Predigt     Epheser 5/8b-14     8. Sonntag nach Trinitatis     25.07.10

"Mehr Transparenz"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

wer von einer lutherischen Kanzel von den guten Werken, den christlichen Tugenden und von der Heiligung eines Christenmenschen predigen soll, hat es nicht leicht. War es nicht Luthers Entdeckung, dass der Mensch gerecht vor Gott wird, ohne des Gesetzes Werke? Sind die Werke, das Tun und Verhalten des Menschen also nicht Nebensache? Haben die nicht recht, die heute sagen, Hauptsache das Evangelium wird gepredigt, aber wie wir unsere Gemeinde und unsere Kirche organisieren und in ihr miteinander leben, das bleibt uns überlassen? Könnten wir uns da nicht heraussuchen, was das vermeintlich Beste ist, z.B. das, was auch uns Erfolg und mediale Präsenz verspricht?

Martin Luther hat sich wohl öfter die Haare gerauft über so viel evangelische Dummheit. Wer den Kopf im Himmel hat und auf dieser Welt weiter nach oben kriecht und nach unten tritt, wer das fromme Wort führt und munter mitspielt in der großen und kleinen Politik, wie sie auf dieser Welt üblich ist, der hat etwas Entscheidendes nicht begriffen. Deshalb schreibt Luther in seiner Auslegung zur Stelle: „Wer den Glauben mit der Tat nicht beweist, der gilt ebenso viel wie ein Heide, ja er ist ärger als ein Heide, nämlich ein Christ, der dem Glauben abgesagt hat und abtrünnig geworden ist.“ Diejenigen, die diesen untrennbaren Zusammenhang leugnen, werden von Luther als „unnütze Schwätzer und nichtige Lehrer“ gebrandmarkt: „ ... ob sie schon wissen, dass der Glaube ohne Werke nichts und ein falscher Glaube ist, sondern, wo er rechtschaffen ist, müssen Frucht und gute Werke folgen - so gehen sie doch sicher hin und verlassen sich auf die Gnade Gottes, fürchten sich nicht vor Gottes Zorn und Gericht, der den alten Adam gekreuzigt haben will und gute Früchte von guten Bäumen lesen will.“ (zitiert nach Tilman Walther-Sollich, GPM 2/2010, Heft 3, S.332) Zitat Ende.

Luther hätte freilich nicht aufgehört, sich die Haare zu raufen, wenn er gesehen hätte, wie wir heute angesichts himmelschreiender Zustände und moralischer Orientierungslosigkeit im christlichen Abendland in einer sogenannten „Wertediskussion“ mitmischen und dort mit den 10 Geboten hausieren gehen. Ja, er wäre regelrecht verzweifelt, wenn er sehen könnte, wie versucht wird, die Glaubwürdigkeit der Christenmenschen moralisch zu begründen, indem diese sich eben mehr anstrengen würden, bessere Menschen zu sein. Er würde uns umgehend bescheinigen, dass wir dann nicht nur den zweiten, sondern auch den ersten Teil des Evangeliums nicht verstanden hätten. Diese Diagnose ist allen zu stellen, die sich von ihren Mitmenschen distanzieren, wenn diese z.B. an den 10 Geboten scheitern und schuldig werden, und dies mit der Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft begründen. Nein, das ist allein ihre eigene Glaubwürdigkeit, die sie vor den Leuten zur Schau stellen wollen. Das sind die, die sich selbst für gerecht halten und die anderen verachten und denen Jesus das Gleichnis vom Pharisäer und Zöller erzählt. (Lukas 18/9-14)

Gerade in diesem Gleichnis macht der Christus deutlich, wo unser Platz vor Gott ist. Nicht vorne im Rampenlicht, wo der Pharisäer steht und seine moralische Integrität vor den Menschen zur Schau stellt, sondern dort hinten auf dem Platz des Zöllners, der an seine Brust schlägt und gerade so in das Rampenlicht der Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit Gottes gerät. Wir präzisieren: Der nur so in das Licht der Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit Gottes gerät. Jesus hätte dieses Gleichnis nicht erzählt, wenn das nicht ohne Ausnahme für uns alle gelten würde: Entweder wir kommen so wie der Zöllner in das Licht der Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit Gottes oder wir werden in unseren Sünden sterben. (vgl. Johannes 8/24)

Denn das Licht, dessen Frucht die Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit ist, ist nicht unser Licht, sondern das Licht Gottes. Und Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit sind nicht unsere menschlichen Eigenschaften, sondern Prädikate Gottes und das sollen sie bleiben. Eine Kirche, die selbst „Leuchtfeuer“ anzünden will, um bei den Leuten besser anzukommen, wie das im Impulspapier der EKD mit dem schönen Namen „Kirche der Freiheit“ gefordert wird, wird zum Irrlicht. Eine solche Kirche zündet Streulichter an, die das Licht des Evangeliums mehr verdunkeln und vernebeln, als es zur Geltung zu bringen. In der Kirche leuchten nicht wir, sondern der Christus. Und wenn wir leuchten, dann ist es immer noch er, der durch uns hindurch leuchtet. Man kann es nicht oft genug mit Jesu Worten aus der Bergpredigt sagen: Ja, wir sollen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern es vor den Leuten leuchten lassen, damit sie unsere guten Werke sehen. Aber nach dem „und“ kommt die entscheidende Bedingung: … und euren Vater im Himmel preisen. Wenn das, was wir tun und womit wir in der Öffentlichkeit stehen, unsere Mitmenschen nicht auf den Christus und unseren himmlischen Vater hinweist, sondern zum Ausweis unserer eigenen Macht, unserer Pläne, Konzepte und Fähigkeiten wird, läuft etwas schief. Wenn der Beifall am Ende uns und nicht unserer Botschaft gilt, haben wir den Auftrag und die Sendung des Christus verraten.

Mehr Transparenz, lautet deshalb die Forderung. Mehr Transparenz, damit das Licht der Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit Gottes durch uns hindurchscheinen kann. Mehr Transparenz, damit auch die Form und Organisation unserer Kirche das Evangelium durchscheinen lassen kann, in dem Jesus zu seinen Jüngern sagt: „Einer ist Euer Meister, ihr aber seid Geschwister.“ (Matthäus 23/8) Aber wahrscheinlich wird die Forderung nach flachen Hierarchien in unserer Kirche erst wieder Gehör finden, wenn auch Organisationstheoretiker und Wirtschaftswissenschaftler sie uns empfehlen.

Wie wir transparenter werden können für Gott und sein Wirken, lesen wir nach in den Reden der Unterweisung des Lebemeisters Eckehart: „Der Mensch soll Gott in allen Dingen ergreifen und soll sein Gemüt daran gewöhnen, Gott allzeit gegenwärtig zu haben im Gemüt und im Streben und in der Liebe. Achte darauf, wie du deinem Gott zugekehrt bist, wenn du in der Kirche bist oder in der Zelle: diese selbe Gestimmtheit behalte und trage sie unter die Menge und in die Unruhe und in die Ungleichheit. … Wem aber Gott nicht so wahrhaft innewohnt, sondern wer Gott beständig von draußen her nehmen muss in diesem und in jenem, und wer Gott in ungleicher Weise sucht, sei's in Werken oder unter den Leuten oder an Stätten, der hat Gott nicht. Und es mag leicht etwas geben, was einen solchen Menschen behindert, denn er hat Gott nicht, und er sucht nicht ihn allein, noch liebt noch erstrebt er ihn allein. Und darum hindert ihn nicht nur böse Gesellschaft, sondern ihn hindert auch die gute, und nicht allein die Straße, sondern auch die Kirche, und nicht allein böse Worte und Werke, sondern auch gute Worte und Werke. Denn das Hindernis liegt in ihm, weil Gott in ihm noch nicht alle Dinge geworden ist. Denn wäre dies so bei ihm, so wäre ihm an allen Stätten und bei allen Leuten gar recht und wohl; denn er hat Gott, und den könnte ihm niemand nehmen, noch könnte ihn jemand an seinem Werk hindern.“ (Quint, Deutsche Predigten und Traktate, S. 59f.)

Meister Eckehart weist uns auch heute den Weg. Eine Kirche, die auf der Suche nach ihrer Leuchtkraft ist, wird sie nicht finden, indem sie ihre Strukturen und ihre Organisation verbessert. Sie wird sie nur finden, indem sie ihr geistliches Leben vertieft. Nicht indem sie fragt, wie sie besser ankommt, sondern indem sie sich allein auf Gott und sein Wort konzentriert. Noch einmal Eckehart: „So soll der Mensch von göttlicher Gegenwart durchdrungen und mit der Form seines geliebten Gottes durchformt und in ihm verwesentlicht sein. … Dazu gehört zu Beginn notwendig Überlegung und ein aufmerksames Einprägen, wie beim Schüler zu seiner Kunst.“ (Quint, a.a.O., S.62)

Kann gut sein, dass dann all die Künste, mit denen wir Schlagzeilen machen und machen wollen, als Schaumschlägerei, und wir als Schwätzer und nichtige Lehrer dastehen. Das Licht des Evangeliums bringt auch solches an den Tag. Gott sei Dank. Damit wir solche nicht bleiben und nicht versäumen, was wir nach Gottes Willen sein sollen: Menschen durch die das Licht Gottes und seine Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit in eine finstere Welt scheinen.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

Text:

Paulus schreibt:

8b Lebt als Kinder des Lichts;
9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
10 Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist,
11 und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf.
12 Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich.
13 Das alles aber wird offenbar, wenn's vom Licht aufgedeckt wird;
14 denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.
 


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