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       Liebe Leser, 
		
      „Die Erde gehört uns allen/ So wie der Sand, den man am 
		Grabe / freundlich uns nachwirft, allen gehört/ Aber im Leben gehören/ 
		die Armen den Reichen/ Die Dummen den Klugen/ Die Geschlagenen den 
		Verschlagenen/ Die Gläubigen der Kirche/ Die Schwarzen den Weißen/ Die 
		Naiven den Raffinierten/ Die Schweigenden den Schwätzern/ Die 
		Friedfertigen den Streitsüchtigen. ...“(Hanns Dieter Hüsch, Den möcht 
		ich sehn... Heyne TB, 1983) 
		 
		Und die Kinder den Sünden ihrer Eltern, könnten wir diesen Sätzen des 
		Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch hinzufügen. Denn die Väter haben saure 
		Trauben gegessen und den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden. 
		So war’s schon zu Hesekiels Zeiten. 
		 
		Solche Weisheiten liegen auf der Hand, wenn man ein wenig hinter die 
		Kulissen schaut. Und manchmal kommen sie ganz unverschämt und unverhüllt 
		daher: Die Reichen, Klugen und Verschlagenen, die Raffinierten, 
		Schwätzer und Streitsüchtigen. Ob jemals Kinder und Enkelkinder ihrer 
		Väter und Großväter mit Nachsicht gedenken? Wenn sie den Zustand 
		betrachten, in dem sie ihnen diese Erde hinterlassen haben? Wenn sie den 
		Zustand betrachten, in dem sie unsere Demokratie und unsere 
		Sozialsysteme hinterlassen haben? Wenn sie erkennen, dass ihnen trotz 
		vieler schönen Wahlkampfreden nur eines um jeden Preis heilig war: Ihre 
		Partei, ihre Macht, ihre Freiheit, ihr Wohlstand. Ob jemals Kinder und 
		Enkelkinder ihrer Väter und Großväter mit Nachsicht gedenken? Können wir 
		es denn selbst? Schaffen wir uns ein neues Herz und einen neuen Geist? 
		 
		Oder sind wir auch ein Volk von Menschen, die jammernd auf ihren 
		Besitzständen sitzen und eifrig darüber diskutieren, warum sie nicht 
		anders können und wer daran schuld ist. Immer spielen in dieser 
		Diskussion Altlasten eine wichtige Rolle. Weil die Eltern und Lehrer und 
		Politiker waren, wie sie waren, sind die Kinder ohne Biss, ohne Arbeit, 
		ohne Perspektive, ohne soziale Sicherung und fallen bei der Pisastudie 
		durch. 
		 
		Da ist was dran. Wir sind immer viel zu wenig bereit in irgendeine 
		Zukunft zu investieren, außer in unsere eigene. Nicht einmal in die 
		unserer Kinder. Ich werde dieses Mädchen aus der 1. Klasse nie 
		vergessen. Wir redeten darüber, was die Mama macht, wenn ich einmal 
		nicht schlafen kann. Ich hatte erwartet, dass die Kinder berichten, wie 
		die Mama sich an ihr Bett setzt und ihnen noch eine Gutenachtgeschichte 
		erzählt. Da meldete sich dieses kleine Mädchen und sagte: Sie gibt mir 
		eine Tablette.  
		 
		Ist das ein Einzelfall? Sehen wir in unserem Land noch Aufbruch oder 
		Umkehr, oder werden weiter politische Schlaftabletten verteilt. Tun wir 
		uns wieder einmal zusammen, oder erschöpft sich unser Tagesgeschäft im 
		Hinundherschieben von Verantwortlichkeiten? Das wäre eine Politik der 
		Mutlosigkeit und Hoffnungslosigkeit.  
		 
		Dagegen redet unser Predigttext leidenschaftlich an. Gegen Mutlosigkeit 
		und Hoffnungslosigkeit angesichts der Altlasten der eigenen Geschichte. 
		Es gibt einen Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft und für eine Umkehr auf 
		diesen Weg ist es nicht zu spät. Gott selbst steht als Garant für die 
		Möglichkeit solcher Umkehr. Das ist die Botschaft des Propheten an ein 
		niedergeschlagenes Volk Israel im babylonischen Exil. 
		 
		Keiner bleibt auf die Vergangenheit seiner Väter, keiner bleibt auf 
		seine eigene Vergangenheit festgelegt. Meinst du, dass ich Gefallen habe 
		am Tode des Gottlosen, spricht der Herr, und nicht vielmehr daran, dass 
		er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt? Das ist der 
		Grundsatz des Gerichtes Gottes. Und wir sehen daran, dass Gottes Gericht 
		nicht der Gegensatz seiner Liebe und Gnade, sondern eine Funktion seiner 
		Liebe und Gnade ist. Gottes Gericht richtet her. Gottes Gericht rückt 
		zurecht und bringt auf den rechten Weg. 
		 
		Und es ist damit der Feind all der Verhältnisse, in denen Menschen 
		anderen Menschen gehören und in denen Menschen andere unter ihre Macht 
		und Gewalt bringen möchten. Denn siehe, spricht der Herr, alle Menschen 
		gehören mir, die Väter gehören mir so gut, wie die Söhne. Das bedeutet: 
		Die Armen sollen nicht den Reichen gehören, die Dummen nicht den Klugen, 
		die Geschlagenen nicht den Verschlagenen, die Gläubigen nicht einer 
		Kirche, die Schwarzen nicht den Weißen, die Schweigenden nicht den 
		Schwätzern, die Friedfertigen nicht den Streitsüchtigen und die Kinder 
		nicht den guten und bösen Taten, Vorstellungen und Absichten ihrer 
		Eltern. 
		 
		Damit ist ein Rahmen gezogen um das, was Gott unter Recht und 
		Gerechtigkeit versteht. Jeder soll ein Gott gehöriger und damit freier 
		Mensch sein und werden dürfen. Und das geht nicht ohne Solidarität im 
		Volk Gottes und in unserer Gesellschaft. Es ist ein Hauptanliegen der 
		Propheten des Alten Testaments, diese Solidarität mit den Witwen und 
		Waisen, den Armen und Entrechteten immer wieder anzumahnen und den 
		Herrschenden ins Stammbuch zu schreiben. Sie rücken damit die 10 Gebote 
		des Alten Bundes, die im Wesentlichen dem Schutz des eigenen Besitzes an 
		Frau, Geld und Gut dienten, ins rechte Licht. So wie Jesus das getan 
		hat, indem er die 10 Gebote zusammenfasst im Doppelgebot der Gottes- und 
		Nächstenliebe. Eigentum verpflichtet! 
		 
		Das hat heute nichts von seiner Aktualität verloren. Das ist der Beitrag 
		der Christen zur politischen Diskussion. Angesichts leerer Kassen und 
		erst recht angesichts voller Kassen, darf die Solidarität mit den 
		Schwachen unserer Gesellschaft, mit den bei uns Schutz- und 
		Asylsuchenden und die Sorgfalt im Umgang mit der Erde im Hinblick auf 
		künftige Generationen nicht verraten und verkauft werden. Wer das tut, 
		setzt seine eigene Zukunft und die anderer aufs Spiel. Der fällt zurück 
		hinter das Recht und die Gerechtigkeit Gottes. Wir können und wir wollen 
		deshalb nicht gegenüber Völkern konkurrenzfähig werden, denen die Würde 
		und Freiheit der Menschen, die Zukunft ihrer Welt und ihrer Kinder 
		nichts bedeutet.  
		 
		Damit uns das erspart bleibt, brauchen wir Bündnisse innerhalb unserer 
		Gesellschaft. Bündnisse zwischen Reichen und Armen, Starken und 
		Schwachen, Jungen und Alten. Und das wird nur gehen, wenn wir uns alle 
		wieder darauf besinnen, dass uns mehr heilig sein soll als unsere Macht, 
		unsere Freiheit und unser Wohlstand. 
		 
		„Die Erde könnte uns allen gehören, wenn dein Haus auch mein Haus, mein 
		Geld auch dein Geld, dein Recht auch mein Recht, mein Los auch dein Los, 
		dein Kleid auch mein Kleid, mein Glück auch dein Glück, dein Leid auch 
		mein Leid wäre. Teile und herrsche nicht, aber wer kann das schon?“ 
		fragt der Kabarettist, den ich zu Beginn zitiert habe. 
		 
		Unser Gott kann es. Unser Herr Jesus Christus kann es. Und davon dürfen 
		wir jeden Tag leben. Gott legt uns nicht fest auf unsere Schuld und die 
		Schuld unserer Väter, auf unsere Vergangenheit und die Vergangenheit 
		unserer Väter. Von seiner Gnade leben wir und was wir haben kommt ihm. 
		Und wir danken und preisen Gott vor allem dadurch, dass wir auch 
		einander und vor allem unseren Kindern Güte, Liebe und Hilfe nicht 
		schuldig bleiben. Um Gottes Willen! 
       
      
      Pfarrer Johannes Taig   
      (Hospitalkirche Hof) 
      (weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie
exklusiv unter 
      www.kanzelgruss.de)  | 
    
      Text: 
      
       1 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 
		2 Was habt ihr unter euch im Lande Israels für ein Sprichwort: »Die 
		Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne 
		davon stumpf geworden«? 
		3 So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: Dies Sprichwort soll nicht 
		mehr unter euch umgehen in Israel. 
		4 Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut 
		wie die Söhne; jeder, der sündigt, soll sterben. 
		21 Wenn sich aber der 
		Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält 
		alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben 
		bleiben und nicht sterben. 
		22 Es soll an alle seine Übertretungen, die er begangen hat, nicht 
		gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit 
		willen, die er getan hat. 
		23 Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott 
		der HERR, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen 
		Wegen und am Leben bleibt? 
		24 Und wenn sich der Gerechte abkehrt von seiner Gerechtigkeit und tut 
		Unrecht und lebt nach allen Gräueln, die der Gottlose tut, sollte der am 
		Leben bleiben? An alle seine Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht 
		gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan 
		hat, soll er sterben. 
		30 Darum will ich euch richten, ihr vom Hause Israel, einen jeden nach 
		seinem Weg, spricht Gott der HERR. Kehrt um und kehrt euch ab von allen 
		euren Übertretungen, damit ihr nicht durch sie in Schuld fallt. 
		31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und 
		macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr 
		sterben, ihr vom Haus Israel? 
		32 Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der 
		HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben. 
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