Liebe Leser,
Gestatten? Ich bin der Heilige Geist.
Ich wehe, wo ich will. Ich scheide das Licht von der Finsternis. Ohne
mich läuft gar nichts, wie im Himmel, also auch auf Erden. Ich berufe,
sammle, erleuchte. Die eine heilige christliche Kirche - ganz mein Werk.
Ich bin ausgegossen auf alles Fleisch, um es nach Hause zu bringen in
die herrliche Freiheit der Kinder Gottes. Ich bin viel unterwegs. Ich
bin immer vor Ort, wo jemand nach Gott zu fragen beginnt, und wenn’s ein
äthiopischer Kämmerer auf einem Wagen mitten in der Wüste ist.
Ich habe den Philippus geschickt. Nicht die Kirchenleitung. Ja, wir alle
haben das neue Zukunftspapier der Evangelischen Kirche Deutschlands
(EKD) gelesen. Und wie diese Kirche in Zukunft alles managen will. Wir
fanden Worte wie „Kerngeschäft“, „Kernangebote“, „Imageschaden“,
„Qualitätsmanagement“, „good-practice-Orientierung“,
„Angebotsorientierung“, „360-Grad-Feedback“, „Alleinstellungsmerkmal“, „Agendasetting“,
„Aufwärtsagenda“, „Kundenbindungsinstrumente“, „Profilierungskompetenz“.
Und bei jedem dieser Worte ging ein Gelächter von einem Ende des Himmels
bis zum anderen. Gabriel wäre fast von seiner Wolke gefallen. So ist
sie, die Kirche. Sie braucht immer geistliche Beratung, etwa
dahingehend, dass sie ihre Zukunftspläne nicht ausgerechnet solchen
Mitarbeitern anvertraut, die durch Talent und Neigung zum Kaufmannsberuf
bestimmt waren, aber von einem gnadenlosen Vater zum Theologiestudium
gezwungen wurden. Ja bitte, fragt sich denn keiner mehr, wie die Kirche
damals zu Philippus’ Zeiten überhaupt entstehen konnte und über die
Runden kam? Fragt mich denn keiner mehr?
Zugegeben, ich frage auch nicht lange. Eigentlich war der Philippus zum
Diakon gewählt worden, was nicht nur damals als die erste segensreiche
Strukturreform der Kirche gepriesen wurde (Apg. 6,5). Aber wo käme ich
hin, wenn ich mich an kirchliche Strukturen hielte. Das widerspricht
meiner Struktur. Denn ich bin die Liebe. Ich wehe wo ich will. Ich bin
der Geist der Freiheit. Ich habe Philippus in die Wüste geschickt.
Gestatten, mein Name tut nichts zur Sache.
Ich bin ein Kämmerer aus dem Mohrenland. Ich hatte mal wieder meinen
Urlaub in Jerusalem verbracht. Ich habe eine Schwäche für Religion. Die
gibt’s überall, werden Sie sagen. Bei uns daheim hat jeder die Wohnung
voll mit allerlei Schnickschnack. Ein Gott für dies und eine Göttin für
das. Wozu der Mensch sie halt braucht: Erfolg und Gesundheit und die
große Liebe. Das ist ein Glaube, der jedenfalls für mich fast schon eine
Beleidigung des gesunden Menschenverstandes ist. Aberglaube halt.
Scheinglaube. Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.
Der Tempel in Jerusalem ist was Anderes. Die Juden glauben an einen
Gott. Einen großen und unnahbaren Gott, der redet durch seine Propheten:
sperrig, kritisch, vollmächtig. Ein Gott der aneckt im eigenen Volk. Das
ist mal was Anderes als die Gottchen, die den Menschen angeblich alle
Wünsche erfüllen. Das hat mich neugierig gemacht. Und dann habe ich sie
mir gekauft. Eine Rolle mit dem ganzen Propheten Jesaja. Und auf dem
Heimweg saß ich auf meinem Wagen und las den Propheten Jesaja, laut und
immer wieder. So lernte ich Philippus kennen. Keine Ahnung, wo der
herkam. Den schickte der Himmel. Nicht nur, dass er sich mit Jesaja
auskannte. Er wusste auch, was der Prophet Jesaja da prophezeit hatte
und dass manches gerade erst in Erfüllung gegangen war. Der große und
unnahbare Gott war ein Mensch geworden, der Jesus von Nazareth hieß und
genauso sperrig, kritisch und vollmächtig war, wie er selber. Deshalb
hatte man ihn an ein Kreuz geschlagen und in ein Grab verbannt. Aber
dort ist er nicht geblieben. Ich hörte gebannt zu, was dieser Philippus
erzählte, und es passte genau zu dem, was ich bei Jesaja gelesen hatte.
Fast hätte ich vergessen, den Philippus auf meinen Wagen zu bitten. Aber wir
haben auch bald angehalten.
Ein Jude konnte ich niemals werden. Aber zu diesem Jesus und seiner
unglaublichen Geschichte kann man gehören. Taufe hat Philippus das
genannt. Taufe mit Wasser und Geist. Taufe mit dem Geist dieses Jesus
Christus und mit Wasser von dieser Welt. Sie glauben es nicht: Wir haben
Wasser gefunden, mitten in der Wüste. Wenn das kein wunderbares Zeichen
ist. Und so bin ich als Christ aus dem Urlaub zurückgekommen. Nicht nur
gut erholt, sondern fröhlich. Denn meine Jesajarolle war jetzt wirklich
meine Jesajarolle. Was da drin stand, es galt auch für mich.
Gestatten, ich bin Philippus.
Feierlich vor kurzem zum Diakon berufen zur Entlastung der Prediger.
Zuständig für die Armenspeisung und den Tischdienst allgemein. Und Sie
sehen ja selbst, wo ich mich gerade befinde. Ich laufe mitten in der
Wüste am Wagen eines schwarzen Mannes, der laut aus dem Propheten Jesaja
liest, und endlich auf die Idee kommen könnte, mich auf den Wagen zu bitten.
Dann erkläre ich ihm alles. Diakon hin Prediger her. Ich kann mir schon
vorstellen, was Petrus sagen wird, wenn ich heimkomme. Er wird die
Augenbrauen hochziehen und süffisant fragen, welche Ausrede mir diesmal
wieder einfällt, vielleicht der Heilige Geist? Petrus hält viel von
klaren Strukturen und mit Kirche kennt er sich aus. Du bist von der
Gemeinde gewählt und der Tischdienst ist dein Kerngeschäft, wird er
sagen, basta! So ist die katholische Kirche entstanden.
Aber vielleicht wird es ihn milde stimmen, wenn ich ihm von der Taufe
erzähle und von dem ersten Christen in Äthiopien. Petrus wird mich
sicher fragen, ob ich ihn auch genügend darüber aufgeklärt habe, was er
als Christ nun zu tun und zu lassen hat. Und ich werde ihm ehrlich
antworten, dass ich dazu gar nicht mehr gekommen bin, weil der Heilige
Geist schon wieder den nächsten Termin für mich gemacht hatte. Nein, ich
werde mir einen anderen Grund einfallen lassen und mir sein
Kopfschütteln anschauen: Philippus, Philippus, das Wichtigste hast du
wieder vergessen!
Gestatten noch mal, der Heilige Geist.
Ich wehe, wo ich will. Ich bin viel unterwegs. Damit zusammenkommt, was
zusammengehört: Himmel und Erde, Feuer und Wasser, Gottes Geist und des
Menschen Geist, Schöpfer und Geschöpf. Vieles gehört zusammen, auch wenn
ihr dachtet, es gehört nicht zusammen und es kann zusammen nicht kommen.
Für Euch mag das gelten, aber nicht für mich.
Auch du bist getauft auf meinen Namen? Deshalb gehören wir zusammen. Mit
Wasser bist du getauft und mit Feuer von meinem Feuer. Feuerwasser der
besonderen Art. Es macht nicht besoffen, sondern klar. Denn ich bin der
beste Freund des gesunden Menschenverstandes, der offenen Augen und
Ohren, gerade für die Gottlosen, für die Verlorenen, für die Seufzenden,
für die Unterdrückten und Ausgebeuteten. Ich bin gekommen zu suchen und
selig zu machen, was verloren ist; sie alle nach Hause zu bringen ins
himmlische Vaterland. Du bist getauft auf meinen Namen? Dann gehören wir
schon zusammen, wie Feuer und Wasser, wie Gottesgeschichte und
Weltgeschichte, wie die Geschichte des Christus und deine
Lebensgeschichte. Unwiderstehlich und immer enger laufen sie aufeinander
zu. Darum zieh deine Straße fröhlich. Gute Reise und Amen.
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de)
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Text:
(26)Aber der Engel des Herrn redete zu
Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße,
die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist.
(27)Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus
Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der
Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der
war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten.
(28)Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den
Propheten Jesaja.
(29)Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu
diesem Wagen!
(30)Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja
las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest?
(31)Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?
Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
(32)Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja
53,7-8): »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie
ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund
nicht auf.
(33)In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann
seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde
weggenommen.«
(34)Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte
dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand
anderem?
(35)Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der
Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.
(36)Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser.
Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass
ich mich taufen lasse?
(37)»Philippus aber sprach: Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so
kann es geschehen. Er aber antwortete und sprach: Ich glaube, dass
Jesus Christus Gottes Sohn ist.«
(38)Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser
hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn.
(39)Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist
des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog
aber seine Straße fröhlich. |