Predigt     2. Korinther 4/3-6    Epiphanias     06.01.2014

"Kirche und Spital"
Predigt zur Eröffnung des Jubiläumsjahres für St. Lorenz und Hospital
(Von Pfarrer Dr. Florian Herrmann, St. Lorenz Hof)

Liebe Leser,

ich kenne Familien, die brauchen mehrere Wochen, um ihre Krippe aufzubauen. Im Advent richten sie erst die Landschaft in einer Ecke in der Wohnung, mit Hügeln und Sträuchern und Schafweiden und vielleicht einer Wüste im Hintergrund. Dann den Stall, Maria und Josef. Ein paar Hirten und Schafe stellen sie auf, noch bevor die vierte Kerze brennt am Kranz. Dann am Heiligen Abend – und nicht vorher – legen sie das göttliche Kind in die Krippe. Erst dann ist der Advent am Ziel und ist es Weihnachten geworden. Die Krippe ist dann aber noch nicht fertig. Da warten noch einige Figuren, die erst in den nächsten Tagen auftauchen: Kamele und Lastenträger und drei Weise aus dem Morgenland. Die stehen zuerst ganz am Rand der Krippenlandschaft, wo vielleicht die Wüste ist oder ein paar Palmen. Und nach dem Heiligen Abend dürfen die Kinder jeden Tag die Karawane ein Stückchen näher Richtung Stall bewegen. Heute, am Dreikönigstag – heute kommen sie an. Und dann erst ist die Krippe komplett. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an. Heute erst, mit den Weisen aus dem Morgenland, heute erst ist Weihnachten komplett. Denn heute wird es uns ganz klar und laut gesagt: das Kind in der Krippe ist Gott selbst. Sie fielen nieder und beteten es an.

Lesung des Predigttextes

Slawische Urhofer

Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten. Tausend Jahre nach Paulus, tausend Jahre vor uns, da war hier überall noch Wald. Die ersten Leute hier sind wohl Slawen gewesen, sagen die Historiker, Sorben vielleicht, die hier ein paar Inseln in die Wälder gerodet hatten für ihre Felder und ihre Höfe. Christen waren sie nicht, sie hatten noch ihre alte slawische Religion, verehrten den Himmel und die Erde und die Naturkräfte und brachten ihnen Opfer von Tieren und Getreide. Ein paar Jahrzehnte später waren diese Bauern Christen geworden.

Da würden heute manche vielleicht sagen: War das denn nötig, diese schlichten naturverbundenen Bauern zu missionieren; war das denn recht, sie mit dem Christentum zu behelligen – die hatten doch ihren Glauben! Was hätte wohl Paulus gesagt zu den slawischen Urhofern? Ich denke, er hätte ihnen das gleiche gesagt wie den Römern und Griechen seiner Tage: Was verehrt ihr Himmel und Erde – und den, der Himmel und Erde gemacht hat, den kennt ihr nicht? Was gebt ihr Ziegen und Gerste als Opfer hin – lernt doch den kennen, der sich selber hingegeben hat, Jesus Christus. Der macht euch frei, dass ihr euch selber hingebt.

Die slawischen Bauern hier am Saaleoberlauf, die sind jedenfalls ganz friedlich Christen geworden, ohne Krieg oder politischen Druck oder was manche sich vorstellen, wenn sie das Wort Mission hören. Sie sahen: das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. Vielleicht ging es ihnen wie den Weisen aus dem Morgenlande. Sie haben gefunden, was sie längst gesucht haben: das Menschenkind in der Krippe; den, der Himmel und Erde gemacht hat. Sie fielen nieder und beteten es an.

Achthundert Jahre

Und nun feiern wir 800 Jahre Kirche in Hof. Im Jahr 1214 haben wir die erste Erwähnung – ja, von was eigentlich? Es ist eine Urkunde, dass Albertus plebanus de Rekkenze, Albert Pfarrer von Hof, eine Stiftung gemacht hat. Rekkenze oder Regnitz hieß der Flecken hier – nach dem Flüsschen Regnitz, das durch Regnitzlosau und Tauperlitz fließt und dann bei Moschendorf in die Saale. Und Albert war plebanus, Leutpriester in Rekkenze. Das war damals so: Die Pfarrei hatte einen Priester als Pfarrer. Der kriegte auch alle Einnahmen der Pfarrei. Und dann musste er zusehen, wie er damit weitere Priester anstellte und seine Riesenpfarrei versorgte – die ging ja immerhin von Rossbach bis Geroldsgrün und von Gefell bis Schwarzenbach Saale. Die Pfarrkirche stand hier. 1296 erfahren wir zum ersten Mal ihren Namen: Sankt Lorenz.

Die Außenorte wurden irgendwann selbstständig. Aber was heute viele nicht mehr wissen: Die Stadt Hof blieb eine einzige Pfarrei bis nach dem zweiten Weltkrieg. Der plebanus hieß irgendwann erster Pfarrer und dann Dekan und kriegte seinen Platz an der Michaeliskirche. Drei Predigtstellen gab es jahrhundertelang in der Stadt: Michaelis und Hospital und St. Lorenz – und noch vor hundert Jahren bloß sechs Pfarrer für mehrere zehntausend Evangelische. Da hatte man wenig Zeit für Geburtstagsbesuche oder für persönliche Beerdigungspredigten. Drum hat man zwischen den Kriegen angefangen, mehr Kirchen zu bauen, und hat Seelsorgesprengel eingerichtet und schließlich, nach dem Krieg, selbstständige Gemeinden daraus gemacht. Gemeinden mit einer Aufgabe in dieser Stadt!

Wir predigen nicht uns selbst

Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist’s denen verdeckt, die verloren werden, den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt, den Sinn verblendet hat. Paulus sagt es so hart, wie es ist: In unserer Welt gehen Menschen verloren! In unserer Stadt gehen Menschen verloren – verlieren ihren Weg, verlieren den Halt, verlieren sich selbst. Sie gehen verloren, weil der Gott dieser Welt ihnen den Sinn verblendet hat. Es gibt einen Gott dieser Welt, sagt Paulus, und er ist böse. Das ist nicht der Gott, der alles geschaffen hat. Es ist der Geist, der in dieser Welt weht und den Menschen einredet: Jeder ist seines Glückes Schmied, oder: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Und wer sich dann selber nicht mehr helfen kann oder an seinem Glück schmieden, dem flüstert dieser Geist ins Ohr: was kannst du überhaupt? Du Versager. Diese Menschen sehen nicht mehr, wie die Welt auch funktionieren könnte; sie sehen nicht mehr, wie Gottes Welt funktioniert.

Denn Gottes Welt funktioniert anders. Der Gott Jesu Christi, der flüstert dir nicht ein: Wenn du leistest, dann wirst du geliebt, wenn du stark bist, gelingt dein Leben. Gott flüstert dir nicht ein: Wenn-Dann. Er flüstert nicht: Du Versager. Der in der Krippe lag, den man ans Kreuz brachte, der weiß doch, was Hilflosigkeit ist. Nein, bei unserem Gott soll keiner verlorengehen. Und das muss auch gesagt werden. Dafür sind wir da als christliche Gemeinden in Hof! Denn wir predigen nicht uns selbst, sagt Paulus, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist. Das ist eben die gute Nachricht, das ist das helle Licht des Evangeliums: dass Jesus Christus der Herr ist. Das Kind in der Krippe ist der neugeborene König, ist Gott selbst in unserer Mitte.

Kirche und Spital

Für die Verlorenen müssen wir Christen da sein. Schon früh haben die Hofer Christen erkannt: dafür braucht es nicht nur eine Kirche, sondern auch ein Spital. Vor 750 Jahren genehmigte Papst Urban einen Ablass für den Bau des Hospitals am Unteren Tor, ein Haus für Arme, die eben nicht sich selber mehr helfen konnten und die hier aus den Mitteln der Hospitalstiftung unterhalten wurden. Die erste Zeit hatte der Stadtpfarrer im Hospital nichts zu sagen. Es hatte seine eigenen Priester. Erst nach der Reformation gehörten die Hospitalprediger zur Stadtpfarrei. Das Hospital selber blieb selbstständig bis heute.

Die Christenheit braucht Kirche und Spital, braucht Seelsorge und Fürsorge. Beides gehört zusammen. Drum finde ich es schön, das die Hospitalkirche heute nicht mehr einfach eine Armenhauskapelle ist, eine Anstaltskirche, sondern zur Pfarrkirche geworden ist mit einer eigenen selbstbewussten Kirchengemeinde. Und umgekehrt Sankt Lorenz, die Mutterkirche der Pfarrei, besonders eine Kirche der Armen, der Verlorenen geworden ist im Stadtviertel mit der größten Arbeitslosigkeit in Hof – eine Kirche mit besonderer Nähe zur Diakonie.

Durch uns

Die Krippe im Wohnzimmer ist heute komplett mit den Weisen, Weihnachten ist heute vollständig am Dreikönigstag: das Kind in der Krippe ist wirklich Gott: und sie fielen nieder und beteten es an. Die Krippe verschwindet bald wieder auf dem Dachboden. Aber das Licht leuchtet weiter. Gott hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben – sagt Paulus –, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. Durch uns: Was ist das für eine Berufung! Dass durch uns alle Welt es sieht: dass Christus der Herr ist. Dass durch uns und dass durch unsre Gemeinden Menschen zu Christus finden. Dass sie den finden, den sie so lange gesucht haben. Dass den Verblendeten die Augen aufgehn und die Verlorenen sich wieder finden mit Maria und Josef und Hirten und Weisen – und uns – vor dem göttlichen Kind, Christus, dem Herrn.

Pfarrer Dr. Florian Herrmann      (St. Lorenz Hof)

Text: 

Paulus schreibt:

3 Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist's denen verdeckt, die verloren werden,
4 den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes.
5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen.
6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.


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