Predigt     Apostelgeschichte 3/1-10     12. Sonntag nach Trinitatis     19.08.18

"Augenlicht"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)
 

Liebe Leser,

diese Geschichte ist seit Jahrhunderten in der Hospitalkirche präsent. Auf dem Epitaph „Teich von Bethesda“ hat der Hospitalmeister Schultes im 16. Jahrhundert den Maler angewiesen, sie in den Kirchhof der Hospitalkirche zu malen. So stehen rechts neben dem Haupteingang Petrus und Johannes vor dem Gelähmten, damit den Besuchern klar wird: Wer durch die Tür der Hospitalkirche will, kommt an den Armen, denen Gottes Liebe gilt, nicht vorbei. Wer sich als Christ den Armen nicht zuwenden will, wie Christus das getan hat, für die findet auch der Reformator Martin Luther, dessen Anhänger Hospitalmeister Schultes nach der Reformation in Hof bereits war, harte Worte: „Wer den Glauben mit der Tat nicht beweist, der gilt ebenso viel wie ein Heide, ja er ist ärger als ein Heide, nämlich ein Christ, der dem Glauben abgesagt hat und abtrünnig geworden ist.“ Diejenigen, die diesen untrennbaren Zusammenhang leugnen, werden von Luther als „unnütze Schwätzer und nichtige Lehrer“ gebrandmarkt: „(...) ob sie schon wissen, dass der Glaube ohne Werke nichts und ein falscher Glaube ist, sondern, wo er rechtschaffen ist, müssen Frucht und gute Werke folgen - so gehen sie doch sicher hin und verlassen sich auf die Gnade Gottes, fürchten sich nicht vor Gottes Zorn und Gericht, der den alten Adam gekreuzigt haben will und gute Früchte von guten Bäumen lesen will.“ (zitiert nach Tilman Walther-Sollich, GPM 2/2010, Heft 3, S.332)

Das war natürlich auch ein Seitenhieb auf die Teile der Hofer Bürgerschaft, die die Armen und Kranken im Stadtbild nicht sehen wollten und es gut fanden, dass das Hospital und seine Kirche außerhalb der Stadtmauer lagen. So wurden die schönen Gottesdienste in der schönen Michaeliskirche vom Elend nicht gestört. Deshalb verirrten sich noch lange Zeit auch sehr wenige Stadtbewohner in die Hospitalkirche, die oft außen und innen selbst ein Bild des Elends war.

1675 schrieb der Hospitalpfarrer Nicolaus Meyer: „Es ist ein Kirchlein, gewesen als armes Waislein, um welches sich niemand groß bekümmert hat und ist von den großen Herren und Frauen der Stadt wenig oder gar nicht besucht worden, dass auch viele ihrer nicht gewusst, wie es darinnen stehe und sehe, auch wohl eine Furcht und Abscheu davor gehabt. Es hat ausgesehen wie eine Badstube, darinnen man nichts Gemaltes ohne die Kanzel, Altar und Hauptmanns Empore nebst zwei Epitaphien gesehen. Die Decke auf der halben Seite gegen die Pfründerstube war sie meistens verfault, unförmlich ausgeflickt und unterstützt vom Überlauf der Rinnen, welche zwischen der Kirche und Pfründners Wohnung gelegen. Die Wände waren düster, staubicht und auf zwei Seiten von dem Eintriefen grün und gelb angelaufen.“

Wir befinden uns mit der Geschichte vom Gelähmten vor dem schönen Tor des Tempels am Beginn der Kirchengeschichte. Geläufig ist uns die Zusammenfassung des Lebens der ersten Gemeinde, die kurz vorher zu lesen ist: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg. 2,42) Aber schon die erste Gemeinde genügt sich nicht selbst. Sie ist angetrieben vom auferstandenen Herrn, der seine Jünger nicht in die innere Gottseligkeit vor der Welt flüchten lässt, sondern sie ins Elend der Welt schickt. Der Glaube nimmt es mit der Dunkelheit der Welt auf – nicht aus eigener Kraft, sondern in der Kraft des vom Tod auferstandenen Herrn.

Der Glaube tut das auf dreierlei Weise, wie die Geschichte zeigt. Er tut es erstens, indem er hinschaut. Petrus aber blickte den Gelähmten an mit Johannes. Im Elend nicht mehr gesehen werden, ist wohl die unterste Stufe der Verdammnis. Wir erinnern uns an den Christus, der noch auf dem Weg nach Jerusalem in den Tod mit scharfen Augen das Elend am Wegrand wahrnimmt und das Schreien des blinden Bartimäus hört (Markus 10,46ff.). Der Glaube sieht mit seinen Augen und kann nicht anders. Es tut manchmal weh. Warum sonst schauen wir lieber weg und werfen im Vorbeigehen eine Münze hin? Weil es Elend gibt, das über unsere Kräfte geht und uns überwältigen kann. Manchmal geht es wirklich nur in der Kraft des Auferstandenen.

„Und doch bleibt nur ein Ort,“ schreibt der Schriftsteller Botho Strauß, „wenn du den gesamten Horizont abgehofft hast, ein Ort auf der Welt aller Sehnsucht wert, kein Haus in der Heide, kein noch so guter Garten und nicht die Freiheit, sondern allein das Ganz Andere Gesicht. Einmal so angesehen werden, daß sich alle Schmutzreste der Seele lösen. Einmal den guten Blick, den zivilisierenden, der uns einen kleinen Innenhof mit Frieden erfüllte! Oh, da muß man sich aber gut ansehen, muß sich geduldig in den Augen liegen, um die Gewißheit zu gewinnen, daß man wahrlich nicht Angst voreinander zu haben braucht. Da genügt nicht nur ein Stich mit den Augen oder ein klägliches Streifen – das vermehrt ja nur die bösen Strahlen der Welt! – oder ein ungezügeltes den eigenen Worten Zuhören der Augen … Die Liebe wartet aufs Augenlicht. Wenn Augenlicht scheint, bist du glücklich.“ (Botho Strauß, Allein mit allen: Gedankenbuch Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG. Kindle-Version, S.34).

Und so hofft der Glaube zum Zweiten, dass der Christus den, der sich zuwendet, nicht alleine lässt. Deshalb wird im Elend der Name des Christus ausgerufen: Im Namen Jesu Christi von Nazareth. So fängt jeder Gottesdienst an; so fängt jedes Hinschauen an; so fängt jedes Heilwerden an. Transparent sind die beiden Jünger. So transparent, dass aus ihren Augen der Christus auf den Gelähmten schaut. Und dann ist bei Gott kein Ding unmöglich. Auch nicht, dass einer im fortgeschrittenen Alter zum ersten Mal auf seinen eigenen Füßen steht.

Dabei braucht er zum Dritten, die helfende Hand des Apostels. Dass es die rechte ist, braucht nicht zu verwundern. Wie heißt es im 73. Psalm (V 22ff.)? „Als es mir wehe tat im Herzen und mich stach in meinen Nieren, da war ich ein Narr und wusste nichts, ich war wie ein Tier vor dir. Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand.“ Und die nimmt den ehemals Gelähmten gleich mit in den Gottesdienst, wo er vor Glück ein wenig die Haltung vermissen lässt. Aber wer will ihm solches verübeln? Wenn Augenlicht scheint, bist du glücklich.

Die Kirchengemeinden unserer Landeskirche müssen alle Jahre einen Haushalt aufstellen. Ein bisschen Silber und Gold bekommen sie alle Jahre aus dem Kirchensteueraufkommen. Es sind weniger als 24 %. Nimmt man die Gesamteinnahmen der Kirche, werden gerade mal 9% an die Gemeinden ausgeschüttet. Dass da dann in den Kirchenvorständen das große Mitbestimmen in der Kirche anbricht, darf getrost als Gerücht bezeichnet werden. Bei den Fixkosten wurde schon gespart, was zu sparen war. Bei Haushaltsbesprechungen bekommen wir deshalb immer wieder zu hören, wie ausgeglichen unser Haushalt doch wäre, wenn wir Personalkosten kürzen würden. Wer Personalkosten in den Ortsgemeinden kürzt, kürzt Augen und Hände und Münder, die den Namen unseres Herrn Christus ausrufen. Er kürzt das Hinsehen und Wahrnehmen. Wer Personalkosten kürzt sorgt dafür, das Augenlicht nicht mehr scheint.

Unser Predigttext zeigt uns dagegen am Beispiel der ersten Gemeinde wo die Kirche zum Segen aller investieren sollte: In der Gemeinde am Ort. Nicht in Sachen und Räume und Projekte, sondern in Menschen, die einander kennen und wahrnehmen.

Heute heißt die Hospitalkirche „Schatzkästlein Hofs“. Sie hat schlechtere Zeiten gesehen. Aber die wahren Schätze hatte sie schon immer: Die Predigt der frohen Botschaft mit Mund, Herz und Hand und die Menschen: Hospitalmeister Schultes und Apostel und Lehrer und viele Menschen, die etwas gaben. Vor allem aber Zeit, offene Ohren und Augen, die hinschauen und sehen, wie Gott sieht. Wenn Augenlicht scheint, bist du glücklich.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

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Die Kanzel der Hospitalkirche Hof

Die Predigt zum Hören  

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Text:

1 Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit.
2 Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen.
3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen.
4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an!
5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge.
6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher!
7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest,
8 er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott.
9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben.
10 Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor dem Schönen Tor des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.
 


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