Predigt     2. Thessalonicher 3/1-5     5. Sonntag nach Trinitatis    22.06.08

"... nicht jedermanns Ding"
(von Dekan i.R. Rudolf Weiß)

Liebe Leser,

„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“, hat Martin Luther übersetzt. Nicht alle, die sich mehr oder weniger freiwillig mit der biblischen Botschaft befassen, den Religionsunterricht und Gottesdienste besucht haben, finden auch zum Glauben. Nicht wenige vermögen letztlich damit doch nichts anzufangen und können durchaus mit Luther sagen: “Religion, Glaube, nicht mein Ding“. „Für den Glauben bin ich nicht empfänglich.“ Eine ernüchternde Einsicht für Prediger und Religionslehrerinnen, die mit Eifer und Phantasie Menschen für den Glauben an Christus gewinnen wollen und trotz missionarischem Eifer und persönlicher Überzeugungskraft an Grenzen stoßen und einsehen müssen, dass nicht alle sich zum Glauben rufen lassen.

Aber auch für die Betroffenen selbst mag es schmerzlich erscheinen. Sie haben sich auf die christliche Botschaft eingelassen und können nichts damit anfangen und kommen sich vielleicht vor wie jemand, der ein Instrument lernen will und auch damit übt, aber trotz manchen Fleißes nur unzufrieden die falschen Töne hört, die er auf der Geige oder dem Klavier zustande bringt und schließlich entmutigt aufgibt.

In meiner ersten Gemeinde musste ich als junger Pfarrer erstmals die bittere Erfahrung machen, wie eine hoffnungsvolle Kindergottesdiensthelferin den begonnenen Weg abbrach und aufgab. Ich hatte sie konfirmiert und dann für den Helferkreis im Kindergottesdienst gewonnen. Sie kam aus einer christlichen Familie und hatte guten Zugang zu den Kindern und auch zu den biblischen Geschichten gefunden, die erzählt wurden. Doch sie geriet später an einen Freund, der die Welt verbessern und verändern wollte und sich dabei an Mao und Lenin orientierte. Die junge Kindergottesdiensthelferin geriet zusehends in seinen Einfluss, der aus meiner Sicht nur als schädlich angesehen werden konnte. Was ich als Pfarrer bei diesem Mädchen eingepflanzt hatte, jätete dieser Freund aus und agitierte gegen die aus seiner Sicht rückständigen und überholten Christen. Mit Überredungskunst zog er sie auf seine Seite. Ich versuchte in einigen Gesprächen, zu denen sie noch bereit war, sie beim christlichen Glauben zu halten, aber es gelang mir nicht. Zum großen Verdruss ihrer Eltern und auch von mir als Pfarrer trat sie aus der Kirche aus.

Mir war es damals zumute wie nach einem verlorenen Kampf. Der Hinweis auf den Satz aus unserem heutigen Predigttext, wonach der Glaube eben nicht jedermanns Ding sei, hätte mich damals nicht getröstet, weil ich darunter litt, eine hoffnungsvolle Mitarbeiterin verloren zu haben.

Wer von uns hat so etwas nicht auch schon erlebt, sei es bei Arbeitskollegen, sei es bei Bekannten und Freunden oder gar in der Verwandtschaft bis hin zur Familie. Jemand, der sich bisher zur Kirche und Gemeinde gehalten hat, kommt für sich zum Ergebnis, dass ihm der Glaube nichts mehr bringt. Vielleicht kommt noch ein Ärger hinzu über einen Pfarrer oder eine missverständliche Äußerung eines kirchlichen Vertreters oder einer Vertreterin und das Band zu Kirche und Gemeinde wird durchtrennt. Wie ergeht es dabei den anderen, die am Glauben festhalten wollen? Werden sie überlegen, was sie noch hält? Von Jesus wird diese Frage überliefert, als sich einmal viele von ihm trennten, fragte er die zwölf Jünger: „Wollt ihr auch weggehen?“ Er hätte sie auch ziehen lassen, wenn sie nicht erkannt hätten, was ihnen die Gemeinschaft mit ihm bedeutet. Petrus antwortete stellvertretend für die Zwölf: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens...“

Aber, so wird im Johannesevangelium in Kapitel 6,66 überliefert: „Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm.“ Natürlich wollte Jesus diese Jünger, die sich von ihm trennten, gerne in seiner Nähe halten. Aber wir erkennen an seinem Verhalten, wie ernst es ihm um die freie Zustimmung zu seiner Person und zu seiner Botschaft ging; er respektiert den freien Entschluss, sowohl im Zustimmen wie beim Ablehnen. Darum unterscheidet sich sein Weg von Ideologien, die mit Druck, Überredungskünsten oder gar mit Androhen von Gewalt arbeiten, um sich Anhänger und Anhängerinnen gefügig zu machen.

„Bring her, die sich von uns getrennt“, heißt es in einem Epiphaniaslied. (EG 72,5) Diese Bitte nimmt auf, wozu Paulus rät. Er bittet die Gemeinde, für ihn und entsprechend für die Verantwortlichen in der Verkündigung zu beten. Das Evangelium möge laufen, natürlich zu den Herzen der Menschen, die es hören. Er nennt den Grund: „Gott ist treu“. Die Treue Gottes stärkt uns wankelmütigen, irrtumsfähigen und bisweilen auch irrtumswilligen Menschen, am Evangelium von der Liebe Gottes festzuhalten. Weil Gott treu ist, schreibt er die Verlorenen, die Irrenden und Weggelaufenen nicht einfach ab. Jesus hat in den Gleichnissen vom verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen und vom verlorenen Sohn eindrucksvoll erzählt, wie Gott in seiner Treue den Verlorenen nachgeht, sie sucht, bis er sie gefunden und gerettet hat. Von dieser Liebe und Geduld Gottes können wir nur lernen.

Von dieser Treue Gottes, die Menschen nicht aufgibt, bekam ich etwas zu spüren, gerade im Blick auf die Kindergottesdiensthelferin, die sich von der Kirche losgesagt hatte. Ich war von der Gemeinde eingeladen zur Feier der Silbernen Konfirmation. Es waren zwar nicht alle gekommen, die ich damals vor 25 Jahren konfirmiert hatte, aber doch ein stattlicher Kreis. Zu meiner großen Überraschung auch die frühere Kindergottesdiensthelferin. Sie hatte sich überwunden, sich neu auf das Evangelium einzulassen. Sie hatte inzwischen die Kirche und ihre Botschaft neu schätzen gelernt, besonders bei einem Dienst in der Entwicklungshilfe in Afrika. Sie war bereit, den abgeschnittenen Faden wieder aufzunehmen. Sie war sich unsicher, ob sie überhaupt zum Abendmahl kommen dürfe. Sie hatte ein deutliches Gespür dafür, dass sie sich selbst aus dieser Gemeinschaft mit Christus ausgeschlossen hatte und verspürte den Wunsch, wieder dazuzugehören. Nicht wenige, die sich von der Kirche getrennt habe, finden später wieder Zugang und treten wieder ein, weil sie den Schritt bereut haben.

Die Treue Gottes hält an uns fest, auch dort wo wir schwanken, unsicher werden und fallen. Er kann uns wieder aufrichten und zu neuer Gewissheit im Glauben führen.
Die Treue Gottes bewahrt die Christen und Christinnen, die zum Glauben gefunden haben. Dieselbe Treue Gottes hält fest an denen, die sich abgewandt haben.
Mit dem Wunsch des Apostels will ich schließen:

„Der Herr richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und die Geduld Christi.“

Dekan i.R. Rudolf Weiß

Text:

Paulus schreibt:

1 Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch
2 und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.
3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.
4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.
5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
 


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