Predigt     5. Mose 30/11-20a     Konfirmation    24.03.13

"Von der Freiheit der Kinder Gottes"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde,

Worte aus uralter Zeit gibt uns die Bibel zum diesjährigen Konfirmationsfest zu bedenken. Das Volk Israel steht nach 40 Jahren Wanderung durch die Wüste endlich vor dem gelobten Land, das Gott ihnen geben will. Da ist die Sehnsucht, endlich ans Ziel aller Wünsche zu kommen, schon zum Zerreißen gespannt. Da möchten alle am liebsten sofort losstürmen und feiern. Aber wie es halt immer so ist: Erst wird noch eine Predigt gehalten.

Heute am Konfirmationstag waren die Schuhe, in die Ihr am Morgen geschlüpft seid, keine Kinderschuhe mehr. Habt Ihr das bemerkt? Früher einmal war die Konfirmation der Übergang ins Erwachsenenleben. Nach dem Fest fing die Lehre und das Berufsleben an. Aber auch wenn Ihr noch ein paar Jahre Schule, Ausbildung oder ein Studium vor Euch habt: Die Konfirmation ist auch heute eine wichtige Station auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Auch wenn bis zur Volljährigkeit noch ein paar Jahre fehlen: Als Christenmenschen seid ihr mit dem heutigen Tag erwachsen.

Deshalb wird es sich heute der ein oder andere aus Eurer Verwandtschaft nicht nehmen lassen und in einer kleinen Rede über den „Ernst des Leben“ zu Euch sprechen. Das kann lästig werden, weil ihr doch heute zuerst an all die Freiheiten denkt, die man Euch nun nicht mehr verwehren kann. Wo ihr doch an diesem Tag eher wie junge Pferde seid, die endlich aus dem Stall hinausstürmen wollen ins Weite. Aber wie es halt immer so ist: Erst wird noch eine Predigt gehalten.

Und das ist auch gut so. Denn die uralte Predigt an das Volk Israel und im Gefolge ihrer Worte auch meine, ist keine Predigt über den bitteren Ernst des Lebens, sondern eine Predigt über die Freiheit. Und deshalb erinnert sich das Gottesvolk noch heute an dieses Datum und an diese Predigt, auch wenn das alles schon über 3000 Jahre her ist. Logisch: Niemand, der heute lebt, hat diese Predigt mit eigenen Ohren gehört und das gelobte Land mit eigenen Augen gesehen. Wie also kann etwas, was so lange her ist, Bedeutung für uns heute haben und Grund heutiger Freiheit sein? Ist das nicht schon so lange her, dass es gar nicht mehr wahr ist?

Ich möchte Euch jetzt keine Vorlesung darüber halten, wie das, was schon lange her ist, z.B. die Geschichte Eurer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, sehr wohl einen entscheidenden Einfluss auf Euer Leben, ja sogar auf das Eurer Kinder hat und haben wird. Es gibt gar kein Verstehen der Gegenwart ohne Wissen um die Geschichte, aus der man herkommt. Und es gibt keine gute Zukunft ohne die Lehren aus der Vergangenheit. Ohne Herkunft keine Zukunft.

Das gilt für die Welt- und Geistesgeschichte ganz allgemein. Und es gilt für den Glauben in geradezu elementarer Weise. Ich darf Euch darin erinnern, dass es ein Ereignis gibt, an das sich niemand von Euch erinnern kann und ohne das der heutige Tag nie gekommen wäre. Ihr seid heute hier um Eure Taufe mit Eurem Ja zu bekräftigen. Eure Eltern werden sich erinnern, als wäre es gestern gewesen. Aber für Euch gehört Eure Taufe in den Nebel der Urgeschichte. Sie ist Euch entzogen. Ihr konntet nichts dafür oder dagegen tun. Ihr könnt Euch nicht einmal erinnern. Die Taufe ist und bleibt ihrem Wesen nach ein Geschenk, wie die Sterne und wie der Moment, in dem ihr das erste Mal die Augen im Licht dieser unermesslichen Welt aufgeschlagen habt.

Wir tun der Geschichte des Gottesvolks aus dem Alten Testament deshalb keinen Zwang an, wenn wir sie als Sinnbild auch für Euer Leben und für Eure Taufe nehmen: Gott hat Euch das Leben geschenkt. Gott hat Euch in der Taufe bei seinem Namen gerufen. Gott hat Euch in die Gemeinschaft seines Volkes und allen Lebens gestellt. Ihr gehört zur Familie Gottes. Ihr dürft mit Gott reden, wie mit einem Vater und einer Mutter. Er hat Euch seine Liebe und Treue versprochen. Diese Welt und dieses Leben ist das Land, das Gott Euch gegeben hat und sein Segen begleitet Euch. Nehmt es ein und macht Euch auf den Weg.

Das ist die große Zusage – nein sagen wir besser bewusst – die große Freiheit, die Gott Euch bei und durch die Taufe gegeben hat. Das waren nicht nur Worte. Denn mit den Worten Gottes ist es anders, als mit unsren Worten. Gottes Worte tun, was sie sagen. Sie schaffen die Welt. Sie rufen ins Leben. Sie scheiden das Licht von der Finsternis. Ich habe es immer gut gefunden, dass ich mich an meine Taufe nicht erinnern kann und sie mir entzogen ist, wie der Anfang der Welt. Denn so bleibt sie ganz Gottes Werk und nicht einmal ich kann sie kaputt machen und in Zweifel ziehen. Man kann zwar aus der Kirche austreten. Aus der Taufe niemals. Dieses Geschenk bleibt und wenn es manchmal so lange auf Euch warten muss, wie der Vater auf den verlorenen Sohn.

Denn die jungen Pferde, die ins Weite hinausstürmen, werden sich vergaloppieren und verlaufen. Sie werden sich verletzten und andere verletzen. Sie werden in Abgründe fallen und im Dreck landen. So manches gelobte Land und so manches, was wir für ein Himmelreich halten, erweist sich als Fata Morgana. Die Bibel ist voll solcher Geschichten. Nicht nur die Welt ist voller Krisen, unser Leben ist es auch. Wenn Euch aber jemand verspricht, ihr könntet dem entgehen, indem ihr genau das macht, was er euch sagt, dann lauft so schnell ihr könnt. Heute steht ja an jeder Ecke einer, der weiß, was gut für Euch ist. Robert Musil schreibt in seinem „Mann ohne Eigenschaften“: „Wahrscheinlich ist diese merkwürdige Neigung, sich einem Regime zu unterwerfen, oder ein anstrengendes, unangenehmes und dürftiges Leben nach den Vorschriften eines Arztes, Sportlehrers oder anderen Tyrannen zu führen, obgleich man es mit ebenso gutem Misserfolg auch unterlassen könnte, schon ein Ergebnis der Bewegung … zum Ameisenstaat, dem sich die Welt annähert.“

Gerade die Krisen, die Not, die Probleme, die im Leben nicht ausbleiben, sind auch die größte Gefahr für die Freiheit der Gotteskinder. Weil es zu allen Zeiten genug selbsternannte Ratgeber gibt, die mit Wollust im Leben anderer herumpfuschen, statt sich ihrer eigenen Bedürftigkeit bewusst zu werden. Die werden auf raffinierte Weise versuchen, Euch für Ihre Zwecke gleichzuschalten und Euch ihr eigenes Glück als Eures zu verkaufen.

Dann erinnert Euch an Eure Konfirmationspredigt und daran, dass Gottes Wort, „dir nicht zu hoch und nicht zu fern ist. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.“ Eure Herzen und Gottes wirkmächtiges Wort gehören seit der Taufe untrennbar und für immer zusammen. Vertraut und verlasst Euch gerade in schweren Zeiten darauf!

Damit soll nicht gesagt sein, dass ein guter Freund, eine gute Freundin nicht Gold wert sind, vor allem, wenn sie zuhören können. Unterschätzt nicht, dass man auch in der christlichen Gemeinde immer Menschen findet, denen man sich anvertrauen kann. Und schließlich merkt man, dass man erwachsen geworden ist, auch daran, dass man Dinge tut, obwohl die eigenen Eltern sie empfohlen haben.

Aber leider stimmt, was der Schriftsteller Botho Strauß schreibt: „Es gehört zu den übelsten Unsitten unserer Soziozentrik, alles, was man als das Höhere ausgemacht hat, … , zu sich zu herabzuholen und mit sich selber zu vergleichen. Auf Kanzeln, Kongressen, Theaterbühnen geschieht es bis zum Überdruss, der immergleiche Orpheus aus der Tiefgarage. … Erstes Gesetz dem entgegen: erkenne, was höher ist als du selbst. Lerne die Fremdsprache. Beachte den Menschen als ein Geschöpf in der Senkrechten, eine Linie, die ihn erdet, aber auch übersteigt. Meide die Pädo-kata-gogen: die Herunter-Erzieher.“ (Botho Strauß, Der Untenstehende auf Zehenspitzen, Hanser 2004, S.59f)

Konfirmation ist die Bekräftigung Eurer Taufe und die Bekräftigung dessen, was Ihr wirklich seid: Kinder dieser Erde und Kinder Gottes. Geerdet durch ein reiches, glückliches und gelingendes Leben, das wir Euch an diesem Tag von Herzen wünschen. Und doch mehr: Ihr seid ins Leben gerufen durch den, der die Sterne zündet. Der hat sich längst zu Euch herabgebeugt und hält Euch in seiner Hand. Das ist die Linie, die Euch übersteigt, und an der Ihr als einzigartige Geschöpfe aufrecht und frei durchs Leben gehen dürft, „indem ihr den HERRN, euren Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm anhangt."

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

11 Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern.
12 Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun?
13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun?
14 Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.
15 Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.
16 Wenn du gehorchst den Geboten des HERRN, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, dass du den HERRN, deinen Gott, liebst und wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst, so wirst du leben und dich mehren, und der HERR, dein Gott, wird dich segnen in dem Lande, in das du ziehst, es einzunehmen.
17 Wendet sich aber dein Herz und du gehorchst nicht, sondern lässt dich verführen, dass du andere Götter anbetest und ihnen dienst,
18 so verkünde ich euch heute, dass ihr umkommen und nicht lange in dem Lande bleiben werdet, in das du über den Jordan ziehst, es einzunehmen.
19 Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen,
20 indem ihr den HERRN, euren Gott, liebt und seiner Stimme gehorcht und ihm anhangt.
 


Archiv
Homepage Hospitalkirche