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       Liebe Leser, 
      Erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. So ging es auch dem 
      Apostel Paulus und seinem Mitarbeiterteam. Gleich mehrmals kommen sie mit 
      ihrem großen Missionseifer nicht voran. Das ist doppelt erstaunlich. Denn 
      erstens braucht die damalige heidnische und gottlose Welt jede Menge 
      Mission. Das sagen heute auch viele von der Welt. Außerdem ist die Kirche 
      damals eine wirklich mickrige Größe nicht nur auf der religiösen 
      Landkarte. Das sagen heute auch viele von der Kirche. Und zweitens ist 
      der, der sich Paulus in den Weg stellt, und seinen Eifer bremst niemand 
      anders, als der Heilige Geist, der Geist Jesu selbst. Das ist mal was 
      erstaunlich Neues! 
       
      Das kann auch eine Wirkung des Heiligen Geistes 
      sein, wenn jemand einen schon eingeschlagenen Weg nicht weitergeht. Etwas, 
      was er sich vorgenommen hat, nicht weiterverfolgt. Etwas, was er unbedingt 
      loswerden und sagen wollte, nicht weitersagt. Manchen von uns hält in 
      seinem Lauf ja oft weder Ochs noch Esel auf. Hoffentlich dann wenigstens 
      der Geist Jesu. 
       
      Und was für uns als einzelne gilt, gilt erst recht für uns als Gemeinde. 
      Wenn uns schon sonst nichts aufhält in unserem Lauf, dann wenigstens der 
      Geist Jesu. Denn schließlich ist er der Herr der Kirche. Denn schließlich 
      weiß er besser als wir, was wer und zu welcher Zeit braucht. Was die 
      Kirche heute braucht, darüber wird viel diskutiert. Wenn die Kirche schon 
      im wirklichen Leben vor Ort immer mehr schwindet, warum dann keine 
      virtuelle Kirche, keine Onlinekirche? Kirche mit der man nur noch per Post 
      oder Bildschirm Kontakt haben kann, wenn einem die Leute vor Ort nicht 
      gefallen. Man braucht nur im stillen Kämmerlein seinen Text in die Tasten 
      hämmern und schon gehört man zu einer Kirche, deren Menschen mit ihren 
      Problemen man nicht mehr wahrnehmen muss. Kirche, die man abschalten und 
      wegzappen kann, wenn sie nervt. Kirche, in der der Kunde endlich König 
      ist. Und wenn der Pfarrer etwas macht, was mir nicht passt, dann trete ich 
      eben aus der Kirche aus und such mir eine andere. 
       
      So höre ich es ein paar Mal pro Jahr. Und ich finde es, wie jede andere 
      Form der Erpressung, gar nicht zum Lachen, aber bestimmt alle Engel im 
      Himmel. Denn es geht ja nicht um die Frage, ob in der Kirche nun der Kunde 
      König ist, oder noch schlimmer, die Pfarrer und Geistlichen. Königlich an 
      der Kirche ist ihre Kunde, ihre Botschaft und der Herr, von dem sie 
      erzählt. 
       
      Und so stellt sich schon in den Anfängen der Kirche Jesus selbst in den 
      Weg, wenn die hoch motivierten und hocheifrigen 
      Glaubensvertreter sich verzetteln in blindem Aktionismus und in ihren 
      eigenen besten Absichten. Durch solche Erfahrung gebildet, kann Paulus 
      später selbst einem Petrus ins Angesicht widerstehen, der aus der Kirche 
      eine Ansammlung von Moralaposteln machen möchte. Weil wir doch wissen, 
      dass der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch 
      den Glauben an Christus Jesus. (Gal 2/16) 
       
      Und deshalb möchte unser Herr Jesus Christus in seiner Kirche nicht aufs 
      Podest gestellt und als Prinzip hochgehalten werden, sondern möchte als 
      der Gegenwärtige ernst- und wahrgenommen werden. Wie das geht, dazu hat 
      unser Predigtext etwas zu sagen. 
       
      Zum ersten: Geistliche Entscheidungen über den persönlichen Glaubensweg 
      und den Weg der Gemeinde reifen nicht im allgemeinen Geschwätz und in der 
      allgemeinen Meinung, sondern im vertraulichen Gespräch von 
      Glaubensgeschwistern. 
       
      Immerhin geht es hier um die Entscheidung zur Europamission. Sie fällt auf 
      eine Weise, über die man sich leicht lustig machen kann. Paulus träumt von 
      einem Mann aus Mazedonien in Griechenland, der zu ihm sagt: Komm und hilf 
      uns. Leicht ist so ein Traum psychologisch als Wunschvorstellung entlarvt, 
      wie der Traum von dem Mann von der Lottoverwaltung, der eines Tages an der 
      Tür klingelt und sagt: Sie haben eine Million gewonnen. 
       
      Als Paulus aber den Traum gesehen hatte, da wollten wir bald nach 
      Mazedonien reisen, weil wir sicher waren, dass Gott uns dahin berufen 
      hätte. Paulus hat sich beraten. Er hat sich mit seinen 
      Glaubensgeschwistern, mit seinem Team, mit seinem Kirchenvorstand 
      zusammengetan. Teamarbeit ist die ursprünglichste und geistlichste Form 
      des Gemeindelebens. Was sie damals geredet haben, geht uns nichts an. Aber 
      das Ergebnis zählt. Ohne dieses Ergebnis hätte es vermutlich kein 
      christliches Abendland gegeben. 
       
      Akzeptieren wir in unserer Gemeinde, was andere über ihr Leben und das 
      Leben unserer Gemeinde beraten haben? Interessieren wir uns überhaupt 
      dafür. Haben wir selbst jemanden, mit dem wir uns geistlich und 
      vertraulich beraten können? Oder ist die vorherrschende Form der 
      Kommunikation in unserer Gemeinde das Geschwätz? 
       
      Zum Zweiten: Kommunikation unter Christen und Kommunikation mit 
      Nichtchristen ist Kommunikation des Evangeliums. Sie dient keiner 
      Weltanschauung, hat nicht das Ziel christliche Werte hochzuhalten, ist 
      keine Propaganda für oder gegen die Kirche und kein Teil des 
      Weltkulturerbes. Rechte Verkündigung im Reden und Zusammenleben hat nur 
      ein Ziel: Zu helfen. Kommt, sagt der Mann aus Mazedonien und helft uns. 
      Rechte Verkündigung wird daran bemessen, dass sie hilft, und rechte Hilfe 
      daran, dass sie dem Evangelium entspricht. 
       
      Genauer: Dem Evangelium vom auferstandenen Christus, der für uns gestorben 
      ist, damit die Welt mit Gott versöhnt wird. Dieses Evangelium will uns 
      helfen, als mit Gott, mit uns und mit anderen versöhnte Menschen auf der 
      Welt zu sein. Kommunikation und Verkündigung des Evangeliums ist deshalb 
      immer Hilfe zur Versöhnung, die alle Menschen brauchen, am meisten aber 
      die Christen, weil sie darum eigentlich wissen sollten. 
       
      Wie viel wir davon wissen, kann an dem Grad bemessen werden, in dem 
      Menschen in unserer Gemeinde Lebens- und Glaubenshilfe finden und geben 
      können. Wie wenig wir davon wissen, können wir an dem Grad bemessen, in 
      dem Menschen in unserer Gemeinde einander das Leben schwer machen und 
      zerstören, vom bösen Gerede bis zur seelischen und körperlichen Gewalt. 
      Wir können es bemessen an dem Grad, in dem Menschen zur Versöhnung fähig 
      werden oder die Müllhaufen ihrer schmerzlichen Vergangenheiten sorgsam 
      pflegen. 
       
      Rechten Glauben erkennt man daran, dass er Menschen zu ihrem Leben und zur 
      Versöhnung hilft. Und deshalb haben wir vor allem für uns selbst immer 
      wieder um die rechte Kraft der Verkündung zu bitten. Paulus komm und hilf 
      uns. 
       
      Zum dritten: Kirche ist ein Zuhause für alle. Zuhause ist dort, wo mein 
      Herz schlägt. In der Kirche ist man nicht mit seiner Kultur und seinem 
      Verstand Zuhause, sondern mit seinem Herzen. Nichts 
      an der Kirche wirkt abstoßender als eine herzlose Orthodoxie und eine 
      hartherzige Orthopraxie. Zu Deutsch: Immer richtig denken und reden und 
      handeln. Ausnahmen gibt’s nicht. 
       
      Was wäre das statt dessen für eine lebendige Kirche, in der man mit dem 
      Herzen ganz fest Zuhause ist, und im Denken, Reden und Handeln frei wäre 
      für das Alte und das Neue, das Eigene und das Fremde, für die eigene 
      Lebensgestaltung und die des andern, den eigenen Weg und den des andern. 
      Voraussetzung dafür ist, dass die Ohren unseres Herzens wirklich am 
      Evangelium hängen.  
       
      Eine solche Kirche ist im Sinne des Evangeliums. Deshalb sucht sich der 
      Geist Jesu immer wieder Menschen, die dafür bereit sind. Das sind nicht 
      immer die Menschen, die wir im Blick haben, wie unser heutiger Predigttext 
      erzählt. 
       
      Der Geist Jesu führt Paulus und die Seinen nach Philippi. Und die erste, 
      die sich bekehrt ist eine Fremde, eine Frau, Besitzerin der teuersten 
      Boutique am Platze. Sie stammt nicht aus Philippi, hält sich zu einer 
      kleinen jüdischen Gemeinde am Ort, in der sie nie ganz heimisch werden 
      wird und sie ist eine Frau. 
       
      Dieser tat der Herr das Herz auf und lässt sie nach Hause kommen in die 
      Gemeinschaft der Christusgläubigen. Wenn ich nun zu Euch und Euerem 
      Glauben gehöre, dann fühlt Euch auch bei mir zu Hause, sagt sie. Und da 
      bleibt Paulus und den Seinen gar nichts anderes übrig, als ein paar Tage 
      in sehr angenehmen Verhältnissen zu verbringen. 
       
      Und so schließt sich der Kreis unseres Predigttextes. Der in Gemeinschaft 
      gefundene Ratschluss nach Griechenland zu reisen, endet in neuer 
      Gemeinschaft. Ungeistliche Ratschlüsse, spalten, verletzen, zerstören. 
      Geistliche Ratschlüsse führen zusammen, heilen und bauen Gemeinde. 
      Geistliche Ratschlüsse sind Ratschlüsse des Herzens und nicht des Kalküls. 
      Da tat der Herr ihr das Herz auf. 
       
      Haben wir danach nicht manchmal noch Sehnsucht? Nach einer Kirche der 
      offenen Herzen, der offenen Blicke, der offenen Worte? Eine anonyme 
      gesichtslose und herzlose Kirche, das wäre doch wirklich vom Plus zum 
      Minus gedacht. Aber in der Gefahr stehen wir immer. Hoffentlich steht uns 
      dann wenigstens der Geist Jesu im Weg. 
       
        
      
        Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      
      Text: 
      
       16,6 Sie zogen aber durch Phrygien und das
      Land Galatien, da ihnen vom heiligen Geist verwehrt
      wurde, das Wort zu predigen in der Provinz Asien. 
      16,7 Als sie aber bis nach Mysien gekommen waren, 
      versuchten sie, nach Bithynien zu reisen; doch der 
      Geist Jesu ließ es ihnen nicht zu. 
      16,8 Da zogen sie durch Mysien und kamen hinab 
      nach Troas. 
      16,9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein 
      Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm 
      herüber nach Mazedonien und hilf uns! 
      16,10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da 
      suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, 
      gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen 
      das Evangelium zu predigen. 
      16,11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs
      nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 
      16,12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt 
      des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römischem 
      Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser 
      Stadt. 
      16,13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt 
      an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte,
      und wir setzten uns und redeten mit den Frauen,
      die dort zusammenkamen. 
      16,14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen 
      Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, 
      hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass 
      sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde. 
      16,15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat 
      sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an 
      den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt 
      da. Und sie nötigte uns.  |