Liebe Leser,
wir sind so frei, sagen in diesen Tagen die Abgeordneten
und nutzen ihre dienstlich erworbenen Bonusmeilen für private Flüge. Wir
sind so frei, sagen in diesem Jahr Wirtschaftsmanager und genehmigen sich
ordentliche Abfindungen, nachdem sie ihre Firma in den Sand gesetzt und
die Spargroschen von Millionen Kleinanlegern vernichtet haben. Wir sind so
frei, versprechen in diesen Wochen Politiker und schaffen die Ökosteuer
wieder ab, auch wenn in diesem Sommer halb Europa absäuft und die
Wissenschaftler längst den unmäßigen Energieverbrauch der reichen Länder
als Hauptursache für den Klimawandel ausgemacht haben.
Der Propagandist der zynischen Vernunft Peter Sloterdijk hat im Mai auf
dem Deutschen Trendtag die christlichen Tugenden gewürdigt und nach einer
„christlichen Dämpfung“ der Kämpfe ums schönere Leben, um höhere Löhne und
elastischere Körper gerufen. Vor dem Hintergrund eines globalen
Verdrängungswettbewerbs prophezeit er „ein grausames 21. Jahrhundert. Mit
Nietzsche nennt er es neo-antik, weil nun endgültig die Wiederholung der
Antike auf der Höhe der Modernität anstehe. Künftig, so Sloterdijk, werde
ein innerweltlicher Fatalismus herrschen: Im Hier und Jetzt, am messbaren
Erfolg entscheidet sich, ob ein Leben gelingt. Die Möglichkeit eines
Rückspiels im Jenseits, wie es bisher vom Balkon am Petersplatz aus
versprochen wurde, habe keine Relevanz mehr. Das Mitleid mit den
Verlierern, das durch das Christentum in die Welt kam, sei nicht mehr
gefragt.“ (Alexander Kissler in der SZ vom 25.05.02)
Ich bin so frei, sagt vor 3000 Jahren ein König, der David heißt, und
bricht in die Ehe von Bathseba und Uria ein, während der gerade für David
gegen die Ammoniter kämpft. Als Bathseba schwanger wird, lässt David Uria
eilig von der Front holen und zu seiner Frau schicken. Das Kind soll als
Kind des Uria gelten. Aber Uria weigert sich nach Hause zu gehen. Damit
nichts herauskommt fasst David einen Plan. Er schickt Uria zurück in den
Krieg und gibt ihm einen Brief an seinen General Joab mit. Darin steht,
Joab soll Uria beim nächsten Gefecht in die vorderste Schlachtreihe
stellen. Beim nächsten Angriff stirbt Uria. Bathseba trauert um ihn und
als die Trauerzeit vorüber ist, wird sie Davids Frau. Das Kind wird
geboren. Alles ist in schönster Ordnung. Da holt David seine Vergangenheit
ein:
Text
Freiheit bedeutet nach der Meinung des König David und der Werbung von
Viag Interkom, „alles zu tun, was man tun möchte“. Ein reicher, mächtiger
und überlegener Mann, und ein armer, unterlegener, rechtloser Mann. Beide
leben in einer Stadt, wie wir in dieser Stadt und in diesem Land in
Gemeinschaft mit anderen leben. Reiche und Arme, die meisten zwischendrin.
Große geräumige Villen und kleine verwinkelte Wohnungen, einfache
Verhältnisse. Und gerade dort finden sich Haustiere. Für manche sind sie
wichtige Freunde, Begleiter, Familienmitglieder, die sich nichts aus Armut
und Reichtum machen, die dableiben, ergeben und treu. Tiere, die Menschen
über vieles hinwegtrösten, wie das Schaf den armen Mann.
Wie beiläufig und schnell sind solche Lebensverhältnisse zerstört. Ich
sehe einen allein stehenden Freund vor mir, der erst die Arbeit verlor und
dann die Wohnung. Ich sehe ihn an jenem Nachmittag noch einmal mit seinem
Hund spazieren gehen, bevor er ihn ins Tierheim bringen muss. Der neue
Vermieter duldet keine Haustiere. Nennen wir’s neo- oder altantik. Der
Reiche nimmt sich sein Recht und dem Armen sein Schaf. Möchten wir unter
solchen Verhältnissen leben?
Und deshalb müssen wir uns über einen solchen Vorfall mit David aufregen -
im eigenen Interesse. Wo nur der Reiche, Mächtige und Starke Recht hat,
wird der Unterlegene rechtlos. Was bedeutet dann überhaupt noch das Wort
„Recht“. Wo solche Zustände herrschen steht am Ende die Zerstörung jeder
sinnvollen Lebensgemeinschaft.
Du bist der Mann, sagt Nathan und reißt David herunter von seinem
Richterstuhl. Du David, du mächtiger König, hast wie der Reiche gehandelt
und solche Zustände hergestellt. Du Politiker, du Manager, du Christ und
Bürger, hast wie der Reiche deine Überlegenheit ausgespielt, dein
überlegenes Wissen und Können, deine größere Leistungskraft, deine
Beziehungen, dein Geld, dein flinkes Mundwerk. Du hast deine Überlegenheit
missbraucht und die Wehrlosigkeit des anderen ausgenutzt. Du hast Zustände
geschaffen, unter denen irgendwann jede Lebensgemeinschaft zerstört und
sinnlos wird.
Wer redet so mit David und uns, durch das Wort des Propheten Nathan? Es
ist Gott selbst. So spricht er: Ich habe dich zum König gemacht. Ich habe
dir alles gegeben und wenn dir das zuwenig ist, dann gebe ich dir noch
mehr. So gibt sich Gott zu erkennen. Erinnern wir uns noch, wie Martin
Luther das in seiner Auslegung zum 1. Glaubensartikel formuliert hat? Ich
glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir alles
gegeben hat und noch erhält, mich reichlich und täglich versorget,
beschirmt, bewahrt und das alles aus lauter göttlicher Güte und
Barmherzigkeit, ohn mein Verdienst und Würdigkeit.
Das ist der Gott vor dem wir stehen. Zerstörung und Vergiftung
menschlicher Gemeinschaft ist im Angesicht dieses Gottes, der alles tut
und getan hat für gute Lebensverhältnisse, nichts als Verachtung. Gott ist
Stifter und Anwalt guter Lebensgemeinschaft. Deshalb wartet er nicht bis
wir vor ihm erscheinen. Er tritt zum Rückspiel an - nicht erst im
Himmelreich.
So spricht Gott: Nun soll das Schwert nicht mehr von deinem Haus weichen.
Gott klärt über die Folge auf, die die Zerstörung guter
Lebensverhältnisse, die die Bibel Sünde nennt, nach sich zieht. Die
Ankündigung eines sterbenden Kindes am Schluss der Nathanrede macht dies
in schrecklicher Weise deutlich. Die von uns zerstörten Ökosysteme, die
sich als lebensfeindlich erweisen und in diesen Tagen mit ihren Fluten
Menschen in den Tod reißen, sprechen die gleiche Sprache.
Aber bevor uns unsere Vergangenheit so einholt, dass ihre Folgen unsere
Gegenwart und Zukunft gänzlich zerstören, will Gott uns in unserem Tun,
Reden und Denken durch sein Gerichtswort unterbrechen. Er richtet aus
Liebe, die die Täter und die Opfer, die Gewinner und die Verlierer
einschließt. „Mir fällt auf, schreibt der Pfarrer Jörg Zink, dass der
Fluch, der heute über der Menschheit liegt, unter anderem darin besteht,
dass wir mit nichts aufhören können.“ (Jörg Zink, Neue Zehn Gebote, Kreuz
Verlag, 1995, S. 66) Deshalb haben wir Gottes Unterbrechung bitter nötig.
David macht es uns vor: Ich habe gesündigt gegen Gott. Wer so redet, ist
nicht schwach. Er hört auf selbst Recht zu haben und fängt an Gott
recht zu geben. "Denn die Schuld entfernt uns wohl von Gott. Aber nur die
Lüge hält uns in der Fremde fest" (Werner Jetter, zitiert nach GPM, Heft
3, 2002, S.368). Einsicht, Vorsicht und Nachsicht sollen anfangen. Das ist
Gottes Wille. Damit ist es ihm ernst. Deshalb wird böse Geschichte nicht
relativiert oder unter den Teppich gekehrt. Irgendwann holt sie uns ein.
Hoffentlich im Angesicht Gottes, der uns aus Liebe richtet und durch seine
Gnade neue Zukunft eröffnet.
Die Ankündigung eines sterbenden Kindes in der Geschichte macht uns noch
einmal die ganze zerstörerische Macht bewusst, die Sünde als Zerstörung
guter Lebensverhältnisse über unser Leben gewinnen kann - so wie uns das
der Tod Jesu am Kreuz von Golgatha bewusst macht. Aber im Tod Jesu hat
Gott unsere Sünde nicht nur an uns vorbeigehen, sondern vergehen lassen.
Das ist die letzte und unüberbietbare Kundgabe des Heilswillens Gottes für
uns. Die Güte Gottes ist es, die uns zur Umkehr treibt (Römer 2/4). Machen
wir es daher nicht wie Petrus, der sagt: Herr gehe weg von mir, denn ich
bin ein sündiger Mensch (Lukas 5/8). Sondern beten wir: Herr komm her zu
mir, denn ich bin ein sündiger Mensch.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
12,1 Und der HERR sandte Nathan
zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm: Es waren zwei Männer in
einer Stadt, der eine reich, der andere arm.
12,2 Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder;
12,3 aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er
gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit
seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und
schlief in seinem Schoß, und er hielt’s wie eine Tochter.
12,4 Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er's nicht über
sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas
zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen
Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.
12,5 Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So
wahr der HERR lebt: der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat!
12,6 Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein
eigenes geschont hat.
12,7 Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der
Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich
errettet aus der Hand Sauls
12,8 und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen, und habe
dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch
dies und das dazu tun.
12,9 Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, dass du getan hast,
was ihm missfiel? Uria, den Hethiter, hast du erschlagen mit dem Schwert,
seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht
durchs Schwert der Ammoniter.
12,10 Nun, so soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du
mich verachtet und die Frau Urias, des Hethiters, genommen hast, dass sie
deine Frau sei.
12,13 Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den HERRN.
Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde vorbeigehen
lassen; du wirst nicht sterben.
12,14 Aber weil du aber den Herrn durch dieses Tun verhöhnt hast, wird der
Sohn, der dir geboren ist, sterben.
12,15 Und Nathan ging heim. |