Liebe Leser, vor zwei Monaten hat Jürgen Klinsmann als Trainer
beim FC Bayern München angefangen. Eine seiner ersten Maßnahmen war
es, vier aus weißem Stein gefertigte Buddha-Figuren auf dem
Vereinsgelände aufzustellen. Auf der Dachterrasse des neuen
Leistungszentrums sollten sie nicht nur als Dekoration dienen,
sondern so Klinsmann wörtlich: „Die Buddhas geben uns einen gewissen
Energiefluss.“ Steinerne Skulpturen sollen Kraft spenden. Einem
lebendigen Gott traut man das aber scheinbar nicht zu. Die
Buddhastatuen beim FC Bayern München sind ein Beispiel dafür, wie
der christliche Glaube als eine Kraft, die das Leben von Menschen
prägt, immer mehr schwindet.
Christen werden ihres Glaubens müde. Ein Phänomen, das auch das Neue
Testament kennt. Unser heutiger Predigttext ist an eine kleine
Gemeinde im Mittelmeerraum um das Jahr 90 nach Christus geschrieben.
Die Christen werden geschmäht und ausgegrenzt. Damit nicht genug:
Einige wurden gefangen genommen, wohl weil sie nicht dem Kaiser die
geforderten Opfer darbrachten. Anderen wurden Güter geraubt. Und
Christus, von dem es heißt, er wird bald wieder kommen, die Welt
richten und die Seinen zu sich führen, er ist nicht zu spüren. Lohnt
da der Glaube noch?, fragen die Gläubigen. Ist es nicht einfacher,
dem Evangelium den Rücken zu kehren? Die Frohe Botschaft, sie macht
nicht froh, sie führt geradewegs in die Bedrängnis. Ohne Christus
bliebe ihnen so manches Leid erspart. Deshalb sind viele von ihnen
des Glaubens müde geworden. Ein Apostel, der seinen Namen nicht
nennt, sieht die Not der Gemeinde. Und er schreibt ihr die Worte
unseres Predigttextes. Ich lese Heb 10,35-39: Predigttext.
Gott sei´s gedankt, steht unsere Gemeinde in Hof über 1900 Jahre
später anders da: Als Christen müssen wir keine staatliche
Verfolgung oder den Einzug unserer Güter fürchten. Die Kirche ist
anerkannt und wird in Politik und Gesellschaft gehört. Und doch
merke ich, dass viele Christen ihres Glaubens müde geworden sind.
Unser Problem ist nicht die Anfechtung durch Verfolgung wie zur Zeit
des Hebräerbriefs, sondern der Wohlstand, die Bequemlichkeit und die
Vielfalt der Lebensmöglichkeiten.
Viele Menschen werfen ihre Sorgen nicht auf Gott und verzichten auf
die heilsame Kraft des Glaubens. Die Buddhastatuen in München sind
nur ein Beispiel. Christen sind ihres Glaubens müde geworden.
Anzeichen dafür ist auch der Gottesdienstbesuch: Ist nicht der
Gottesdienst der Ort, wo die christliche Gemeinde Sonntag für
Sonntag zusammenkommt, den Sieg ihres Herrn über den Tod feiert und
sich an Wort und Sakrament stärkt? Wir haben 4000 Gemeindeglieder,
doch nur ein kleines Häufchen versammelt sich sonntäglich. Wozu in
die Kirche gehen: Sonntags länger im Bett bleiben und brunchen ist
gemütlicher, auf den Fußballplatz gehen bringt mehr Kick. Die
Vielfalt der Lebensmöglichkeiten bietet spannendere Alternativen.
Doch diese halten kaum, was sie versprechen, und können nicht
helfen, die Sorgen, die Trägheit oder Lebensmüdigkeit zu vertreiben.
Oder die Bequemlichkeit siegt am Sonntag Morgen. Aber verzichtet man
da nicht auf etwas, was die Seele anzurühren vermag, was Impulse für
die aktuelle Lebenssituation gibt, was zur Ruhe kommen lässt und
stärkt?
Und noch ein Anzeichen entdecke ich dafür, dass Christen ihres
Glaubens müde geworden sind. Eine christliche Gemeinde zeichnet sich
dadurch aus, dass sie eine Wachheit und Offenheit für andere hat,
dass sie zusammenhält, Rücksicht aufeinander nimmt und sich
gegenseitig hilft. Doch viele hier in Hof kennen nicht einmal ihre
Nachbarn, die in den Wohnblocks der Baugenossenschaft über oder
unter ihnen wohnen. Und sich Einsetzen für die Schwachen, das soll
die Diakonie machen, wozu gibt’s denn die.
Ein Theologe hat einmal gesagt, dass die Menschen mit einer
zunehmenden Rationalisierung des Lebens konfrontiert sind, also
damit, dass kein Platz mehr für Gefühle und Begegnungen ist, dass
Leistung, Zahlen und Fakten das Denken bestimmen. Auf dreierlei
Weise sagt er, reagieren die Menschen darauf: Die einen stellen sich
selbst in den Mittelpunkt und kreisen um ihre Selbstfindung, die
anderen suchen Halt in vormodernen Sinngewissheiten wie dem
Okkultismus und der Esoterik, und die Dritten streben nach
postmodernen Steigerungen des Lebens, nach Events und Party, nach
Wellness, Kunst und Kultur. Und wo bleibt die Kirche? Glaube und
Christsein weicht mehr und mehr zurück, es verliert seine Prägekraft
für moderne Lebensentwürfe. Christen sind ihres Glaubens müde
geworden, und deshalb strahlt der Glaube auch nicht mehr aus zu
anderen. Weil sich Menschen auch nicht mehr Gott aussetzen und ihn
wirken lassen wollen, merken sie auch nicht mehr, wie der
christliche Glaube ihrem Leben Tiefe verleihen kann, und gehen noch
mehr auf innerliche Distanz.
„Werft euer Vertrauen nicht weg“. Der Apostel fordert seine Gemeinde
auf, den Kontakt zu Christus nicht zu verlieren, den Glauben nicht
mehr und mehr ermüden zu lassen, bis er gar ganz einschläft. Er
rüttelt wach. Denn es zahlt sich aus, auf Christus zu vertrauen. Der
Apostel spricht von einer Belohnung, vom Erretten der Seele. Er
stellt dem aber auch die Verdammung gegenüber: „Wir aber sind nicht
von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen,
die glauben und errettet werden.“
Belohnung oder Verdammung, ist das die Alternative? Will er so
Menschen motivieren, an Jesus dranzubleiben? In Zeiten, in denen die
Menschen Angst vor dem Teufel und der Hölle hatten, mag das ja
funktioniert haben. Da konnte die Kirche den Menschen mit Verdammung
drohen und ihnen Höllenqualen vor Augen malen. Aber lassen sich so
Menschen für das Evangelium begeistern? Ist ein Drohen mit
Verdammung überhaupt evangeliumsgemäß? Der Apostel schreibt in eine
Situation der Verfolgung. Er weiß, dass Kraft zum Standhalten nicht
aus toten Buddhasteinen kommen kann, sondern vom lebendigen Gott.
Deshalb tröstet er seine Gemeinde in der Bedrängnis mit den Worten
des Propheten Habakuk: „Nur noch eine kleine Weile, und so wird
kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben.“. Er
kündigt die Wiederkunft Christi an. Die Gegenwart Gottes nämlich ist
heilsam und führt zu heilem Leben. Ein Leben aber, in dem die
Gegenwart Gottes keinen Raum gewinnen konnte, ist für den Apostel
ein verlorenes Leben. Es hat das verloren, was die Gegenwart Gottes
bewirkt: Die Gegenwart Gottes ruft heraus aus den Räumen der
Bedrängnis und Enge, aus den Räumen der Angst und des
Selbstzweifels, aus den Räumen der Anfeindung und des Leids, hin in
die Freiheit, dass der Mensch wieder atmen kann. Die Gegenwart
Gottes spricht dem schuldbeladenen Gewissen Vergebung zu, tritt uns
mit Liebe und Trost entgegen, gibt Halt und zeigt
Zukunftsperspektiven auf. Ein Leben in der Nachfolge Gottes lohnt
sich. Dieser Lohn ist nicht zu verdienen oder zu erwerben. Gott
schenkt sich und seine heilsame Gegenwart.
Der Apostel hat der Gemeinde damals angekündigt, dass diese heilsame
Gegenwart Gottes bald greifbar sein wird, wenn Christus zum Gericht
wiederkommt und die Seinen errettet. Heute rechnet kaum einer damit,
dass morgen oder übermorgen Christus wiederkommen könnte. Und doch
wissen wir, dass er nicht fern von uns ist. Denn er kommt uns immer
wieder ganz nahe, in seinem Wort, in Brot und Wein, und in unseren
ganz persönlichen Glaubenserfahrungen. Er schenkt uns seine heilsame
Gegenwart.
Das Wissen um diese heilsame Gegenwart Gottes ist es, die den
Apostel mit fester Überzeugung sagen lässt: „Wir aber sind nicht von
denen, die zurückweichen, sondern von denen, die glauben!.“. Und
Gott sei Dank gibt es auch heute viele Christen, die die gleiche
Haltung haben.
Gott sei Dank gibt es Christen, die nicht zurückweichen, wie den
Bayernspieler Zé Roberto, der als gläubiger Christ in einem
Interview zu den Buddhas beim FC Bayern gesagt hat: „Mir können die
Buddha-Figuren nicht helfen. Ich habe schon meinen Glauben.“. Und
scheinbar haben auch die anderen Spieler von den Buddhas keine Kraft
bekommen, denn wie lässt es sich sonst erklären, dass die Statuen
nach nichtmal zwei Monaten wieder entfernt worden sind? Zé Roberto
weiß, dass es sich lohnt, bei Christus zu bleiben. Er hat bestimmt
schon erlebt, dass Christus ihm das schenken kann, was die toten
Steine nicht vermögen: In seiner Gegenwart kann er alle Lasten
ablegen, Ruhe finden, und bekommt Anteil an Jesu Kraft für die
täglichen Herausforderungen.
Gott sei Dank gibt es Christen, die nicht zurückweichen, und gerne
ihre Kirchensteuern zahlen und für Brot für die Welt spenden, weil
ihnen die Solidarität in der Kirche und weltweit wichtig ist. Gott
sei Dank gibt es Christen, die nicht zurückweichen, die nicht die
Verantwortung für ihre Nächsten abschieben und sie in der Not sitzen
lassen, sondern anpacken, sich für andere einsetzen, im Großen und
Kleinen, Christen, die für bessere Strukturen und gerechtere
Verhältnisse kämpfen, die Mobbing beim Namen nennen, Unrecht
aufdecken und sich für Umkehr, Heilung und Vergebung stark machen.
Ihr Lohn ist die tiefe Dankbarkeit der Menschen, denen geholfen
wird. Und Christus wird sich ihre Namen merken, denn er spricht:
„Was ihr getan habt einem meiner geringsten Brüder, das habt ihr mir
getan!“.
Und Gott sei Dank gibt es Christen, die sich nicht in ein frommes
Schneckenhaus zurückziehen und dabei weltfremd werden, sondern die
leben, die tanzen gehen und gerne feiern, die Entspannung bei einer
Tai-Massage in der Marienstraße oder in der Therme Bad Steben finden
und dabei bezeugen, dass Gott ein Gott der Lebensfreude ist, der uns
allerlei Wohltaten im Leben schenkt und will, das wir die Vielfalt
des Lebens genießen.
Liebe Brüder und Schwestern! Dieses Nicht-Zurückweichen, dieses
Dranbleiben an Gott sieht bei jedem anders aus. Jeder hat in seiner
Lebensgeschichte und in den Dingen, die ihm begegnen, seine eigenen
Möglichkeiten den Glauben zu leben und seine eigenen
Herausforderungen, um an Christus dranzubleiben. Nicht immer wird es
leicht sein. Schon der Apostel weiß: „Geduld aber habt ihr nötig.“
Geduld, Standfestigkeit gegenüber den Verlockungen der
Bequemlichkeit oder der Vielfalt der Lebensmöglichkeiten, die
Christus nicht zu brauchen scheinen. Standfestigkeit angesichts der
existentiellen Nöte, die einen treffen. Doch es lohnt sich, am
Glauben festzuhalten und Christ zu sein! Denn Christus, der Lazarus
zum Leben gerufen hat, ruft auch uns täglich heraus aus aller Enge,
Sorge und Trägheit zu neuem Leben, und er ruft uns zum Einsatz für
das Leben. Als Christen haben wir Anteil am Leben Christi. Und
deshalb schließe ich mich dem Apostel an und sage mit ihm: „Wir aber
sind nicht von denen, die zurückweichen.“
Vikar
Jörg Mahler
(Hospitalkirche
Hof) |
Text:
35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg,
welches eine große Belohnung hat.
36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und
das Verheißene empfangt.
37 Denn »nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen
soll, und wird nicht lange ausbleiben.
38 Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber
zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm« (Habakuk 2,3-4).
39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt
werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.
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