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			 Liebe Leser,  
			mit einem Sprung sind wir am Ostermontag in der Zeit nach Jesu 
			Himmelfahrt und Pfingsten, in der die erste Gemeinde in Jerusalem 
			entstanden ist und die Apostel unterwegs sind, um das Evangelium in 
			ganz Israel zu verbreiten. In ganz Israel wohlgemerkt.  
			 
			Wir erfahren, dass der auferstandene Christus seine Mission nicht 
			einfach in die Hände der Apostel legt und ihr in seiner Herrlichkeit 
			zuschaut, sondern sich als der Abwesende als sehr anwesend erweist 
			und in das, was seine Jüngerinnen und Jünger tun, immer wieder 
			überraschend eingreift. Das verlangt von allen Beteiligten 
			ungewohnte Lernprozesse. Zum Beispiel bei einem römischen Hauptmann 
			namens Cornelius, der eines schönen Tages deutlich einen Engel bei 
			sich eintreten sieht, der ihn nicht etwa zu einem gewissen Petrus 
			schickt, sondern ihn auffordert, nach ihm schicken zu lassen. Wenig 
			später blicken wir in das verblüffte Gesicht des Apostel Petrus, der 
			von seltsamen Träumen heimgesucht wird und zu einem heidnischen 
			Hauptmann gehen soll, für den er - missionstechnisch betrachtet - 
			überhaupt nicht zuständig ist. Der Auferstandene baut seine Kirche 
			also anders, als alle Beteiligten denken. Und das hat sich zum 
			Leidwesen aller Kirchenleiter und –lenker bis heute nicht geändert. 
			Das Wort und die Weisung des Auferstandenen immer wichtiger und sich 
			selbst entsprechend immer unwichtiger nehmen – so lautet auch heute 
			der gute Rat unseres Predigttextes an das kirchliche 
			Führungspersonal. Oder anders gesagt: Gutes Führungspersonal erkennt 
			man in der Kirche gerade daran.  
			 
			Petrus braucht eine Weile dazu. Gleich dreimal hat er eine Vision, 
			in der ihm vom Himmel herab allerlei Getier präsentiert wird, dessen 
			Verzehr er aus religiösen Gründen strikt ablehnen muss. Und eine 
			Stimme sprach zu ihm: Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht 
			verboten (Kap 10/15). Ein Ausleger schreibt: „Gerade der Glaube an 
			Gott kann eine besondere Steifnackigkeit und Dickköpfigkeit bei 
			Gläubigen zur Folge haben.“ (Eduard Berger, GPM 1/1996, Heft 2, S. 
			202). Oder sagen wir es ein wenig anders: Die eigene religiöse 
			Sozialisation kann mit dem, was der auferstandene Christus will, in 
			Konflikt geraten. Die eigenen Werte, von denen heute so viel die 
			Rede ist, sind als letzter Horizont – und seien sie noch so religiös 
			begründet - völlig ungeeignet, wenn der lebendige Christus seine vom 
			Tod bedrohte Welt heimbringen will in den Frieden Gottes. Bevor dem 
			Heiden Cornelius die Predigt des Evangelium aus dem Munde des Petrus 
			gehalten werden kann, muss es der Auferstandene erst einmal mit der 
			Religion des Petrus aufnehmen und gewinnen, wenn auch nicht 
			endgültig und zum letzten Mal.  
			 
			Denn „die Kirche Christi ist (nichts anderes als das) Instrument 
			Gottes zur Einholung immer weiterer Teile der Menschheit in sein 
			Friedensreich. Die Rolle der Menschen ist dabei „nur“ die gehorsamer 
			Zeugen. Von daher gesehen ist es tief beunruhigend und fragwürdig, 
			wie groß und wie laut wir Menschen in der Kirche von heute sind, und 
			wie mitunter der Eindruck entsteht, es habe ein Rollentausch 
			stattgefunden, demzufolge nun Gott es ist, der bezeugt, beglaubigt 
			und vollzieht, was wir Menschen (planen,) sagen und tun. An Petrus 
			sehen wir, welcher Mühe und welches Nachdrucks es bedarf, um Petrus 
			zum Zeugen zu machen, um ihn von seinen bisherigen, wie er glaubt, 
			gottgemäßen Vorstellungen über Reinheit und Unreinheit, über die 
			Gottesferne und Gottesnähe von Menschen abzubringen und ihn in 
			Bewegung zu setzen, um Cornelius auszurichten, was ihm von Gott 
			aufgetragen ist.“ (Eduard Berger ebd.)  
			 
			Halten wir fest: Ein mit Religion, Spiritualität und ehernen Werten 
			aufgeblasener Mensch, ist und bleibt nichts anderes als ein 
			aufgeblasener Mensch. Solche kann Gott zu gar nichts gebrauchen. Der 
			Auferstandene braucht Zeugen, durch die sein Geist hindurchblasen 
			kann. Der Auferstandene braucht Zeugen, die transparent werden für 
			das Evangelium und für den, von dem es redet. Petrus aber tat seinen 
			Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die 
			Person nicht ansieht, sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und 
			recht tut, der ist ihm angenehm.  
			 
			Jetzt ist Petrus soweit, dem Hauptmann Cornelius die Predigt zu 
			halten, in der das, was da in Judäa bei den Juden geschehen ist, 
			aller Welt angesagt wird. Der, den man in Jerusalem ans Holz gehängt 
			hat, blieb nicht in seinem Grab. Er wurde auferweckt und bestimmt 
			zum Richter über Lebende und Tote. Der Judenmissionar Petrus 
			begreift wohl mitten im Reden, dass sich seine Mission nicht auf die 
			Juden begrenzen lässt, sondern aller Welt gilt. Noch im Predigen für 
			den vermeintlichen Heiden Cornelius weitet sich erst einmal der 
			Glauben des Petrus. Wer hätte das gedacht!  
			 
			Aber so geht es nicht nur Predigern auf der Kanzel, sondern allen, 
			die anderen ihren Glauben bezeugen und von ihm reden. Gerade dann, 
			wenn sie dies nicht im Kreise von Ihresgleichen tun, sondern auf 
			Augenhöhe mit allen, die Gott ihnen über den Weg führt. Es gehört ja 
			schon immer zur Tragik sogenannter besonders streng- oder 
			rechtgläubiger Gruppen und Grüppchen, dass das gegenseitige Bezeugen 
			des eigenen Glaubens immer gesetzlicher, immer unerfreulicher, vom 
			Evangelium her gesehen immer mickriger wird. Überall dort, wo der 
			Auferstandene eingesperrt wird in den geschlossenen Kreis und die 
			eigenen Richtigkeiten, verabschiedet er sich früher oder später. 
			Dort kann sein Geist nicht mehr wehen und blasen.  
			 
			Bei Cornelius und den Seinen kann er es umso mehr. Noch während die 
			überaus kurze und nicht gerade mitreißende Lehrpredigt des Petrus 
			erklingt, fällt der Heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten – 
			zum Entsetzen der mit Petrus mitgereisten christusgläubig gewordenen 
			Juden. So wie später die Katholische Kirche zugeben musste, dass 
			Indianer auch Menschen sind, weil sie des katholischen Glaubens 
			fähig sind, so bleibt Petrus und den Seinen nichts übrig, als diese 
			Römer zu taufen, in denen der Christusgeist so offensichtlich wirkt. 
			So bringt die Osterbotschaft und der Glaube an den Auferstandenen 
			die damalige Welt ganz schön durcheinander. Aus Feinden werden 
			Schwestern und Brüder und eiserne Vorhänge der Religion bekommen 
			große Löcher. Und heute?  
			 
			Wir müssen wieder missionarische Kirche sein, ist seit Jahren in 
			fast jedem Kirchenpapier zu lesen. Und bei Facebook klickt das vom 
			Niedergang der Religion in unseren Landen frustrierte 
			Christenhäuflein mutig auf „Gefällt mir“, um den Glauben zu retten. 
			„Du hast keine Chance, aber nutze sie“. Diese paradoxe und tief 
			traurige Sentenz von Herbert Achternbusch könnte als Motto über so 
			vielen Sitzungen von Kirchengremien stehen, in denen nach einem 
			geistlichen Impuls (wie das heute heißt) über Mitgliedschaftsstudien 
			und Ehrenamtsstudien, über demographische Entwicklung und die Kirche 
			in 30 Jahren geredet wird und welche Konsequenzen wir daraus zu 
			ziehen haben. Die Grenze zur Kaffeesatzleserei ist dabei oft und 
			schnell erreicht und ebenso mühelos wie trostlos überschritten.
			 
			 
			Es ist deshalb höchste Zeit, dass wir uns heute am Ostermontag 
			Petrus einladen und ihn erzählen lassen. Ihn erzählen lassen, wie 
			Gott ihn zum Zeugen des Auferstandenen machte an völlig ungewohntem 
			Ort. Wie ihm beim Predigen die Grenzen seiner bisherigen 
			Glaubenssätze entschwanden. Wie ihm klar wurde, dass es nur eine 
			Kraftquelle und Macht in der Kirche gibt: Dass das Wort und der 
			Geist des Auferstandenen durch sie hindurchweht. Und wie sich ihm, 
			während seiner zugegeben nicht sonderlich zündenden Predigt, der 
			Auferstandene selbst bezeugte: als Herr und Richter der Lebenden und 
			der Toten. Da kann dann alles andere getrost und fröhlich in die 
			Tonne getreten werden!  
			
		
			
		Pfarrer Johannes Taig    
		(Hospitalkirche 
		Hof) (weitere Predigten von 
		Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
			
			www.kanzelgruss.de) 
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			 Text: 
			34 Petrus aber tat seinen Mund auf und 
			sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht 
			ansieht; 
			35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist 
			ihm angenehm. 
			36 Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt 
			durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle. 
			37 Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von 
			Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, 
			38 wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und 
			Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund 
			gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. 
			39 Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land 
			und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. 
			40 Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen 
			lassen, 
			41 nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten 
			Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er 
			auferstanden war von den Toten. 
			42 Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, 
			dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der 
			Toten. 
			43 Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, 
			die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen. 
			 
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