Predigt Jesaja 9/1-6 Heiliger Abend 24.12.18
"Endlich daheim?!" |
Liebe Leser, an Weihnachten lassen wir es uns so richtig gut gehen: Gut essen, gut trinken, sich selbst und anderen eine Freude machen. Mag es draußen noch so finster, kalt und ungemütlich sein. An Weihnachten trotzen unsere gut gewärmten und geschmückten Stuben den Widrigkeiten unserer Welt. Wenigstens an Weihnachten. Wenigstens an Weihnachten soll der Christbaum leuchten, wie übel uns das Leben übers Jahr auch mitgespielt hat und wie groß die Probleme unserer Welt auch gerade sind. Heute zeigen wir’s aller Welt: In unseren Stuben und in unseren Herzen brennt noch Licht. Auch rund ums Haus entfacht so mancher allerlei Lichterzauber. Denn gerade dann tut es in dieser dunklen Weihnachtszeit so richtig gut, nach Hause zu kommen. Als wäre das ganze Leben eine finstere Wanderschaft durch Eis und Schnee und Regen und Dreck und Hoffnungslosigkeit, bis einen schon von Ferne das Licht im Fenster und der Lichterbaum im Garten grüßen und ein besseres Leben verheißen. Erfüllung der Sehnsucht. Endlich daheim. Aber die Vorfreude zerplatzt wie eine Seifenblase, wenn die Türe aufgeht und eine allzu bekannte Stimme vorwurfsvoll fragt, ob man denn endlich das Weihnachtsgeschenk für Tante Luise besorgt und an die Getränke gedacht hat. Ach, wer die Sehnsucht der Weihnachtslichter auskosten will, muss an Weihnachten wohl besser draußen bleiben. Seid ihr deshalb heute noch einmal raus gegangen und rein in die Kirche? Wenigstens an Weihnachten? Weil auch hier noch Licht brennt und das Licht in euren Herzen es auch an Weihnachten so verdammt schwer hat gegen eure Erfahrung, eure Enttäuschung, eure Ausweglosigkeiten, eure Verwundungen, eure Todesangst, gegen all das, was dieses Licht bedroht, verspottet, lächerlich macht? Da ist es doch schon einmal besser, sich zu versammeln, wie die Pinguine in der Antarktis, die sich in der monatelangen Winternacht dicht gedrängt wärmen. Sitzen und stehen wir zusammen, damit der eisige Sturm der Weltfinsternis unsere kleinen Lichter nicht ausbläst. Habt ihr schon einmal ein Bild aus dem Weltraum von der Nachtseite unserer Erde gesehen? Wie Silberadern durchziehen die Lichter der Nacht unsere Kontinente. Gott kann wohl mehr sehen, als die dünnen Strahlen unserer Straßenbeleuchtung. Ich stelle mir vor, dass er jeden von uns sehen kann, wie er aufblitzt, seine Leuchtspur hinterlässt und wieder verlischt. Jede Träne, jede Sehnsucht, jeder Schmerz wie ein Licht, bis auch davon die Kontinente durchzogen sind wie von Silberadern. So gesehen wird diese Welt wohl dort am hellsten leuchten, wo die größte Not erlitten und die bittersten Tränen geweint werden. So gesehen wird es wohl an vielen Stellen dieser Welt so hell sein, dass es zum Himmel schreit. Ich habe euch heute nicht weniger zu verkünden, als dass Gott all dem nicht aus der Ferne zusieht, sondern zur Welt kommt, um sein Licht inmitten all dieser Lichter aufstrahlen zu lassen: Als Licht der Befreiung, als Licht der Weisheit, als Licht des Lebens, als Licht auf dem Heimweg und als Licht des Friedens. Da sollte für jeden angestrengten Weihnachtsmenschen etwas dabei sein. Wie könnten wir den Reichtum dieses Lichtes in dieser Stunde auch nur annähernd ausreichend predigen? Am Anfang sieht der Prophet ganz deutlich: Wenn das Licht Gottes in die finstere Welt fährt, dann kommen Jubel und Freude auf. Ein Tsunami der Freude läuft ihm voraus und wen diese Riesenwelle erfasst, der nimmt keinen Schaden, sondern den reißt sie empor vom Erdboden aller Traurigkeit und lässt ihn tanzen. Wen das Licht Gottes trifft, der spürt, wie das Joch auf seiner Schulter zu Staub zerfällt: Das Joch, das die Ochsen hart auf ihren Rücken spüren, während sie endlos im Kreis um dem Mahlstein stampfen. Dieses Bild für die Knechtschaft kennen wir alle nur zur Genüge aus unserem eigenen Leben, und die ängstliche Frage dazu, für wie viele Runden die Kräfte noch reichen. Luther hat in seiner Predigt zum Text dieses Joch als den Tod identifiziert, die Jochstange als die Sünde und den Stecken des Treibers als das Gesetz. Wie gut passt das zu uns heutigen Menschen, die wir lebenslang in einen gnadenlosen Prozess der Selbstoptimierung gejagt werden und diesen Prozess als sterbliche Wesen nur verlieren können (!). Wir müssen uns Sisyphos nicht als glücklichen Menschen vorstellen. Denn an der Krippe liegen nur Geschenke und in der Krippe liegt als kleines Menschenkind das Leben. Der Christus teilt das Leben nicht als Verdienst und Belohnung, sondern als Beute aus und legt es dir in den Schoß. Umsonst ist der Tod? Nein, umsonst ist das Leben! Da wird aller Knechtschaft der Boden entzogen. Wer an die Krippe tritt, hört die Ketten fallen und hinter ihm bleiben die Kriegsutensilien, die Insignien weltlicher Macht als rauchender Schrotthaufen zurück. Dann haben wir Muße und Zeit, uns mit den Hirten über die Krippe zu beugen und das Kind näher zu betrachten, auf dessen Schultern nach den Worten des Propheten nun die wahre Herrschaft über die Welt ruht. „Jesus von Nazareth“ hätte auf seiner Geburtsurkunde gestanden, wenn es so etwas damals schon gegeben hätte. Für die Ausfertigung dieser Urkunde für religiöse Zwecke hätte eine Seite nicht gereicht. Ein Neues Testament ist daraus geworden. Den „Gesalbten Gottes“ hat man ihn genannt, was Hebräisch Messias und Griechisch Christus heißt. Menschensohn, in dem Gott zur Welt kommt. Am Ende wird er sich zur Rechten des Vaters setzen und über den Kosmos richten und herrschen. In Gestalt eines Lammes wird er in der Offenbarung des Johannes geschaut. Jesaja hat weitere Namen dieser Gottesgeburt vernommen. „Wunder-Rat“: Was der Christus predigen wird, wird ein Licht in der Welt sein. Es gibt uns zu denken. Nicht von Ungefähr hat die christliche Philosophie den Christus mit der Weisheit Gottes zusammen gesehen und gedacht. Seine Worte tun, was sie sagen. Sie können Köpfe und Herzen bekehren. Sie rufen aus Krankheit und Tod. „Gott-Held“ ist der, der den Sieg davonträgt und damit das Leben. Der Christus geht den Weg der Gewaltlosigkeit, wird ans Kreuz genagelt und ins Felsengrab gelegt. Seine Auferstehung ist Gottes Triumph über den Tod, der uns und aller Welt zugutekommt. „Ewig-Vater“: Der Christus ist der Weg und die Wahrheit und das Leben. (Johannes 14,6) Er zeigt und öffnet uns den Weg nach Hause zum Vater, dorthin, wo wir herkommen und wo wir hingehen. Er zeigt uns unser Leben und unsere Welt, ja den gewaltigen Kosmos, als Heimweg. Erfüllung der Sehnsucht. Endlich daheim. „Friede-Fürst“, mit dem es unsere friedlose Welt zu tun bekommt. Der wird gewinnen. Deshalb habe ich euch heute nicht weniger zu verkünden, als dass Gott zur Welt kommt, um sein Licht über der dunklen Welt aufstrahlen zu lassen: Als Licht der Befreiung, als Licht der Weisheit, als Licht des Lebens, als Licht auf dem Heimweg und als Licht des Friedens. Meister Eckhart zur Stelle: „Nie hat ein Mensch irgendetwas so sehr begehrt, wie Gott danach begehrt, den Menschen dazu zu bringen, ihn zu erkennen. Gott ist immer bereit, wir aber sind sehr unbereit. Gott ist uns nahe, wir sind ihm sehr fern. Gott ist drinnen, wir aber sind draußen. Gott ist in uns daheim, wir aber sind in der Fremde.“ (vgl. EW II, S. 40). Und dort sollen wir um Gottes Willen nicht bleiben! Ja schon wahr, dass das Christuskind als Erwachsener, schon fast am Ende seines Weges auf dieser Erde, zu Pilatus sagen wird, sein Reich sei nicht von dieser Welt. (Johannes 18,36) Da hat Pilatus vielleicht schon aufgeatmet, und Herodes, und wie sie alle heißen, die auf unserer Welt die Macht haben. Selbst Theologen haben immer wieder versucht, die Welt wenigstens in zwei Bereiche einzuteilen. In der frommen Seele darf Gott regieren und im Rest dieser Welt können die Mächtigen weiter machen, was sie wollen. Schon Jesaja hätte sich halb totgelacht über so viel Dummheit und hätte gesagt: Das Kind, das uns geboren wird und in der Krippe liegt, ist nicht das liebe Jesuslein für die fromme Seele, sondern der, dem die Zukunft der ganzen Welt gehört. Und das große Licht Gottes ist viel mehr als die Kerzen, die ihr an Weihnachten ins Fenster stellt. Und weil das so ist, sollten wir an Weihnachten um Gottes Willen nicht draußen stehen bleiben, um unsere Weihnachtssehnsucht noch ein Weilchen zu konservieren, sondern eintreten in den Stall von Bethlehem. Denn was dort geschehen ist, sagt uns, ja aller Welt, unmissverständlich: Deine Nacht hat ein Ende. Deine Not und dein Leid sind bemessen. Deine Tränen sind gezählt. Dein Leben ist keine Reise in den Tod und ins Nichts, sondern ein Heimweg. Schon wahr, dass das große Licht der Weihnacht unbedingt und zuerst in unseren Herzen aufstrahlen will. Aber dort lässt es sich nicht einsperren. Weihnachten kann man nur miteinander feiern und mit der ganzen Welt. Und das lasst uns tun!
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof) |
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Text: 1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht
ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande,
scheint es hell. |
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