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		Liebe Leser,
		 ich möchte Sie bitten, auf ihr Leben zu 
		blicken - auf das, was Sie bereits hinter sich haben und auf das, was 
		noch vor ihnen liegt. Wenn Sie ihr Leben in 
		seiner Gänze betrachten mit seinen Möglichkeiten und Begrenztheiten. 
		Wenn Sie ihre Träume und Enttäuschungen ins Auge fassen und ihren 
		Ängsten und Hoffnungen nachspüren ... Was sehen 
		Sie da? Eine Schatztruhe voller Erinnerungen und Pläne? Oder vielleicht 
		eine Müllhalde? Oder beides bunt gemischt - Perlen und Abfall? 
		 
		Wie würden Sie Ihr Leben beschreiben? Eher als eine Art Schachspiel, Zug 
		um Zug und wohlüberlegt - immer den Gegner im Auge?
		Oder sehen Sie sich eher als den Schmetterling, der von Blüte zu 
		Blüte flattert, herrlich bei schönem Wetter, ein Desaster im Sturm? - 
		Ihr Leben ein Garten, eine Ruine, ein Fachwerkhaus, ein Bilderbuch, eine 
		Ansammlung von Verletzungen oder eine Pflanze im zu engen Topf? 
		 
		In welche Welt ordnen sie Ihr Leben ein? Die Welt ein Schachbrett und 
		die Weltgeschichte ein Spiel um Macht und Geld? 
		Die Welt ein riesiger Komposthaufen aus Erstorbenem der Weltgeschichte, 
		der Humus produziert für die nächste Generation, bevor auch sie zur Erde 
		wird? Um darin glücklich zu leben muss man ein Wurm sein?
		Die Welt eine unendliche Geschichte, und Sie schreiben sie 
		weiter, um ein Kapitel oder auch nur ein Wort? 
		 
		Der Predigttext für den heutigen Sonntag bietet ebenfalls ein Bild für 
		die Weltgeschichte an, in das wir unser Leben hineinstellen können. Ich 
		lese die Zentralurkunde biblischer Weltdeutung aus dem 5. Buch Mose, 7. 
		Kapitel: 
		 
		7,6 Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, 
		deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des 
		Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. 
		7,7 Nicht der HERR sein Herz an euch gehängt und euch erwählt, weil ihr 
		größer wäret als alle Völker- denn du bist das kleinste unter allen 
		Völkern -, 
		7,8 sondern weil er euch geliebt hat, und damit er seinen Eid hielte, 
		den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit 
		mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand 
		des Pharao, des Königs von Ägypten. 
		 
		Unser Predigttext sagt uns nicht weniger als: Die Weltgeschichte ist 
		eine Liebesgeschichte. Die Liebesgeschichte Gottes zu seinem Volk Aber 
		wer ist dieses kleine Völkchen? Wem erklärt Gott hier seine Liebe? Lesen 
		wir noch einige Verse weiter: 
		 
		7,9 So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein 
		Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die 
		Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und 
		seine Gebote halten, 
		7,10 und vergilt ins Angesicht denen, - die ihn hassen, und bringt sie 
		um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen.
		 
		7,11 So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute 
		gebiete, dass du danach tust. 
		7,12 Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet und danach tut, so 
		wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, 
		wie er deinen Vätern geschworen hat. 
		 
		Das heißt: Gottes auserwähltes Volk besteht aus 
		allen, die gewillt sind, die Weltgeschichte und ihr eigenes Leben als 
		die wechselvolle Geschichte der Liebe Gottes zu den Menschen zu deuten 
		und danach zu handeln. Die Bedeutung des Wortes "Volk" wird völlig neu 
		bestimmt. Nicht Blut, nicht Rasse, nicht Besitz, nicht Stand, nicht 
		Wohnort entscheiden über die Zugehörigkeit zum Volk Gottes. Einzig und 
		allein entscheidend ist, ob wir gewillt sind, die Liebe Gottes 
		anzunehmen und danach zu handeln. Unser 
		Predigttext erinnert uns daran, dass die Weltgeschichte als 
		Liebesgeschichte gedeutet werden kann, und dass wir unser Leben in diese 
		Liebesgeschichte einordnen dürfen. Wir dürfen unser eigenes Leben als 
		Liebesgeschichte Gottes mit uns deuten. Eine Liebesgeschichte, die sich 
		wie alle Liebesgeschichten nicht ohne Irrungen und Wirrungen entwickelt. 
		 
		Wir alle begegnen heute Gott nicht zum ersten Mal. Sie als 
		Jubelkonfirmanden haben seit ihrer Konfirmation und vermutlich schon 
		längere Zeit vorher - ihre Erfahrungen in ihrem Leben mit Gott gemacht. 
		Manche Erfahrungen lassen sich leicht als Liebesgeschichte deuten - 
		andere schwerer. 
		 
		Wenn Sie als Jubelkonfirmanden zurückblicken auf ihr Leben, können Sie 
		sagen: Ja, wir haben schon viel erlebt mit unserem Gott: gute und 
		schlechte Zeiten, wie das Volk Israel, das Wohlstand - und Enge in 
		Ägypten erlebte und nach der Befreiung aus der Enge die Dürre der Wüste. 
		Ja, vielleicht haben Sie auch das erlebt: Das eigenen Leben wie 
		ausgetrocknet, die Träume versandet, während darum herum die Welt blüht.
		 
		 
		Verständlich, wenn sich dann die Zweifel melden:  
		- Ist es nicht zu gewagt, das Leben als Liebesgeschichte zu deuten?  
		- Ist es nicht zu gewagt, sich auf die Liebe Gottes einzulassen?  
		- Habe ich mich zu weit aus dem Fenster gelehnt?  
		 
		Man denkt sich schon manchmal: Ist der Spatz in der Hand nicht besser 
		als die Taube auf dem Dach? Ist der Tanz ums goldene Kalb nicht sicherer 
		als das Vertrauen auf die Liebe eines Gottes, der oft so wenig greifbar 
		scheint? Vielleicht sehen Sie sich wenn Sie zurückblicken auf ihr Leben, 
		beim Tanz ums goldene Kalb. 
		Ein Tanz aus Angst, dass die Liebe nicht trägt? Haben wir uns was vor 
		gemacht mit der Weltgeschichte als Liebesgeschichte? Ist sie nicht doch 
		eher ein Schachspiel um Geld und Macht? "Diamonds are a girls best 
		friends?"  
		 
		Ich jedenfalls ertappe mich manchmal bei solchen Überlegungen. Dann 
		versuche ich mich zu erinnern an die Geschichte Gottes mit seinem Volk. 
		Ich versuche mich hineinzustellen in die Gemeinschaft derer, die sich 
		darum bemühten, die Weltgeschichte als Liebesgeschichte zu deuten. Die 
		liebten und haderten, die hofften, sich freuten und bangten, die lebten 
		und starben und einmal auferstehen. Ich versuche mich hineinzustellen in 
		das Volk Gottes, das sich festhält an der Liebeserklärung Gottes - durch 
		die Feste und Kriege, die Freude und die Trauer, die Tanzsäle und 
		Konzentrationslager der Weltgeschichte - hindurch.
		Ich bilde mir nicht ein, mir als Christ ein Lebensgefühl der 
		Geborgenheit bewahren zu können. Schließlich schreit selbst Jesus 
		Christus der Sohn Gottes am Kreuz sein Gefühl der Gottverlassenheit 
		heraus.  
		 
		Was ich meine ist ein Festhalten daran, dass es hinter dieser Welt einen 
		Gott gibt, einen tiefsten Grund des Seins, der gut ist und in dessen 
		Hand ich fallen kann - selbst, wenn mich das Gefühl der Angst 
		überwältigt, wenn mein eigener Glaube zerbricht. 
		Es ist schon wahr: Manchmal kann man nur den Mund sprechen lassen, weil 
		das Herz gerade nicht mitsprechen will und kann. Dann muss es eben der 
		Mund so lange sprechen, wenn nötig laut - bis das Herz sich wieder daran 
		erinnern kann:  
		 
		„7,6 Wir sind ein heiliges Volk dem HERRN, unserem 
		Gott. Mich hat der HERR, mein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus 
		allen Völkern, die auf Erden sind. 
		7,7 Nicht hat der HERR sein Herz an uns gehängt und uns erwählt, weil 
		wir größer wären als alle Völker- denn wir sind das kleinste unter allen 
		Völkern -, 
		7,8 sondern weil er uns geliebt hat, und damit er seinen Eid hielte, den 
		er unseren Vätern geschworen hat. Darum hat er uns herausgeführt mit 
		mächtiger Hand und hat mich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand 
		des Pharao, des Königs von Ägypten.“ 
		 
		Sich das immer wieder zu sagen, halte ich für die Grundvoraussetzung von 
		Freiheit, die auch noch Lebensräume öffnet, wo unsere menschlichen 
		Möglichkeiten erschöpft sind. Die Welt mag vergewaltigt sein, und viele 
		mögen ihr Herz verkauft haben. Es mag Unglück geben in dieser Welt und 
		Feuer, das mit dem Feuer der Liebe nichts zu tun hat. Aber was soll ich 
		tun? Soll ich alle Hoffnung fahren lassen und selbst böse werden?  
		Soll ich mein Leben lang kämpfen um ein Nimmerland, das nur als Festung 
		existieren kann, in der ich mir den Schein einer guten Welt erhalte, die 
		ich draußen schon längst aufgegeben habe? Soll ich mein Leben einsperren 
		in eine Kitschwelt? Ein solches Leben wäre eine 
		Lüge.  
		 
		Nein! Wer Gott bei den Worten nimmt, die wir gehört haben und diesem 
		Gott sein Leben anvertraut, der behält die Freiheit an einen guten Gott 
		zu glauben und daran, dass das Wesen des Lebens im Letzten gut ist.
		Das heißt nicht, dass ich davon ausgehe, dass einem 
		Christenmenschen nicht Schrecklichstes zustoßen kann.
		Aber selbst im Schrecklichsten behält dieser Mensch eine große 
		Handlungs- und Deutungsfreiheit der Wirklichkeit - weil er in der 
		Gewissheit lebt, dass er letztlich nicht untergeht, sondern bei Gott gut 
		aufgehoben ist - nach und hinter allem, was ihm geschieht: In guten wie 
		in schlechten Tagen. Gut handeln und die Freiheit bewahren, kann nur, 
		wer sich als geliebtes Geschöpf Gottes sieht: Vielleicht verwundet, 
		gekränkt und - wie im richtigen Leben - etwas klein und krumm gewachsen, 
		in den Wirren der Liebesgeschichte Gottes mit uns und der Welt, aber es 
		gilt ja:  
		 
		7,7 Nicht hat der HERR sein Herz an euch gehängt 
		und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker- denn du bist 
		das kleinste unter allen Völkern -, 
		7,8 sondern weil er euch liebt, und damit er seinen Eid halte, den er 
		euren Vätern geschworen hat. 
		 
		Und wenn die Wut dann doch mal überkocht, wegen der Ungerechtigkeiten 
		dieser Welt, dann kann man auch Vers 9 und 10 laut sprechen: 
		 
		7,9 So sollst du nun wissen, dass der HERR, mein 
		Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die 
		Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und 
		seine Gebote halten, 
		7,10 und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um 
		und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. 
		 
		Ja, auch diesen Vers kann man laut sprechen. Denn er hilft die Waffen 
		aus der Hand legen und die Rache Gott zu überlassen - nicht nur für die 
		großen Verbrechen der Weltgeschichte, sondern auch für all die 
		Verbrechen an der Liebe, für die gebrochenen Herzen und die bitteren 
		Tränen, die vor keinem Gericht der Welt Recht bekommen. Diesen Vers laut 
		zu sprechen hilft, selbst die Waffen aus der Hand zu legen. Und wer 
		weiß, vielleicht kann unser Gott sogar das: den Mist der Weltgeschichte 
		ausbringen in den Garten des Paradieses und unser Leben an den Bächen 
		seines Gartens einpflanzen. Wir dürfen uns schon heute vorstellen, wie 
		es blüht und duftet nach Liebe und Freiheit ... ! 
		
      
      
      Vikar Michael Krauß   
      (Hospitalkirche Hof)  | 
      Text: 
      
		 6 Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, 
		deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des 
		Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. 
		7 Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer 
		wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –, 
		8 sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den 
		er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit 
		mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand 
		des Pharao, des Königs von Ägypten. 
		9 So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, 
		der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste 
		Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, 
		10 und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um 
		und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. 
		11 So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute 
		gebiete, dass du danach tust. 
		12 Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet und danach tut, so wird 
		der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, wie er 
		deinen Vätern geschworen hat  |