Predigt     2. Petrus 1/16-19     Letzter Sonntag nach Epiphanias     13.01.08

"Belastbare Hoffnung"
(von Dekan i.R. Rudolf Weiß)

Liebe Leser,

das Feuer der christlichen Hoffnung der ersten Generation war offensichtlich niedergebrannt und drohte zu verlöschen. Die Väter und Mütter der Anfangszeit waren nach und nach verstorben. Neue Generationen wuchsen nach. Deutlich ist beim Lesen dieses Briefes zu spüren, wie auf vergangene Zeiten fast wehmütig geschaut wird. So wird der Apostel Paulus im 3. Kapitel als lieber Bruder Paulus bezeichnet, der in seinen Briefen Dinge geschrieben hat, die schwer zu verstehen sind und von Unwissenden und Leichtfertigen verdreht werden. (2.Petr. 3,16)

Die heftige Naherwartung der ersten Zeit war in eine Krise geraten. Der auferstandene Herr war aufgenommen worden in den Himmel. Er hatte versprochen, wiederzukommen. Aber, so werden Zweifler und Spötter im Brief zitiert: „Wo bleibt die Verheißung seines Kommens? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles, wie es von Anfang der Schöpfung gewesen ist.“ (2.Petrus 3,4)

Die ehemaligen Heiden sind dabei, sich aus Enttäuschung vom christlichen Glauben abzuwenden und sich wieder dem alten heidnischen Treiben mit seinen Göttergeschichten zuzuwenden. Sie sind zur Überzeugung gelangt, Jesus kommt nicht wieder. Er leuchtete für sie nur kurz auf wie ein Komet am Himmel. Aber als ein Licht, um sein Leben daran zu orientieren, taugt er offensichtlich nicht mehr.

Wie schnell eine Flamme der Hoffnung aufleuchten, aber auch wieder verlöschen kann, möchte ich an einer Begebenheit aus meinem Heimatort bei Rothenburg verdeutlichen. Unser Ort war 1953 an die Fernwasserversorgung angeschlossen worden und in allen Haushalten kam frisches Wasser aus den Hähnen. Mit einem prächtigen Wasserfest wurde dieser Fortschritt gefeiert. Als krönender Abschluss sollte am Abend auf dem nahen, gut 500 Meter hohen Petersberg ein Feuerwerk gezündet werden. Ich wollte als Zwölfjähriger unbedingt zuschauen und ging mit den Eltern und anderen an den Fuß des Berges und wir schauten mit vielen anderen hinauf in Richtung Gipfel. Neugier und Spannung erfüllten uns. Endlich war ein Lichtschein zu sehen. „Jetzt geht`s endlich los.“ Aber nichts geschah. Ungeduldiges Warten, aber nichts tat sich. Einige fingen an zu murren und zu meckern, andere machten Witze und spotteten, was wir noch Grandioses zu sehen bekämen. Dann fingen einige an und resignierten: „Wir gehen lieber heim und legen uns schlafen. Auf das Feuerwerk warten wir nicht mehr. Da könnt ihr noch lange warten.“ Ich hätte gerne noch länger ausgeharrt, aber ich musste mit nach Hause. So enttäuscht war ich. Innerhalb einer Stunde war die Hoffnung auf ein großartiges Ereignis verlöscht und ich fühlte mich innerlich getäuscht und leer.

Vermögen wir zu empfinden, wie den Heidenchristen zu Mute war, die im 2. Petrusbrief angeschrieben werden? So viele seelische Energien hatten sie aufgewandt und sich auf den wiederkommenden Herrn hin ausgerichtet. Sollten sie auch so viele Generationen lang auf den Retter und Erlöser warten wie das jüdische Volk auf seinen Messias gewartet hat und noch immer wartet? Die Gefahr war groß, dass mit dem Erlöschen der christlichen Hoffnung das ganze christliche Gebäude zusammenbricht. Der geäußerte Zweifel klingt ja so einsichtig. Wenn der Herr sein gegebenes Versprechen nicht einlöst, wozu soll man dann sein Leben noch an seiner Lehre ausrichten.

Wie reagiert der Verfasser dieses Briefes auf solche Zweifel? Zunächst betont er, wie zuverlässig die Quellen des christlichen Glaubens sind. „Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt.“ Unser Glaube baut nicht auf der freien Phantasie von Romanschriftstellern und Märchenerzählern. Die neutestamentlichen Zeugen berichten von wahren, wirklichen Ereignissen. Der Verfasser reiht sich ein unter die Zeugen von Anfang an, die mit eigenen Augen und Ohren gesehen und gehört haben. Absichtlich wählt er die Mehrzahl. „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“

Petrus, Jakobus und Johannes haben damals Jesus hinauf auf den Berg begleitet. Sie hatten diese Vision, wie Jesus verklärt wurde und er mit den geschichtlichen Zeugen früherer Zeit redete, mit Mose und dem Propheten Elia. Sie berichteten von der Stimme, die Jesus zum geliebten Sohn erklärte und aufrief: „Den sollt ihr hören.“ Jesu Worte geben Orientierung bereits für dieses Leben. Wie eine Lampe den dunklen Weg einem Wanderer ausleuchtet, so geben uns Jesu Worte Orientierung. Mehr noch. Jesu Worte wollen in unseren Herzen wohnen.

Der Verfasser unseres Briefes betont, bei den Berichten über Jesus handelt es sich um zuverlässige und glaubwürdige Nachrichten und Botschaften. Die alte Kirche musste im zweiten Jahrhundert Kriterien entwickeln und die zuverlässigen Zeugnisse über Jesus und die Apostel von den Schriften trennen, die wundersüchtig waren und viel dichterische Phantasie zeigten. Am Ende eines längeren Klärungs- und Sichtungsprozesses hielten 27 Schriften dem Maßstab stand, dem Kanon, und bilden seither das Neue Testament. Einige Schriften blieben lange umstritten, ob sie in den Kanon aufgenommen werden oder draußen bleiben sollen. In einem Band „Die Andere Bibel“ wurden 1990 apokryphe Schriften gedruckt, die nicht würdig genug für den Kanon waren. 15 Schriften zum Anderen Neuen Testament sind dabei, darunter acht Evangelien. Einmal habe ich mich getraut, in einem Kreis von reifen Christen diese Schriften zu lesen. Der Eindruck bestätigte die Auswahl der Alten Kirche. Wundersame, phantasievolle Geschichten, die das Licht der Wahrheit trüben und verdunkeln.

Nun sind Filme gedreht worden und Romane erschienen, die gerade solche Schriften verwenden um das wahre Geheimnis des Lebens Jesu zu zeigen, ganz anders als die Kirche, die angeblich die Wahrheit verfälscht hat. Bücher, die nach dieser Masche verfasst werden, finden viele Leser und Leserinnen, die lieber solche erdichteten Geschichten lesen als die Bibel.

Wem darf man denn trauen? Wer garantiert, ob es sich um Wahrheit oder Fälschung handelt? Wenn Jesus und seine Bewegung keine erfundene Dichtung sind, dann müssten doch außer den biblischen Zeugen auch „weltliche“ Historiker darüber berichtet haben. Tatsächlich können wir auf einige Erwähnungen bei römischen Schriftstellern verweisen. Eine besonders wertvolle und interessante Nachricht findet sich beim jüdischen Schriftsteller Flavius Josephus, der von 37 bis 100 nach Christus lebte. Er nahm am jüdischen Aufstand gegen die Römer 66-70 teil, geriet in römische Gefangenschaft und wechselte auf die römische Seite. Über den Aufstand hat er in seinem Werk „Geschichte des Jüdischen Krieges“ berichtet.

In einem weiteren Werk „Jüdische Altertümer“ geht er im Buch XXVIII, Kapitel 3 zunächst ein auf einen Aufruhr der Juden gegen Pontius Pilatus und dann auf Jesus Christus. Er schreibt: „Um diese Zeit lebte Jesus, ein weiser Mensch, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er war nämlich der Vollbringer ganz unglaublicher Taten und der Lehrer aller Menschen, die mit Freuden die Wahrheit aufnahmen.. So zog er viele Juden und auch Heiden an sich. Er war der Christus. Und obgleich ihn Pilatus auf Betreiben der Vornehmsten unseres Volkes zum Kreuzestod verurteilte, wurden doch seine früheren Anhänger ihm nicht untreu. Denn er erschien ihnen am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten dies und tausend andere wunderbare Dinge von ihm vorherverkündigt hatten. Und noch bis auf den heutigen Tag besteht das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen.“ Den letzten Satz können wir aus heutiger Sicht bestätigen: Noch bis auf unsere gegenwärtige Zeit besteht das Volk der Christen in vielen Völkern auf der Erde fort.

Vom Verfasser des 2. Petrusbriefs können wir lernen, dass die Schriften des Neuen Testaments zuverlässig berichten. Ich will auf eine Bewegung im 19. Jahrhundert eingehen, die bewusst davon abriet, sich von den Christen auf ein besseres Jenseits vertrösten zu lassen. Karl Marx und seine Mitstreiter sahen keinen triftigen Grund mehr, auf ein dereinst kommendes Reich Gottes noch zu hoffen, das Frieden und Gerechtigkeit bringen wird. Lasst uns diese Welt schon jetzt verändern und als Reich des Menschen gestalten, die friedlich und gerecht leben. Viele Menschen ließen sich von dieser weltlichen Hoffnung entzünden. Gewaltige Energien wurden aufgebracht um das Ziel zu erreichen, viele Opfer wurden gebracht und viele wurden für eine bessere Welt geopfert. Wir sind Zeugen geworden, wie diese Hoffnung enttäuschte Menschen zurückließ, viele Seelen ermattete.

Unter Christen brach neu die Frage auf, wem wir mehr verpflichtet sind, dem wiederkommenden Herrn und dem Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, das er bringen wird oder dieser unserer Erde mit ihren konkreten Nöten und Aufgaben? Die Antwort: Wir leben auf dieser Erde und sehnen uns nach dem Himmel. Wir leben in dieser gegenwärtigen geschichtlichen Zeit und erwarten die Ewigkeit. Wenn wir ungeduldig werden und diese Erde zurücklassen möchten, dauernd auf die Uhr schauen und fragen: „Wann ist es endlich soweit?“ dann werden wir bald alle seelischen Energien zum Warten und Hoffen verbraucht haben. Umgekehrt, wenn wir völlig in den Sorgen und Geschäften dieser Welt aufgehen, werden wir die Sehnsucht nach dem Himmel, unser wahren Heimat, verlieren.

Bitte, lassen wir uns nicht einreden, wir seien gottverlassen allein einer gottfernen Welt ausgesetzt, einer geistlichen Einöde oder Wüste. Vergessen wir doch nicht, wie Jesus auf unserem Weg durch die Zeit einlädt zu rasten und uns stärken zu lassen an Leib und Seele. Er erinnert uns an die Taufe, in der er uns berufen hat, mit ihm zu leben. Wir können beim Beten mit ihm in Verbindung treten. „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ So hat er versprochen. In seinem Wort ermutigt und inspiriert er uns. Im Abendmahl begegnet er uns heilsam unter den Zeichen von Brot und Wein. Jesus bleibt dieser Erde und den Menschen treu, seitdem er auf ihr gelebt hat und für uns litt. Er wusste wohl, wie leicht seine Jünger und die Gläubigen sich entmutigen lassen und verzagen. Daher hat er vor seiner Himmelfahrt klar und unmissverständlich erklärt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Dekan i.R. Rudolf Weiß

Text:

16 Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.
 

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