben 
		ohne des Gesetzes Werke. (Römer 3/28) 
		 
		Und so geht unser Blick noch einmal auf unseren Teller mit dem 
		Resteessen und wir betrachten ihn als Spiegel unserer Kirche und 
		Gemeinde. Nehmen wir weg, was unbekömmlich ist und irritiert. Betrachten 
		wir kritisch, auf was wir so stolz sind und was wir für unsere Stärken 
		halten. Kritisch auf der Suche nach dem Brief Christi, der in unsere 
		Herzen geschrieben ist, nicht mit Tinte, sondern mit Heiligem Geist, 
		nahrhaft und heilsam für Geist, Seele und Leib. Wir werden ihn – wie die 
		Korinther damals - wieder finden, verschüttet vielleicht und versteckt 
		unter tausend belanglosen Dingen. Und finden, dass es immer Zeit ist, zu 
		Gottes gutem Wort und Sakrament zurückzukehren und zu bitten: Komm 
		Heiliger Geist.  
       
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      Text: 
      
       Paulus schreibt:  
		 
		2 Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen 
		von allen Menschen! 
		3 Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch 
		unsern Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem 
		Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf 
		fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen. 
		4 Solches Vertrauen aber haben wir durch Christus zu Gott. 
		5 Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als 
		von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, 
		6 der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht 
		des Buchstabens, sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, aber der 
		Geist macht lebendig. 
		7 Wenn aber schon das Amt, das den Tod bringt und das mit Buchstaben in 
		Stein gehauen war, Herrlichkeit hatte, sodass die Israeliten das 
		Angesicht des Mose nicht ansehen konnten wegen der Herrlichkeit auf 
		seinem Angesicht, die doch aufhörte, 
		8 wie sollte nicht viel mehr das Amt, das den Geist gibt, Herrlichkeit 
		haben? 
		9 Denn wenn das Amt, das zur Verdammnis führt, Herrlichkeit hatte, wie 
		viel mehr hat das Amt, das zur Gerechtigkeit führt, überschwängliche 
		Herrlichkeit. 
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