| 
			 Liebe Leser,
  am vergangenen Dienstag schrieb der 
			Schriftsteller Navid Kermani in der FAZ: „Die „New York Times“ 
			veröffentlichte vergangene Woche ein Dossier, das allen 247 Menschen 
			ein Gesicht gibt, die Mitte März etwa zur gleichen Zeit weltweit bei 
			dschihadistischen Anschlägen umgekommen sind, in Belgien, in der 
			Türkei, in Pakistan, in der Elfenbeinküste und in Nigeria, am 
			Flughafen, in einer U-Bahn-Station, auf Straßen und Plätzen, in 
			einem Bus, in einem Park, in einem vollbesetzten Fußballstadion, in 
			einer Ferienanlage und in einer Moschee. Diese Opfer gehörten keiner 
			einzelnen Kultur, Konfession oder Nation an - blickt man auf ihre 
			Gesichter, schaut man auf ihre Kleidungen, lernt man ihre 
			Biographien kennen, erfährt man von ihren Träumen und was sie in dem 
			Augenblick beschäftigte, als sie aus dem Leben gerissen wurden, dann 
			ergibt sich fast so etwas wie ein Panoptikum unserer Zeit und 
			Menschheit. Auch als der Terror des Islamischen Staates Ansbach 
			traf, hatte ein Selbstmordattentäter des IS wenige Stunden vorher in 
			Kabul achtzig friedliche Demonstranten in die Luft gesprengt, 230 
			verletzt. Erst wenn wir begreifen, dass wir gemeinsam angegriffen 
			werden, gleich ob wir in Mittelfranken oder Afghanistan leben, 
			können wir uns auch gemeinsam wehren.“ (Navid Kermani, Was uns in 
			dieser Lage möglich ist, 
			
			FAZ vom 02.08.2016) 
			 
			Was ist das, was uns alle angreift? Wir spüren, wie wenig unsere 
			Versuche bringen, im Sinne der Aufklärung Gründe dafür zu finden, 
			warum sich junge Männer in die Luft sprengen und andere mit in den 
			Tod reißen. Was hat im letzten Jahrhundert junge deutsche Männer 
			dazu gebracht, mit Freuden in den Krieg zu ziehen und für ihren 
			Führer Adolf Hitler unsägliche Verbrechen zu begehen? Oder russische 
			junge Männer, für Stalin die Gulags zu betreiben? Wir kommen nicht 
			darum herum, zuzugeben, dass wir ohne mythische Rede nicht 
			auskommen, um zu beschreiben, womit wir es zu tun haben. Immer 
			bleibt da mehr zu beschreiben, als das, was einzelne Menschen aus 
			welchen Gründen auch immer aus sich selbst hervorbringen. Wir haben 
			es mit Mächten und Gewalten zu tun und deshalb leuchtet das, was 
			unser Predigttext beschreibt, sofort ein: Der Teufel nicht in 
			unterirdischer Quarantäne, sondern die Atmosphäre schwängernd. Die 
			Hölle liegt wieder in der Luft.  
			 
			Hier geht es eben nicht um Moral, sondern um eine 
			Zustandsbeschreibung der Welt und des Menschen, die so viel mehr 
			sagen kann, als die Vernünfteleien der Hilflosen. Deshalb sieht ein 
			Ausleger uns von Selbstverdummung bedroht und fragt zurecht: „Ist 
			unser Zeitalter etwa nicht zugewuchert von halb verwesten, 
			scheintoten bis aggressiv-vitalen Mythen? Wirkt sich nicht die 
			mythenkritischste Bewegung der Menschheit, die Aufklärung, längst 
			als Mythos in Reinkultur aus? (…) Im Griff haben uns Mächte und 
			Gewalten großräumiger geschichtlicher Situationen und ihre 
			spezifischen Verheerungen, Zwänge und Verrückungen. Eine 
			Identifizierung der Zeitmacht als mit dem Leben zuletzt 
			unverträgliche, verwahrloste, herrenlose Gewalt lässt vielleicht 
			begreiflicher werden: dass wir die Geister, die wir riefen, nicht 
			mehr loswerden; dass es sich um eine schwer zu fassende Einheit von 
			menschlichen und überlebensgroßen Möglichkeiten handelt, dass wir 
			mit dem von uns je mitbeförderten Unwesen der Zeit nicht auf 
			Augenhöhe kommen können, diese Macht im Grunde nicht verstehen, ihr 
			mit unserer Sprache, aber auch mit unserem Verstummen nicht 
			gewachsen sind. Also nicht: Die kosmischen Mächte - das Gemächte des 
			Menschen, sondern: der Mensch - Schauplatz und Statthalter des 
			kosmischen Chaos!“ (Günter Klein, GPM 3/1992, Heft 4, S.  
			 
			Schon Martin Luther hat darauf hingewiesen, „dass das Gegenteil zum 
			geknechteten Willen nicht der freie Wille ist, sondern die Frage, 
			wessen Knecht der Mensch sein wolle: der Sklave welches Herrn. Da 
			denkt ein Mensch wie du und ich: Frei sein heiße, keinen Herrn haben 
			oder sein eigener Herr sein, das liege klar auf der Hand, im Licht 
			der Aufklärung. Armes Pferd! Was reitet dich dann? Wenn nicht der 
			Teufel, reitest dich selbst, wahrscheinlich zu Tode reiten dich 
			beide“ (L. Steiger, zitiert nach GPM, 3/2001, Heft 4, S.467). 
			 
			Immer deutlicher wird, was selbst ein nicht gerade als fromm 
			bekannter Journalist, wie Jakob Augstein, neulich im Spiegel 
			schrieb: Dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht mit 
			Waffengewalt, Polizei, Militär im Inneren und dichten Grenzen 
			gewonnen werden kann, weil der Kampf gegen den Terrorismus ein Kampf 
			um die Köpfe und Herzen von Menschen ist. Das, was uns alle bedroht, 
			steckt in den Köpfen und Herzen von Menschen. Und deshalb ist die 
			Bibel auch eine lange Geschichte darüber, wie Gott um die Herzen und 
			Köpfe seiner Kinder kämpft. Unser heutiger Predigttext betreibt 
			Aufklärung darüber im Licht des Evangeliums.  
			 
			Es wundert keinen, dass die jungen Attentäter in Bayern Ohrenbläser 
			aus Saudi Arabien hatten, die ihnen beschreiben konnten, wie sie 
			sich den Weg ins himmlische Bordell freischießen, freibomben und 
			freimorden können. Da stehen sie dann mit ihrem weggeworfenen Leben 
			vor dem Allmächtigen, der ihnen dieses Leben geschenkt hat zusammen 
			mit denen, denen sie das Leben genommen haben, das Gott ihnen 
			geschenkt hat. Da kann man nur sagen: Viel Glück! Solcher Irrsinn 
			muss auch jedem Islamgelehrten die Scham- oder besser die Zornesröte 
			ins Gesicht treiben. Das ist Gotteslästerung. Wer sie in seiner 
			Religion findet, hat sie zu benennen und abzuwehren. Und wer sich 
			immer noch wundert, wie der Diabolos, der große 
			Durcheinanderbringer, auch unter Gläubigen seine Erfolge erzielen 
			kann, der braucht nur in die Geschichte der eigenen Kirche und der 
			eigenen Nation zu schauen. Für Überheblichkeit ist kein Platz. Denn 
			auch der Teufel glaubt an Gott, und wie! Er sollte unter denen, die 
			an Gott glauben, keine Chance haben. Und deshalb gehört er auch 
			nicht ins Glaubensbekenntnis.  
			 
			Dort gehört das hinein, was im Epheserbrief an die christliche 
			Gemeinde geschrieben steht. Und eigentlich ist das, was wir heute so 
			ausführlich betrachtet haben, für die Christenmenschen in Ephesus 
			wie für uns nur noch die Erinnerung an einen bösen Traum. Und 
			vielleicht kann man sich solchen Einblicken in ihrer ganzen 
			Tragweite und scheinbaren Ausweglosigkeit nur stellen, weil Gott die 
			Schlacht gegen die finsteren Mächte längst geschlagen hat; weil Gott 
			in seiner großen Liebe und Gnade unser Herz längst an das seine 
			gezogen hat. Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann von Golgatha, 
			hat Friedrich von Bodelschwingh 1938 in finstrer Zeit gedichtet und 
			wusste, wovon er im dritten Vers des Liedes sprach:  
			 
			Doch ob tausend Todesnächte 
			liegen über Golgatha, 
			ob der Hölle Lügenmächte 
			triumphieren fern und nah, 
			dennoch dringt als Überwinder 
			Christus durch des Sterbens Tor; 
			und die sonst des Todes Kinder, 
			führt zum Leben er empor. (EG 93/3) 
			 
			Dort gehören wir hin. Und wir vertrauen darauf, dass es nichts gibt, 
			was uns von dieser Liebe des Christus wieder trennen kann (Römer 
			8/35 ff.). Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu 
			guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln 
			sollen. Nicht einmal unsere guten Werke und den Kampf um die Köpfe 
			und Herzen lässt Gott uns als kleine Chance der Selbsterlösung. Gott 
			weiß, was er tut – auch durch uns - und wir dürfen gespannt sein. 
			Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre 
			unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.  
			
			Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
			www.kanzelgruss.de)  | 
			
			Text: 
			Paulus schreibt: 
			 1 Auch ihr wart tot durch eure 
			Übertretungen und Sünden, 
			2 in denen ihr früher gelebt habt nach der Art dieser Welt, unter 
			dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu 
			dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams. 
			3 Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den 
			Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und 
			der Sinne und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern. 
			4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen 
			Liebe, mit der er uns geliebt hat, 
			5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig 
			gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden –; 
			6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in 
			Christus Jesus, 
			7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen 
			Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. 
			8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das 
			nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 
			9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. 
			10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten 
			Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. 
   |