| 
       Liebe Leser, 
      ausgerechnet Petrus! Ausgerechnet Petrus ist der Frontmann 
      der Jüngerschar, die an Pfingsten ihre Predigttournee in die Welt antritt. 
      In deren Folge entsteht die christliche Kirche in der damals bekannten 
      Welt. Ihren Geburtstag feiern wir zum Pfingstfest 2002 immer noch.  
       
      So hat alles angefangen und ausgerechnet mit Petrus, diesem Jürgen 
      Möllemann der Jüngertruppe, der immer als erster das Maul aufriss und 
      jedes Mal todsicher Gefahr lief, sich dasselbe zu verbrennen. Petrus der 
      Dummkopf, der seine schiere Existenz für den Beweis hielt, dass er mit 
      allem, was ihm einfiel, Recht hatte. Petrus, der Fischer ohne 
      Hauptschulabschluss, der mehr als einmal dastand wie „Markhams ‚Mann mit 
      der Hacke’ – dumpf, vom Donner gerührt, der Bruder eines riesengroßen 
      Ochsen“ (Woody Allan). Petrus, den Jesus schon mal zum Teufel schickte (Mk 
      8/33) und dem er so etwas wie Selbstzweifel erst mühsam beibringen musste, 
      damals im Vorhof des Hohenpriesters, als der Hahn dreimal krähte (Lk 
      22/61). Nein, dieser Mann besaß nicht die Fähigkeit zu Herzen, aber das 
      untrügliche Talent anderen auf den Geist zu gehen.  
       
      Den stellt sich der Heilige Geist an Pfingsten in die erste Reihe um durch 
      ihn hindurch zu blasen. Der wird zum Felsen, auf den der Christus seine 
      Kirche baut. Damit ja niemand auf die Idee kommt, die Kirche verdanke sich 
      dem Talent und Geschick, der Vernunft und Kraft ihrer ersten Vertreter. 
      Unwahrscheinlich, dass Petrus lesen und schreiben konnte und noch 
      unwahrscheinlicher, dass er rhetorisches Talent hatte. Eher müssen wir 
      annehmen, dass der gebildete Lukas, der die Apostelgeschichte 
      aufgeschrieben hat, die Predigt des Petrus gehörig aufbereitet hat, damit 
      man sich ihrer auch vor den Gebildeten nicht schämen muss.  
       
      Um so erstaunlicher ist die Wirkung dieser Predigt, die auch 2000 Jahre 
      später nachhallt in der weltweiten Christenheit. Um so erstaunlicher ist 
      es, dass auch wir heute in der Kirche versammelt sind. Weltreiche kamen 
      und gingen. Kulturepochen kamen und gingen. Die Kirche gibt es immer noch. 
      Hier ist etwas, was jenseits unserer Vernunft und Kraft liegt. Hier sind 
      nicht unsere Ideen, sondern etwas, was unser Herz erfüllt. Hier versammeln 
      wir uns nicht. Hier werden wir versammelt. Hier sind nicht unsere Worte, 
      sondern ein fremdes Wort, das durch unsere Münder zu Wort kommen will.  
       
      Welch eine Wohltat! Nicht nur in unseren Köpfen sind wir in ständiges 
      Selbstgespräch vertieft. Wer sich einmal die Mühe macht, sich in die 
      Stille zu setzen, wird es erfahren. Die Gedanken wollen nicht schweigen. 
      Die alltäglichen Sorgen melden sich immer und immer wieder zu Wort. Wir 
      kreisen um uns selbst. Ganz zu schweigen von dem Blabla des lieben 
      Nachbarn, das in meine Stille dringt. Dieses nie enden wollende Geschwätz, 
      dieser Klatsch und Tratsch im grenzdebilen Bereich auf allen Kanälen. Auch 
      wer alles hat, findet Gründe zum Jammern. Auch wer gar nichts zu sagen 
      hat, findet einen Sender. Ich höre schon gar nicht mehr hin. Keiner hört 
      mehr hin. Entschuldige, was hast du grade gesagt? 
       
      Närrisch, wenn die Kirche versucht, sich hier einzuklinken, Kommunikation 
      zu veranstalten in einer Gesellschaft, in der keiner mehr zuhört. Denn, 
      dass diesem Petrus damals in Jerusalem überhaupt einer zuhörte in einer 
      Welt, in der Wanderprediger und Redenschwinger an jeder Ecke standen, lag 
      nicht in der Macht des Petrus, sondern in der Kraft des Heiligen Geistes. 
      Es ist die Kraft des Evangeliums, das seine Hörer nicht vorfindet, sondern 
      sich seine Hörer schafft. Denn „ich glaube dass ich nicht aus eigener 
      Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm 
      kommen kann, sondern der heilige Geist hat mich durch das Evangelium 
      berufen ...“, so Luther in der Auslegung zum 3. Glaubensartikel vom 
      Heiligen Geist.  
       
      Der und nur der hat das Vermögen, unser permanentes Kreisen um uns selbst, 
      dieses nie enden wollende Selbstgespräch zu unterbrechen und unsere Herzen 
      mit neuen Worten zu füllen – mit den Worten des Jesus Christus, den Gott 
      durch die Auferweckung und die Himmelfahrt an die Machtzentrale des 
      Universums setzt, damit er bei jedem Menschen zugleich sein kann. Von dort 
      sieht sein Auge jeden in seiner Vereinzelung in unendlicher Auflösung. Von 
      dort spricht sein Geist jedem ins Herz. Der Christus entschwindet der Erde 
      um in noch größerem Maße bei uns zu sein.  
       
      Und er tut das, indem er uns unterbricht; unterbricht, was wir für 
      Zusammenhänge halten; unterbricht, was wir für wichtig halten; 
      unterbricht, was wir für wahr halten; unterbricht, was wir immer schon 
      tun. Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz, und sie sprachen 
      zu Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen 
      wir tun? 
       
      So fragen Menschen, die ihr Leben nicht wieder erkennen, weil es ihnen im 
      Licht des Evangeliums als ein anderes aufscheint. Der auf dem Thron sitzt 
      und Anfang und Ende von allem ist, setzt die Koordinaten neu. Der 
      hermetisch abgeschlossene Raum meiner kleinen Existenz hat einen Ausgang. 
      Hier geht’s raus. Welch eine Wohltat. Hier geht’s nach Hause.  
       
      Pfingsten bringt uns in Bewegung. Und die auf Taten brennenden ersten 
      Christen erhalten auf ihre Frage eine auch für manchen Prediger recht 
      dürre Antwort: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den 
      Namen Jesu Christi! Das ist hier alles andere als moralisch gemeint. 
      Wendet Euch dem Evangelium zu, sperrt Euere Ohren für das Evangelium auf 
      und lasst Euch taufen. Mehr trägt Petrus seinen Anfängern nicht auf. Und 
      den Fortgeschrittenen auch nicht. Die Ohren sind die Organe des Glaubens, 
      hat Martin Luther einmal gesagt.  
       
      Achtet beides nicht gering! Achtet die Taufe nicht gering. Sie ist der 
      Anker, mit dem unsere Geschichte in der Geschichte des Christus verankert 
      ist. Sie ist ganz Gottes Werk und bleibt unserem Irrtum entzogen. Darum 
      bleibt ein Glaube stark, der sich auf seine Taufe verlässt. Was glauben 
      wir als Christen denn nicht alles im Laufe unseres Christenlebens. Und 
      deshalb gilt gerade für Christen: Unser Wissen und Verstand bleibt mit 
      Finsternis verhüllet, wo nicht deines Geistes Hand uns mit hellem Licht 
      erfüllet (EG 161/1). In der folgenden Geschichte der ersten Christen 
      musste dann ein Apostel Paulus dem Petrus den Kopf waschen, der in seiner 
      Kirche keine Heidenchristen haben wollte und auf die Erfüllung jüdischer 
      Reinheitsgebote pochte. Ins Angesicht musste ihm widerstanden werden und 
      so manchem seiner Nachfolger auf dem Stuhl Petri auch. Bilden wir uns 
      darum viel auf unsere Taufe ein und wenig auf unsere Theologie; und noch 
      weniger auf unsere Moral.  
       
      Achtet mir das Hören der Predigt nicht gering. Ohne sie können wir keine 
      Christen bleiben; ohne das gute Wort, mit dem Gott auf uns einredet, wie 
      auf kranke Pfingstochsen, bis sie endlich gesund werden. Alle anderen 
      Rezepte helfen nicht. Nur wer hört, kann sich helfen lassen. Denn der 
      Heilige Geist und der Glaube verhalten sich ja nicht anders, als ein guter 
      Witz zum Lachen. Wer ihn hört, denkt nicht lange nach, ob er jetzt lachen 
      soll. Es sei denn, er hat ihn nicht verstanden. Aber das ging dem 
      berühmten Petrus auch öfter so. Und da hilft wirklich nur mit den Jüngern 
      zu beten: Komm Heiliger Geist.  
       
       
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      Text: 
      
       (14)Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine 
      Stimme und redete zu ihnen: 
      (22)Ihr Männer von Israel, hört diese Worte: Jesus von Nazareth, von Gott 
      unter euch ausgewiesen durch Taten und Wunder und Zeichen, die Gott durch 
      ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst  
      (23)diesen Mann, der durch Gottes Ratschluss und Vorsehung dahingegeben 
      war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und 
      umgebracht. 
      (32)Diesen Jesus hat Gott auferweckt; dessen sind wir alle Zeugen. 
      (33)Da er nun durch die rechte Hand Gottes erhöht ist und empfangen hat 
      den verheißenen heiligen Geist vom Vater, hat er diesen ausgegossen, wie 
      ihr hier seht und hört. 
      (36)So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den 
      ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Christus gemacht hat. 
      (37)Als sie aber das hörten, ging's ihnen durchs Herz, und sie sprachen zu 
      Petrus und den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir 
      tun? 
      (38)Petrus sprach zu ihnen: Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen 
      auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr 
      empfangen die Gabe des heiligen Geistes. 
      (39)Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung, und allen, die fern 
      sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.  
   |