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      Liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde, 
		 
		bekräftigen, Grund finden, fest werden, das ist der Sinn der 
		Konfirmation. Das ist schon ein bisschen mehr, als öffentlich zu 
		bestätigen, dass Ihr mit der Entscheidung Euerer Eltern, Euch als Kinder 
		taufen zu lassen im Großen und Ganzen einverstanden seid. Früher 
		bedeutete die Konfirmation das Ende der Kindheit und den Eintritt ins 
		Erwachsenenleben. Und von einem Erwachsenen erwartet man, dass er für 
		sich selbst Verantwortung übernimmt. Dass er nicht heute dies und morgen 
		das für erstrebenswert und richtig hält. Dass er nicht länger ein Halm 
		im Wind ist, der sich gerade in die eine und dann wieder in die andere 
		Richtung biegt.  
		 
		Es ist ein köstlich oder wie ihr sagt „cooles“ Ding, wenn das Herz fest 
		wird. Dann hält es was aus. Für uns damals galt der als obercool, der es 
		schaffte, bei stockfinsterer Nacht in die Nailaer Friedhofskapelle zu 
		schleichen, wo hinter einer Glasfront die Toten aufgebart wurden. 
		Meistens war die Kapelle – Gott sei Dank - zu. Aber manchmal hatte man 
		vergessen, sie abends abzuschließen. Links und rechts vom offenen Sarg 
		standen zwei brennende Kerzen und im schwankenden Kerzenschein schienen 
		die Toten sich noch zu bewegen. Das war echt gruselig. Und dann musste 
		man natürlich immer vor dem Friedhofsangestellten auf der Hut sein, der 
		uns Rotzlöffel ordentlich staubte, wenn er uns erwischte.  
		 
		Die Geschichte ist mir eingefallen, als ich von den Gewaltvideos auf 
		Schülerhandys hörte. Und die Entrüstung der Erwachsenenwelt kommt mir 
		immer noch scheinheilig vor. Diese sogenannte Erwachsenenwelt, die sich 
		selbst tagein tagaus vor allem mit Gruseln und Gewalt im täglichen 
		Fernsehprogramm unterhalten lässt. Als säßen da immer noch groß 
		gewordene Kinder vor dem Mäusekino und probierten immer noch aus, was man 
		so aushält. Generationen in einer hartnäckig anhaltenden und nie 
		abgeschlossenen Pubertät. Statt dass sie irgendwann ihre Lektion gelernt 
		hätten, die lautet:  
		 
		Auch ein festes Herz hält nicht alles aus. Auch ein festes Herz muss 
		nicht alles aushalten. Ein Herz, dass alles aushält ist nicht fest, 
		sondern hart geworden. Ein Herz, dass alles aushält, ist nicht länger 
		lebendig, sondern tot. Der Club der toten Herzen ist nicht cool, er ist 
		eiskalt und er verbreitet Angst, Schrecken und Tod. Im Club der toten 
		Herzen haben wir alles verloren und deshalb nichts verloren. Fest oder 
		hart, das ist ein Unterschied auf Leben und Tod.  
		 
		Nicht nur beim Herzen, sondern auch bei der Hand. Es ist ja wirklich 
		eine trostlose Diskussion darüber, wie man mit Jugendlichen umgehen 
		soll, die im Club der toten Herzen gelandet sind. Die auf Schulhöfen 
		Messer zücken und auch dann noch zutreten, wenn der Gegner am Boden 
		liegt. Wer ihre Geschichten hört, vernimmt immer wieder, dass diese 
		Jugendlichen oft selbst nichts als Hartherzigkeit und die harte Hand 
		erfahren haben. Das ist keine Entschuldigung für ihre Taten. Aber es 
		darf für uns alle auch keine Entschuldigung sein, dass wir selbst darauf 
		mit harter Hand und Hartherzigkeit reagieren. Wer nach zwei deutschen 
		Diktaturen das Loblied auf die harte Hand anstimmt, erweist sich als der 
		eigentlich Unverbesserliche. Harte Hände gehören deformierten Menschen, 
		die andere deformieren.  
		 
		„Eine feste Hand hingegen - die täte uns (allen) gut. … Eine feste Hand 
		- schon ein kleines Kind weiß sie zu schätzen. Ein kleines Kind ist ja 
		ein in jeder Hinsicht haltloses Subjekt, ein haltloses Subjekt im 
		unschuldigsten Sinne des Wortes. Es ist darauf angewiesen, bei anderen 
		Halt zu finden. Und es merkt blitzschnell, ob es von einer festen Hand 
		in die ihm noch unbekannte, fremd und befremdlich aussehende Welt 
		eingeführt wird: behutsam, Schritt für Schritt. Oder ob es mit harter 
		Hand in die bedrohlich fremde Welt hineingestoßen wird. Ein Kind spürt 
		die Hand und erkennt das Herz. … 
		 
		Selbst für uns Erwachsene ist es ja ein überaus beglückendes Erlebnis, 
		wenn sich eine kleine Kinderhand in die unsere legt und sie 
		vertrauensvoll drückt. Eine harte Hand kann man nicht drücken. Wer aber 
		keine Hand findet, die er vertrauensvoll drücken kann, der droht ein 
		überaus unsicherer Mensch zu werden: unsicher gegenüber allem und jedem, 
		unsicher vor allem gegenüber sich selbst - ein schwankendes Rohr. Und 
		vor lauter Unsicherheit wird er hart werden und verschlossen. Nicht 
		Ich-Stärke, sondern Unsicherheit erzeugt harte Herzen.“ (Eberhard 
		Jüngel, Predigten 5, Radius, 2001, S.24f.) Und das gilt leider auch für 
		den, der als Kind eine feste Hand sucht und selbst bei den eigenen 
		Eltern nur eine unsichere, schwache, überängstliche und selbst haltlose 
		Hand findet. Aber das ist eine andere Geschichte.  
		 
		Gerade deshalb ist es ein wichtiger, ja unverzichtbarer Schritt 
		zuzugeben und zu sagen: Auch mein Herz hält nicht alles aus. Auch dort, 
		wo ich ganz Ich bin, tief im Herzen, bin ich oft traurig, entsetzt, 
		hilflos und verloren. Auch dort bin ich angewiesen auf eine feste Hand, 
		in die ich meine legen kann. Gerade dort bin ich angewiesen, darauf, 
		dass jemand mich ganz fest an sein Herz drückt, bis meins wieder 
		getröstet und fest wird. Nur wer immer wieder so reden und vor allem 
		eine solche Hand und ein solches Herz finden kann, kann erwachsen werden 
		und erwachsen bleiben.  
		 
		Wir merken, dass das eine andere Sprache ist, als die Sprache der 
		seelischen Ratgeber, die uns in solchen Situationen raten, unser Herz 
		gefälligst in die eigenen Hände zu nehmen und uns gefälligst selbst zu 
		finden und uns gefälligst selbst zu verwirklichen um der Angst und 
		Gefahr uns selbst zu verlieren zu entgehen. Mit solchem Rat wird heute 
		jede Menge Geld verdient, obwohl uns schon die eigene Erfahrung lehren 
		müsste, dass weder unser Herz noch das ganze Leben so funktionieren 
		kann.  
		 
		Und deshalb sagt uns Gottes Wort das Selbstverständliche noch einmal. 
		Denn Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, werdet längst gemerkt 
		haben, dass das, was wir bisher über das Leben gesagt haben, ein 
		einziges Gleichnis für unser Verhältnis zu Gott ist. Ja, dem Gott 
		gegenüber, der Himmel und Erde geschaffen hat, bleiben wir wohl ein 
		Leben lang wie „kleine Kinder, also wie haltlose Subjekte die eine feste 
		Hand, die seine feste Hand brauchen, wenn sie selbst ein festes Herz 
		gewinnen sollen.“ (Eberhard Jüngel, aaO, S.25) 
		 
		Und das soll auch nicht den Hauch einer Drohung haben. Dass Gott eine 
		weiche, liebevolle, gnädige Hand und auf der anderen Seite eine 
		drohende, vernichtende, strafende Hand haben soll, ist eine Lüge. Sie 
		ist eine Erfindung von Menschen, die Gott vor ihren eigenen Karren 
		spannen wollen, um ihre eigenen Werte und Gebote durchzusetzen. Für den 
		Terror der Tugend und die harte Hand der Moral gibt sich Gott nicht her 
		und dafür gibt sich deshalb auch der Glaube nicht her, so dringend und 
		laut heute auch nach Werten gerufen wird.  
		 
		So viele Hände Gott auch haben mag. Von allen gilt das Wort von der 
		festen Hand. Und die feste Hand Gottes gehört zu einem festen Herzen und 
		in dem regiert nichts als Gottes Liebe und Güte allein. In dieser Liebe 
		steht das Herz Gottes fest. Und gerade deshalb kann man sich auf Gott 
		verlassen. Auch und gerade dann, wenn Gottes Hand uns einmal höchst 
		unsanft Grenzen setzt und uns von einem falschen auf den rechten Weg bringt. Auch und gerade 
		dann verdient diese Hand unser höchstes Vertrauen, wie die Hand eines 
		Vaters, die das in ein Unglück rennende Kind in letzter Sekunde dem 
		sicheren Tod entreißt.  
		 
		Nicht durch Prinzipien, nicht durch Gesetze wird unser Herz fest. Mögen 
		sie auch in der Bibel stehen. Wer vom Leben und dieser Welt nichts 
		anderes erwartet, als dass sich eherne Gesetze erfüllen und man empfängt, 
		was man sich verdient hat, der braucht von Gott nichts mehr erwarten. 
		Der lebt, so superfromm er sich geben mag, in einer gottlosen - und das 
		heißt immer auch – in einer trostlosen Welt.  
		 
		Fest wird das Herz, wenn es sich der festen Hand Gottes anvertraut, denn 
		das ist keine eherne Faust, sondern eine sehr lebendige und gütige Hand, 
		die sich keine Ruhe gönnt um für das Leben, um für unser Leben tätig zu 
		sein. Fest wird das Herz, dass in jeder Lage, auch in der scheinbar 
		ausweglosen sagen kann: Dennoch bleibe ich stets an dir, denn du hältst 
		mich an meiner rechten Hand (Psalm 73,23). Ja, selbst wenn meinem 
		Glauben und meiner Hand die Kraft ausgeht, Gott hält mich immer noch an 
		meiner Hand. Von dieser Hand gilt, dass sie auch das geknickte Rohr 
		nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht (Jesaja 42,3), 
		dass sie also auch den, der am Boden zerstört ist oder sich selbst 
		zerstört hat, nicht aufgibt. Diese Hand soll sogar harte und 
		versteinerte Herzen wieder lebendig machen können und das heilen können, 
		was harte Herzen und harte Hände auf dieser Welt angerichtet haben. Und 
		deshalb sollten wir Christenmenschen niemals so tun, als gäbe es auf 
		unseren Schulhöfen, in unseren Familien oder sonst irgendwo hoffnungslose 
		Verhältnisse. Es sind unsere Kinder. Es sind Gottes Kinder, wie wir.  
		 
		Das Bild in der Nailaer Friedhofskapelle ist mir bis heute im Kopf. Es 
		gibt schreckliche Bilder, die sich in unsere Köpfe und Herzen 
		einbrennen. Viel später einmal im Traum sah ich mich selbst tot dort 
		liegen zwischen den flackernden Kerzen. Alt war ich geworden. Aber vor 
		dieser Glasscheibe stand ich als Kind und die Angst war verschwunden. 
		Hielt jemand mich an meiner Hand?  
		 
		Mit Gott Hand in Hand ist es wirklich ein „cooles“ Ding, dass das Herz 
		fest werde, durch Gottes Gnade allein. Und was wird das für eine 
		Entdeckungsreise sein durch dieses Leben und durch diese Welt und mitten 
		drin fängt noch eine ganz andere Geschichte an, wie ein neuer Tag, 
		an 
		dem die Friedhofskapelle in Naila und alle Bilder von Krankheit, Gewalt 
		und Tod, verfliegen werden wie ein böser Traum. Mit Gott Hand in Hand 
		fängt schon mitten im Leben die Geschichte des Himmelreichs an, wo 
		Gottes Güte reicht, soweit der Himmel ist und seine Wahrheit, soweit die 
		Wolken gehen (Psalm 57,11). Da werden wir alle staunend die Augen 
		aufreißen und – sollte das noch modern sein – im Chor sagen: „Cool!“  
			
      
      Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche 
      Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
      
      www.kanzelgruss.de) 
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			Text: 
			
			 Lasst euch nicht durch mancherlei und 
			fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das 
			Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade, nicht durch 
			Speisegebote, von denen keinen Nutzen haben, die damit umgehen.  |