Liebe Leser, was ist Ihrer Meinung
nach das Schönste im Leben? – Der Kirchenvater Augustin sagte: es
ist die Freude, und fügte hinzu, dass Freude auch das Ziel Gottes
mit dem Menschen sei: und zwar aller Wege Gottes mit dem Menschen.
Freude als das Schönste im Leben und als sein Ziel – und
gleichzeitig können wir sie nicht herstellen oder machen. Freude ist
und bleibt ein Geschenk.
Ja, anderen Menschen kann ich vielleicht eine Freude bereiten. Aber
bei mir selbst Freude herzustellen: da sind alle Versuche von
vorneherein zum Scheitern verurteilt – einfach weil sie etwas
Krampfhaftes und Künstliches haben – und weil man selbst sehr
schnell spürt, dass solche Freude „gemacht“ ist, „gespielt“, wie wir
dann sagen. Nein, echte Freude ist ein Geschenk, das schönste
Geschenk, wie jeder weiß, der sie erlebt hat.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass echte Freude
heutzutage selten geworden ist. Und ich frage mich, ob Freude bei
uns nicht ersetzt worden ist durch Konsum und materiellen Wohlstand,
durch „Fun-Kultur“ und „Party“. Das alles sind ja machbare Sachen –
jedenfalls für den Teil unserer Gesellschaft, der sie sich leisten
kann. Nur: die Freude, von der ich eben sprach, die können sie nicht
schaffen. Reichtum an sich macht noch nicht glücklich, Konsum
hinterlässt nur allzu oft eine innere Leere, und jeder Spaß und jede
Party geht einmal zu Ende, oft auch mit Katerstimmung als Folge.
„Voller Freude zog er seine Straße weiter ...“ – so heißt es am Ende
der Geschichte vom Kämmerer aus dem Mohrenland. „Voller Freude ...“
- Woher kommt sie, diese Freude des Äthiopiers? Und was ist der
Grund dieser Freude?
Es lohnt sich, mit diesen Fragen an der Geschichte entlangzugehen.
Das erste, was auffällt: die Freude des Kämmerers verdankt sich der
Begegnung mit einem Menschen, in den Augen des Kämmerers zufällig
und ungeplant. Die Begegnung mit Philippus war keine Verabredung.
Und nicht umsonst ist die Straße der Ort dieser Begegnung. Ganz
nebenbei bemerkt ist es für beide die Begegnung mit einem Ausländer!
Jedenfalls entwickelt sich ein Gespräch zwischen den beiden, ein
Gespräch über die Heilige Schrift. Die Apostelgeschichte zitiert
sogar die Schriftstelle: Worte des Propheten Jesaja, ein Abschnitt
aus dem Gottesknechtslied im 52. und 53. Kapitel: „Wie ein Schaf zur
Schlachtbank hin hat man ihn geführt; und wie ein Lamm vor seinem
Scherer verstummt, so öffnet auch er seinen Mund nicht. – In der
Erniedrigung ist sein Gericht aufgehoben. Sein Geschlecht – wer kann
es beschreiben? Denn sein Leben ist von der Erde weggenommen.“
Dunkle, unverständliche Worte des Propheten, jedenfalls auf den
ersten Blick. Ich will jetzt nicht über Jesaja predigen. Ich will
vielmehr einige Beobachtungen, die ich bis hierher gemacht habe,
zusammentragen.
Zunächst zu den handelnden Personen: Da fällt doch beim Kämmerer
auf, dass er, man muss heute sagen trotz seiner gesellschaftlich
hohen Stellung - immerhin Finanzminister seines Landes! -, dass er
dennoch eines nicht verloren hat: echtes Interesse für die Religion,
ja, als Äthiopier: Interesse für die Religion eines anderen Landes,
in dem Falle: des Volkes Israel. Er war sogar am Heiligtum dieses
Volkes, am Tempel in Jerusalem, von wo er sich nun auf der Rückreise
befindet. Freilich, auch das muss man sagen: Die Freude, die er
später durch die Begegnung mit Philippus fand, die hat er am Tempel
nicht gefunden. Dort blieb er ein Fremder, der nicht dazugehörte und
ausgeschlossen blieb von der Gemeinschaft, der Gemeinschaft der
Gläubigen – wie leider noch heute in so manchen Gotteshäusern dieser
Welt Fremde keine Freunde finden und ausgeschlossen bleiben von der
Feier einer Gemeinschaft.
Jedenfalls lässt sich der Kämmerer in seinem Interesse für die
Religion – Gott sei Dank – durch diese Erfahrung nicht beirren. Für
teures Geld kauft er eine oder mehrere Schriftrollen mit den
Heiligen Schriften dieses Volkes und liest. Er geht sozusagen zur
Quelle dieser Buchreligion. Und nur angesprochen, hört man ihn den
Seufzer tun, den auch heute noch Menschen tun, wenn sie das erste
Mal die Bibel aufschlagen: Wie soll ich das verstehen, wenn keiner
mich einführt?
Aber damit kommen wir zur zweiten Person in dieser Geschichte:
Philippus. Und Gott sei Dank gibt es den auch: einen Menschen, in
dem der Glaube dieses Volkes lebendig ist; einer, der von seinem
Glauben zu reden weiß; ja, einer, der so von seinem Glauben zu reden
weiß, dass er für den, der verstehen will, zum „hodegos“ - so heißt
es im Griechischen -, frei übersetzt: zum Blindenführer wird.
Ich wäre gerne als Zuhörer bei dem dann folgenden Gespräch zwischen
Philippus und dem Kämmerer auf dem Wagen dabei gewesen. Es muss
etwas anderes gewesen sein als eine Unterrichts- oder
Katechismus-Stunde in Sachen Religion; auch etwas anderes als bloßes
Fähnchen-Schwenken mit dem eigenen Glauben – liebenswert und gut
gemeint, aber das Gegenüber eben in die Rolle des Zuschauers
verbannend, der mehr oder weniger nur höflich applaudieren kann.
Nein, Philippus muss es verstanden haben, dem Kämmerer direkt ins
Herz zu sprechen. Und was heute gilt, galt wohl auch damals: dass
nur ins Herze geht, was von Herzen kommt.
Halten wir als Zwischenergebnis fest: Freude als schönste Erfahrung
des Lebens braucht nach Aussage der Heiligen Schrift nur ganz wenig:
lediglich zwei Menschen, die einander in Achtung begegnen, die einen
Blick für den anderen haben und den Mut, sich offen und interessiert
aufeinander einzulassen. Und die dabei nicht an der Oberfläche
bleiben, sondern miteinander über ihren eigenen Glauben ins Gespräch
kommen.
Den Inhalt des Gespräches zwischen Philippus und dem Kämmerer
skizziert die Apostelgeschichte lediglich in einem Satz: „Da tat
Philippus seinen Mund auf und, ausgehend von dieser Schriftstelle,
verkündigte er ihm die Heilsbotschaft von Jesus.“
Geht man auf den griechischen Text zurück, muss man übersetzen: „er
überbrachte ihm die Freudenbotschaft: J e s u s!“
- dass er jener Gottesknecht war, den der Prophet Jesaja
verheißen hatte -
- dass in Jesus Gott selbst anwesend war, Mensch geworden ist
wie wir – allerdings der Mensch, wie Gott ihn von Anbeginn der
Schöpfung gewünscht hat: nämlich Gott ähnlich, ja, sein
Ebenbild! Und der folglich in einem jeden Mitmenschen dieses
Ebenbild Gottes suchte – wenn es auch noch so verdunkelt war
durch die Macht der Sünde
- der Arzt war den Kranken
- Rechtsprecher für die Entrechteten
- Tröster den Traurigen
- Hoffnungsspender den Sterbenden.
- Und der das Leid dieser Welt durchlitt, um es in die Nähe
Gottes zu holen und mit der Hoffnung auf neues, geheiltes Leben
zu versehen.
Sie merken, auch ich skizziere lediglich Jesus, die
Freudenbotschaft. Aber letztlich können Sie das nur selbst tun: dass
Sie sich darüber klar werden, wer Jesus für Sie ist! Und
gegebenenfalls Gott bitten, dass er auch Ihnen einen Philippus
sende, der Ihnen die Schrift öffnet und Sie verstehen lässt. Der
Kämmerer jedenfalls muss in Jesus das entdeckt haben, was Paulus in
2.Korinther 3,18 so ausdrückt: „Wir aber schauen alle mit
unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit Gottes im Spiegel Jesu
Christi (...) und werden darin in eben dieses Bild hinein verwandelt
von einer Herrlichkeit zur anderen.“
Dass Gott selbst den Menschen hinein verwandelt in das Bild seiner
Herrlichkeit - ohne Bedingungen, ohne dass der Mensch es sich
verdienen müsste -, das war die Erkenntnis des Kämmerers, die ihn
dann „voll Freude“ seine Straße weiterziehen ließ. Dass er sich vorher von Philippus noch taufen ließ, war nichts
anderes als das Siegel und die Bekräftigung dessen, was dieser
liebende Gott in Jesus Christus allen Getauften persönlich
verspricht: ihn hinein zu verwandeln in die Herrlichkeit Gottes –
egal, wohin die Straße seines Lebens ihn auch führen mag.
Die heutige Geschichte und unsere eigene Taufe erinnern uns an das
Schönste im Leben, an den Grund echter Freude, und warum auch wir
„voller Freude“ auf den Straßen unseres Lebens weiterziehen können:
an den Christus für uns, der uns hinein verwandelt in das Bild der
Herrlichkeit Gottes; an den Christus in uns! Und wer weiß:
vielleicht hat ja dieser oder jener von Ihnen dadurch Lust bekommen,
sich selbst um Verständnis der Heiligen Schrift zu bemühen oder
Begegnungen zu suchen, in denen auch der eigene Glaube
Gesprächsgegenstand werden darf.
Pfarrer Rudolf Koller
(Hospitalkirche Hof) |
... zur Predigtseite der Hospitalkirche
Text:
26 Aber der Engel des Herrn redete zu
Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße,
die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist.
27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien,
ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von
Äthiopien, ihr Schatzmeister, war nach Jerusalem gekommen, um
anzubeten.
28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den
Propheten Jesaja.
29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu
diesem Wagen!
30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja
las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest?
31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet?
Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
32 Die Stelle aber der Schrift, die er las, war diese (Jesaja
53,7-8): "Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie
ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund
nicht auf.
33 In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann
seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde
weggenommen."
34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte
dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand
anderem?
35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem
Schriftwort an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.
36 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser.
Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass
ich mich taufen lasse?
37
38 Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser
hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn.
39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist
des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog
aber seine Straße fröhlich.
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