Liebe Leser,
eingemauert in ihre Probleme, das waren die Jünger immer
noch. Der Herr war auferstanden, aber er war nicht mehr bei ihnen. Er
war in den Himmel zurückgekehrt. Wie es weitergehen sollte, stand in den
Sternen. Sie trauten sich gemeinsam nur in der Dunkelheit hinaus. Und
dann sahen sie in klaren Nächten hinauf. Dorthin hatten sie ihn gehen
sehen. Dann spürten sie ihr Gewicht, mit dem sie an der Erde klebten.
Ihr Herr fuhr hinauf. Und sie irgendwann hinunter. Und jetzt zum
Pfingstfest, wo man den Bundesschluss und die 10 Gebote feierte, die
Mose vom Berg Sinai brachte, war die Stadt voller Juden aus aller Herren
Länder. Viele waren dort längst heimisch geworden. Die Erscheinung des
Gottes des alten Bundes in Feuer und Rauch (2.Mose 19,14ff) wurde
gefeiert. Wer wollte da die Botschaft vom neuen Bund weitersagen, in
deren Mitte ein Kreuz stand?
Immerhin, die Jünger waren versammelt. Das ist ja schon was. Sie hielten
Gemeinschaft in der Not. Wir erleben, wie eine Laus, die uns über die
Leber läuft, wie ein Skandal in der Kirche genügt und schon juckt es zu
sagen: Und Tschüss! Euer Problem! Da habt ihr den Salat. Mit denen will
ich nichts mehr zu tun haben. Wie groß muss die Not in Kirche und
Gesellschaft noch werden, damit wir vom Irrweg der Entsolidarisierung
und der Atomisierung lassen und uns wieder auf die Verantwortung für das
Gemeinsame besinnen, ja auch dem Götzen Geld zum Trotz. Wenn Umfragen
ergeben, dass das Interesse an religiösen Fragen steigt, während
gleichzeitig das Interesse an sozialen Fragen abnimmt, dann lasst uns
einfache Leute doch aufhören, mit dem Finger auf die Fusionierer von
Großkonzernen zu zeigen, die Arbeitsplätze vernichten, während wir
selbst uns beim Wort zum Sonntag Bier holen, aber keinen Tag den
Börsenbericht versäumen. Das gesteigerte Interesse an Religion, scheint
vor allem ein gesteigertes Interesse am ganz eigenen Heil zu sein. Dazu
passt der Zulauf zu Sekten, Psychogruppen und auch christlichen
Gruppierungen, die ihren Kunden vor allem ein Leben auf der Überholspur
versprechen. Das gibt es und wird es in der Kirche nicht geben. Hier ist
das eigene Heil nicht ohne das Interesse am Heil der ganzen Welt und
ihrer Menschen zu haben.
Denn auch die Pfingstgeschichte erzählt, wie vor der Einheit im Geist,
die Einheit in der Not stand. Und das ist natürlich auch ein Merksatz an
unsere eigene Kirche: Wer nur auf das Seine schaut, wird geistlos
bleiben. Er lässt dem Geist Gottes keine Chance. Und als der Pfingsttag
gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Da kommt er
gerne, der Heilige Geist, der ein Gemeinschaftsgeist ist. Ist er doch im
Wesen Gottes selbst das vinculum caritatis, das Band der Liebe zwischen
Vater und Sohn.
Er kommt zu den versammelten Jüngern, die ihre Erinnerung teilen. Ihre
Erinnerungen an das, was Jesus getan und gesagt hat. Sie können
Geschichten erzählen von den drei Jahren mit ihrem Meister, Geschichten
aus 1001 Nacht. Sie schauen zurück. Sie hüten ein Vermächtnis - gute
alte Zeit. Zeit, die sich um so mehr verklärt, je länger sie
zurückliegt. Erinnerung ist bestechlich - am meisten durch düstere
Aussichten. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von
einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
Pfingsten bleibt ein Geheimnis. Rätsel kann man erklären und lösen.
Geheimnisse muss man stehen lassen. So wie wir uns nicht erklären
können, wie eine Erinnerung plötzlich wieder lebendig wird. Wir können
sie riechen. Warum schlägt unser Herz schneller beim Aufleuchten eines
süßen Augenblicks, der sich unvermutet wieder realisiert bis in die
Haarspitzen; wie eine Musik, die unsere Sinne ganz in Beschlag nimmt und
alle bösen Träume und Gedanken vertreibt. Wie kann etwas, was schon
längst Vergangenheit war, plötzlich ganz Gegenwart sein? Von den Kometen
weiß man, dass sie nach Abertausenden von Jahren durch eisige Finsternis
wieder der Sonne zustürzen und aufleuchten - Aufs Neue!
Aufs Neue! Darin liegt das Geheimnis des Heiligen Geistes. Der Heilige
Geist vergegenwärtigt das, was Christus gesagt und getan hat, ja, er
vergegenwärtigt den Christus in dir und in mir und sagt uns und durch
uns der ganzen Welt heilvolle Zukunft an. Jesus Christus, gestern und
heute und derselbe auch in Ewigkeit. (Hebräer 13,8) Das ist der Inhalt
jeder rechten Predigt. Das ist es, was an Pfingsten zur Sprache drängt,
nicht als Erinnerung an die gute alte Zeit, sondern als Ansage seiner
Gegenwart und Zukunft. Und da reicht der Reichtum der eigenen Sprache
nicht aus: Alle Welt rühmt die großen Taten Gottes.
Da waren die Jünger noch gar nicht draußen, sondern immer noch im Haus.
Bevor die Kirche in die Welt zieht, versammelt der Heilige Geist alle
Welt in der Kirche. Bevor er in die Welt hinausflutet, zieht er alle an
das Herz Gottes. Und das ist nun wahrlich eine Sprache, die jeder
versteht. Ach, könnte jedes Wort in der Kirche Sprache sein, in der der
Heilige Geist uns an das Herz Gottes zieht! Wir könnten uns alle anderen
Instrumente aus unserem Instrumentenkoffer sparen: Die orthodoxe
Belehrung, die pietistische Bekehrung und das aufgeklärte Moralisieren.
Wir könnten uns sparen, uns angestrengt wichtig zu machen. Kurz: Wir
könnten uns alles sparen, was langweilt und absolut alles beim Alten
lässt.
Was uns an Herz zieht und ans Herz geht, bis der Mund nicht mehr
gehalten werden kann, das können und wollen wir uns nicht sparen. Denn
darin stecken alle Geheimnisse, die das Leben reich machen. Auch die
Pfingstgeschichte erzählt davon: Von Jüngern, die hinter Mauern eine
geheimnisvolle Erfahrung machen, die sie nicht nur verbal schließlich
überlaufen lässt in die weite Welt. Was sie predigen bringt Menschen
zusammen, die keine gemeinsame Sprache haben. Aber die Sprache des
Herzens wird überall verstanden. Es ist die Sprache, die unsere Welt
braucht. Aufs Neue!
Die Kirche müsse eine neue Gehstruktur entwickeln und nicht an einer
Struktur festhalten, die auf das Kommen der Menschen zählt, sagen
Kirchenreformer. Eine Kommstruktur darf die Kirche dabei niemals
vergessen und aufgeben. Die heißt: Komm Heiliger Geist! Komm heiliger
Geist und erzähl uns von dem einen Christus, bis unser Herz mit seinem
schlägt. Schenk uns eine Sprache, eine Musik und Lieder, die auch andere
an dein Herz ziehen. Und bring uns die Welt, die du über alles liebst,
mit ihren Klängen und Seufzern herein. Dann werden wir wissen, was wir
wo und für wen tun sollen. Aufs Neue!
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
(1)Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie
alle an einem Ort beieinander.
(2)Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem
gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
(3)Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte
sich auf einen jeden von ihnen,
(4)und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu
predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
(5)Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer
aus allen Völkern unter dem Himmel.
(6)Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde
bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
(7)Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind
nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
(8)Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?
(9)Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und
Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien,
(10)Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen
und Einwanderer aus Rom,
(11)Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern
Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
(12)Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu
dem andern: Was will das werden?
(13)Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem
Wein.
(14)Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu
ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das
sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen!
(15)Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die
dritte Stunde am Tage;
(16)sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist
(Joel 3,1-5):
(17)»Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich
ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure
Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und
eure Alten sollen Träume haben;
(18)und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von
meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. |