Liebe Leser,
ich kenne Familien, die brauchen mehrere Wochen, um ihre Krippe
aufzubauen. Im Advent richten sie erst die Landschaft in einer Ecke
in der Wohnung, mit Hügeln und Sträuchern und Schafweiden und
vielleicht einer Wüste im Hintergrund. Dann den Stall, Maria und
Josef. Ein paar Hirten und Schafe stellen sie auf, noch bevor die
vierte Kerze brennt am Kranz. Dann am Heiligen Abend – und nicht
vorher – legen sie das göttliche Kind in die Krippe. Erst dann ist
der Advent am Ziel und ist es Weihnachten geworden. Die Krippe ist
dann aber noch nicht fertig. Da warten noch einige Figuren, die erst
in den nächsten Tagen auftauchen: Kamele und Lastenträger und drei
Weise aus dem Morgenland. Die stehen zuerst ganz am Rand der
Krippenlandschaft, wo vielleicht die Wüste ist oder ein paar Palmen.
Und nach dem Heiligen Abend dürfen die Kinder jeden Tag die Karawane
ein Stückchen näher Richtung Stall bewegen. Heute, am Dreikönigstag
– heute kommen sie an. Und dann erst ist die Krippe komplett. Als
sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus
und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder
und beteten es an. Heute erst, mit den Weisen aus dem Morgenland,
heute erst ist Weihnachten komplett. Denn heute wird es uns ganz
klar und laut gesagt: das Kind in der Krippe ist Gott selbst. Sie
fielen nieder und beteten es an.
Lesung des Predigttextes
Slawische UrhoferLicht soll aus
der Finsternis hervorleuchten. Tausend Jahre nach Paulus, tausend
Jahre vor uns, da war hier überall noch Wald. Die ersten Leute hier
sind wohl Slawen gewesen, sagen die Historiker, Sorben vielleicht,
die hier ein paar Inseln in die Wälder gerodet hatten für ihre
Felder und ihre Höfe. Christen waren sie nicht, sie hatten noch ihre
alte slawische Religion, verehrten den Himmel und die Erde und die
Naturkräfte und brachten ihnen Opfer von Tieren und Getreide. Ein
paar Jahrzehnte später waren diese Bauern Christen geworden.
Da würden heute manche vielleicht sagen: War das denn nötig, diese
schlichten naturverbundenen Bauern zu missionieren; war das denn
recht, sie mit dem Christentum zu behelligen – die hatten doch ihren
Glauben! Was hätte wohl Paulus gesagt zu den slawischen Urhofern?
Ich denke, er hätte ihnen das gleiche gesagt wie den Römern und
Griechen seiner Tage: Was verehrt ihr Himmel und Erde – und den, der
Himmel und Erde gemacht hat, den kennt ihr nicht? Was gebt ihr
Ziegen und Gerste als Opfer hin – lernt doch den kennen, der sich
selber hingegeben hat, Jesus Christus. Der macht euch frei, dass ihr
euch selber hingebt.
Die slawischen Bauern hier am Saaleoberlauf, die sind jedenfalls
ganz friedlich Christen geworden, ohne Krieg oder politischen Druck
oder was manche sich vorstellen, wenn sie das Wort Mission hören.
Sie sahen: das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit
Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes. Vielleicht ging es ihnen
wie den Weisen aus dem Morgenlande. Sie haben gefunden, was sie
längst gesucht haben: das Menschenkind in der Krippe; den, der
Himmel und Erde gemacht hat. Sie fielen nieder und beteten es an.
Achthundert Jahre
Und nun feiern wir 800 Jahre Kirche in Hof. Im Jahr 1214 haben wir
die erste Erwähnung – ja, von was eigentlich? Es ist eine Urkunde,
dass Albertus plebanus de Rekkenze, Albert Pfarrer von Hof, eine
Stiftung gemacht hat. Rekkenze oder Regnitz hieß der Flecken hier –
nach dem Flüsschen Regnitz, das durch Regnitzlosau und Tauperlitz
fließt und dann bei Moschendorf in die Saale. Und Albert war
plebanus, Leutpriester in Rekkenze. Das war damals so: Die Pfarrei
hatte einen Priester als Pfarrer. Der kriegte auch alle Einnahmen
der Pfarrei. Und dann musste er zusehen, wie er damit weitere
Priester anstellte und seine Riesenpfarrei versorgte – die ging ja
immerhin von Rossbach bis Geroldsgrün und von Gefell bis
Schwarzenbach Saale. Die Pfarrkirche stand hier. 1296 erfahren wir
zum ersten Mal ihren Namen: Sankt Lorenz.
Die Außenorte wurden irgendwann selbstständig. Aber was heute viele
nicht mehr wissen: Die Stadt Hof blieb eine einzige Pfarrei bis nach
dem zweiten Weltkrieg. Der plebanus hieß irgendwann erster Pfarrer
und dann Dekan und kriegte seinen Platz an der Michaeliskirche. Drei
Predigtstellen gab es jahrhundertelang in der Stadt: Michaelis und
Hospital und St. Lorenz – und noch vor hundert Jahren bloß sechs
Pfarrer für mehrere zehntausend Evangelische. Da hatte man wenig
Zeit für Geburtstagsbesuche oder für persönliche
Beerdigungspredigten. Drum hat man zwischen den Kriegen angefangen,
mehr Kirchen zu bauen, und hat Seelsorgesprengel eingerichtet und
schließlich, nach dem Krieg, selbstständige Gemeinden daraus
gemacht. Gemeinden mit einer Aufgabe in dieser Stadt!
Wir predigen nicht uns selbst
Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist’s denen verdeckt, die
verloren werden, den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt, den
Sinn verblendet hat. Paulus sagt es so hart, wie es ist: In unserer
Welt gehen Menschen verloren! In unserer Stadt gehen Menschen
verloren – verlieren ihren Weg, verlieren den Halt, verlieren sich
selbst. Sie gehen verloren, weil der Gott dieser Welt ihnen den Sinn
verblendet hat. Es gibt einen Gott dieser Welt, sagt Paulus, und er
ist böse. Das ist nicht der Gott, der alles geschaffen hat. Es ist
der Geist, der in dieser Welt weht und den Menschen einredet: Jeder
ist seines Glückes Schmied, oder: Hilf dir selbst, dann hilft dir
Gott. Und wer sich dann selber nicht mehr helfen kann oder an seinem
Glück schmieden, dem flüstert dieser Geist ins Ohr: was kannst du
überhaupt? Du Versager. Diese Menschen sehen nicht mehr, wie die
Welt auch funktionieren könnte; sie sehen nicht mehr, wie Gottes
Welt funktioniert.
Denn Gottes Welt funktioniert anders. Der Gott Jesu Christi, der
flüstert dir nicht ein: Wenn du leistest, dann wirst du geliebt,
wenn du stark bist, gelingt dein Leben. Gott flüstert dir nicht ein:
Wenn-Dann. Er flüstert nicht: Du Versager. Der in der Krippe lag,
den man ans Kreuz brachte, der weiß doch, was Hilflosigkeit ist.
Nein, bei unserem Gott soll keiner verlorengehen. Und das muss auch
gesagt werden. Dafür sind wir da als christliche Gemeinden in Hof!
Denn wir predigen nicht uns selbst, sagt Paulus, sondern Jesus
Christus, dass er der Herr ist. Das ist eben die gute Nachricht, das
ist das helle Licht des Evangeliums: dass Jesus Christus der Herr
ist. Das Kind in der Krippe ist der neugeborene König, ist Gott
selbst in unserer Mitte.
Kirche und Spital
Für die Verlorenen müssen wir Christen da sein. Schon früh haben die
Hofer Christen erkannt: dafür braucht es nicht nur eine Kirche,
sondern auch ein Spital. Vor 750 Jahren genehmigte Papst Urban einen
Ablass für den Bau des Hospitals am Unteren Tor, ein Haus für Arme,
die eben nicht sich selber mehr helfen konnten und die hier aus den
Mitteln der Hospitalstiftung unterhalten wurden. Die erste Zeit
hatte der Stadtpfarrer im Hospital nichts zu sagen. Es hatte seine
eigenen Priester. Erst nach der Reformation gehörten die
Hospitalprediger zur Stadtpfarrei. Das Hospital selber blieb
selbstständig bis heute.
Die Christenheit braucht Kirche und Spital, braucht Seelsorge und
Fürsorge. Beides gehört zusammen. Drum finde ich es schön, das die
Hospitalkirche heute nicht mehr einfach eine Armenhauskapelle ist,
eine Anstaltskirche, sondern zur Pfarrkirche geworden ist mit einer
eigenen selbstbewussten Kirchengemeinde. Und umgekehrt Sankt Lorenz,
die Mutterkirche der Pfarrei, besonders eine Kirche der Armen, der
Verlorenen geworden ist im Stadtviertel mit der größten
Arbeitslosigkeit in Hof – eine Kirche mit besonderer Nähe zur
Diakonie.
Durch uns
Die Krippe im Wohnzimmer ist heute komplett mit den Weisen,
Weihnachten ist heute vollständig am Dreikönigstag: das Kind in der
Krippe ist wirklich Gott: und sie fielen nieder und beteten es an.
Die Krippe verschwindet bald wieder auf dem Dachboden. Aber das
Licht leuchtet weiter. Gott hat einen hellen Schein in unsre Herzen
gegeben – sagt Paulus –, dass durch uns entstünde die Erleuchtung
zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes. Durch uns: Was ist das für
eine Berufung! Dass durch uns alle Welt es sieht: dass Christus der
Herr ist. Dass durch uns und dass durch unsre Gemeinden Menschen zu
Christus finden. Dass sie den finden, den sie so lange gesucht
haben. Dass den Verblendeten die Augen aufgehn und die Verlorenen
sich wieder finden mit Maria und Josef und Hirten und Weisen – und
uns – vor dem göttlichen Kind, Christus, dem Herrn.
Pfarrer Dr. Florian Herrmann
(St.
Lorenz Hof) |
Text:
Paulus schreibt:
3 Ist nun aber unser Evangelium verdeckt,
so ist's denen verdeckt, die verloren werden,
4 den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet
hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der
Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes.
5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass
er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen.
6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis
hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben,
dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der
Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. |