Liebe Leser,
am Sonntag Trinitatis haben wir das Wesen
Gottes zu bedenken. Das Dreieinigkeitsfest scheint ein besonders
anstrengendes Fest zu sein, und ich weiß nicht, wie es ihnen geht,
aber nach dem Hören des Predigttextes stellt sich eine gewisse
Erschöpfung ein. Aber damit ist angezeigt, dass wir von Gott mehr zu
sagen wissen als: Gott ist groß und Jesus ist sein Prophet. Und auch
mehr zu sagen wissen, als der durchschnittliche Bürger unseres Land,
der immer noch mehrheitlich an irgendein höheres Wesen glaubt, dass
es irgendwie schon geben müsste. Weitere Auskünfte fallen dann
höchst unterschiedlich aus und scheinen aus allem Möglichen und aus
allen möglichen Religionen selbst zusammengebastelt zu sein. Vom
sogenannten Erbe des christlichen Abendlandes erblickt man da ehr
wenig.
Nehmen wir also unseren Predigttext als Anzeige dafür, dass von
unserem Gott zu reden eine höchst reichhaltige Angelegenheit ist.
„Es kommt ein Schiff geladen, bis an sein höchsten Bord. Trägt
Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort.“ (EG 8) So könnten
wir unseren Predigttext mit dem Adventslied trefflich beschreiben.
In der heutigen Epistel aus dem Römerbrief ruft Paulus aus: „O welch
eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis
Gottes! … Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm
sei Ehre in Ewigkeit! (Rm 11/33,36)
Es kann heute deshalb nicht darum gehen, wenigstens ein bisschen was
auszuladen aus dem vollgeladenen Schiff und es sozusagen mit kleiner
Münze auszuzahlen. Auch nicht zur Verteidigung. Nein, dieser Gott
hat Himmel und Erde geschaffen, aber nicht in einer Art Offenbarung
dem Menschen den Fußball übergeben, wie einst Prometheus das Feuer.
Vertiefen wir nicht weiter, ob er Fangemeinden nötig hat und eine
LaOla-Welle zu seiner Ehre. Nehmen wir an, der Ewige hat Humor und
wir sollten ihn daher in den nächsten Wochen der Europameisterschaft
auch nicht verlieren, besonders nicht in der Kirche. Ja, jetzt wird
wieder Geschichte geschrieben, tönt es aus dem Fernseher. Auf Sat1
wird zum Fußballgott gebetet. Und man meint im Hintergrund schon das
Gelächter der himmlischen Heerscharen zu hören.
Geschichte wird woanders geschrieben. Ja, die eigentliche Geschichte
dieser Welt und ihrer Menschen wird dort geschrieben, wo man es
eigentlich gar nicht vermutet. Es gehört zu den größten Geheimnissen
unseres Gottes, dass er eben kein in sich unveränderliches, ewig in
sich ruhendes, von nichts berührtes Wesen ist, sondern dass er
selbst eine Geschichte hat und eine Geschichte ist. Wer das
Geheimnis seines Wesen schauen will, muss deshalb eine Geschichte
erzählen.
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns
gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass
wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe hat
er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus
Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens.
Wenn das keine große Geschichte Gottes ist! Kein Wunder, dass sie
weiter reicht als diese Welt, als Raum und Zeit. Ein großes Wunder
aber, dass diese Geschichte Gottes keine Geschichte ohne uns sein
will, ja die menschliche Geschichte und die Weltgeschichte überhaupt
umfasst. Gott als Geheimnis der Welt und unseres Lebens? Genauso ist
es.
Geheimnisse sind keine Rätsel. Rätsel kann man lösen. Geheimnisse
muss man stehen lassen. Man kann sie benennen. Man kann sie
bestaunen. Aber man muss sie stehen lassen. Dass Gottes Geschichte
das Geheimnis der Weltgeschichte ist, gehört dazu.
Wie aber soll das gehen? Wie kommt Gott als Geheimnis in die
Geschichte unseres Lebens und unserer Welt? Durch ein noch größeres
Geheimnis. „In Christus“ schreibt Paulus ein ums andere Mal. Als
wäre das so etwas wie das Scharnier, dass Gott und Welt miteinander
verbindet, so dass Welt und Gott nun für immer zusammengehören. Und
in der Tat: Ohne den Christus, ohne die Menschwerdung Gottes, ohne
die Geburt Gottes im Menschen (Meister Eckhart), bliebe Gott und
seine Geschichte dort und wir hier. „Denn Gott hat uns wissen lassen
das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in
Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt
wäre, dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel
und auf Erden ist.“ Gesucht, gefunden, nach Hause gebracht in die
gemeinsame Zukunft des ewigen Gottes und seiner sterblichen
Geschöpfe: In Christus! Wo geht der Tod Gott ans Leben? Im
gekreuzigten Christus! Wo hat der Tod auf immer verloren? Im
auferstandenen Christus! Wie haben wir Anteil daran? Im Heiligen
Geist!
Kein Wunder, dass der Heilige Geist im Evangelium seinen ersten
öffentlichen Auftritt bei der Taufe Jesu hat. (Mt 3/13ff.) Der
Heilige Geist kommt herab auf den im Jordan stehenden Jesus und vom
Himmel spricht es: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich
Wohlgefallen habe.“ Mit der Taufe legt der Heilige Geist den
Christus und uns wie ein Blatt ein in das Buch der Geschichte
Gottes.
Dem chinesischen Prediger Nee Shu-Tsu, besser bekannt als Watchman
Nee, ist dieses Bild eingefallen. In einer seiner Predigten nahm er
„ein kleines Buch in die Hand und legte ein Stück Papier hinein:
Schaut jetzt genau hin, sagte er. Ich nehme dieses Papier. Es ist
ein Ding für sich, unabhängig von diesem Buch. Da ich im Augenblick
keine andere Verwendung für dieses Papier habe, lege ich es in das
Buch hier. Mit dem Buch tue ich jetzt etwas. Ich sende es mit der
Post nach Schanghai. Ich gebe nicht das Papier auf, denn das habe
ich in das Buch getan. Was wird nun aus dem Papier? Kann das Buch
nach Schanghai gehen und das Papier hier bleiben? Kann das Papier
ein von dem Buch unabhängiges Schicksal haben? Nein, wo das Buch
hingeht, da geht auch das Papier hin. Wenn ich das Buch in den Fluss
werfe, fällt auch das Papier in den Fluss. Ziehe ich das Buch
schnell wieder heraus, dann bekomme ich auch das Papier wieder. Was
das Buch durchmacht, das macht auch das Papier durch, denn es ist
noch immer darin.” (Gisela Schneemann, GPM, Heft 2, 2000, S.287)
Mit der Taufe legt der Heilige Geist uns wie ein Blatt ein in das
Buch der Geschichte Gottes. Wer das mit der eigenen Geschichte mehr
oder weniger schön und voll geschriebene Blatt seines Lebens einmal
so betrachtet, betrachtet es noch einmal neu. Der macht noch einmal
eine neue Erfahrung mit seiner Erfahrung. Und besonders die losen
Blätter, die vom Wind böser Geschichte und vom blinden Zufall eines
bösen Schicksals bald hierhin und dorthin auf immer neue Abgründe
zuzutreiben scheinen, dürfen Hoffnung schöpfen. Keine ungefähre,
sondern die gewisse Hoffnung darauf, dass Gott und der Christus,
verbunden und angetrieben durch das Band der Liebe, dem Heiligen
Geist, eine Geschichte schreiben, die weit offen ist und zwischen
ihren Seiten noch Platz hat, gerade für die scheinbar verlorenen
Blätter. Eine Geschichte, die nichts besseres weiß, als gerade diese
scheinbar verlorenen Blätter einzubinden in die herrliche Geschichte
Gottes, - damit gerade sie etwas seien zum Lob
seiner Herrlichkeit.
Gibt es ein schöneres Bild für Erlösung als dies: Dass dein und mein
Leben einmal nicht enden muss als ein zusammengeknüllter Fetzen im
Altpapier der Geschichte, sondern einmal Platz finden darf zwischen
den goldenen Buchdeckeln der Geschichte Gottes? Dann werden nicht
einmal deine und meine Untaten und die Untaten der ganzen
Menschengeschichte ankommen gegen das, was Gott in seiner Geschichte
für uns getan hat - dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner
Herrlichkeit.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof) (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
Paulus schreibt:
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn
Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im
Himmel durch Christus.
4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war,
dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten; in seiner Liebe
5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus
Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens,
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in
dem Geliebten.
7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der
Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade,
8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und
Klugheit.
9 Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach
seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte,
10 um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass alles
zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.
11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu
vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach
dem Ratschluss seines Willens;
12 damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor
auf Christus gehofft haben.
13 In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt,
nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit – in ihm seid auch ihr,
als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist,
der verheißen ist,
14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung, dass
wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
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