Predigt    Jesaja 9/1-6     Heiliger Abend     24.12.17

"Hand und Fuß"
(von Pfarrer Johannes Taig, Hospitalkirche Hof)
 

Liebe Leser,

ein frohes Weihnachtsfest wünschen wir uns heute mit Geschenken, Liedern, festlicher Musik und schönen Worten. Ich habe euch auch ein Lied mitgebracht. Es ist für Claudia:

Das ist das Lied für Claudia
ich sing es euch mal vor – hört alle her
das ist das Lied für Claudia
es ist nicht schwer

Schön ist die schon, die Claudia
doch seh ich das nicht oft – meist ist sie weg
schön ist sie schon, die Claudia
sie spielt Versteck

Klug ist sie auch, die Claudia
wenn sie mir Briefe schreibt – kurz schreib sie nie
klug ist sie auch, die Claudia
sie hat Esprit

Lad ich sie ein, die Claudia
sagt sie zuerst: wie nett – dann: keine Zeit
lad ich sie ein, die Claudia
tu ich mir leid

Doch als sie kam, die Claudia
und ich vergess es nie – als das geschah
doch als sie kam, die Claudia
war ich nicht da

Es war kein Tag für Claudia
und keiner auch für mich – der Tag ist aus
es war kein Tag für Claudia
bei mir zuhaus

Das war das Lied für Claudia
und alles was ich weiß – ich liebe sie
das war das Lied für Claudia
es gab sie nie

Doch was es gibt von Claudia
das ist ein schöner Klang – der Name Claudia
doch was es gibt von Claudia
ist mein Gesang (Willi Strobel)

So hat ein alter Freund in jungen Jahre gereimt. Ganz nett, werdet ihr denken, aber was hat das bitte mit Weihnachten zu tun? Na, ganz einfach: Ist Weihnachten nicht auch zu schön um wahr zu sein? Wenn es Weihnachten nicht gäbe, müssten wir es nicht erfinden? So wie mein alter Freund sich einfach eine Geliebte erfand, die seine zeitgenössische Damenwelt nicht hergab. So wie unsere Welt Weihnachten sozusagen nicht hergibt. Ich muss euch nicht erklären, warum. Denkt an die Stiefel, die mit Gedröhn dahergehen, das Klirren der Panzerketten, die Mäntel durch Blut geschleift, die Kinderleichen im Schutt von Aleppo, die Kleiderfetzen an dem sechs Meter hohen Stacheldrahtzaun im spanischen Nordafrika, der unsere glitzernde Weihnachtswohlstandswarenwelt gegen die bittere Armut abschirmt.

Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst – ja so einen könnten wir dringend gebrauchen. Und beim Blick in die Menschheitsgeschichte und unsere eigene sagen: Es gab ihn nie. Doch was es gibt von ihm, das ist ein schöner Klang. Doch was es gibt von ihm, ist der Gesang. Was doch auch schon etwas wäre. Was doch auch schon ein Zeichen der Hoffnung wäre. Ein Zeichen, dass noch nicht alle die Hoffnung aufgegeben haben, auf Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und eine bessere Welt. Haben wir sie nicht satt, diese eiskalten Mächtigen und Macher, die sich auf den gesunden Menschenverstand berufen, wenn sie ihre globalen Geschäfte machen; die über Leichen gehen und ihre Abfindungen kassieren und sagen: Was wollt ihr denn, so ist die Realität? Man muss sich damit abfinden, das hat einen ganz merkwürdigen, zynischen Klang. Hoffnungslosigkeit, Ungerechtigkeit, Unfreiheit, blanke Geldgier, Krieg, Terror und wie die Plagen alle heißen, die weltweit zu besichtigen sind – all die haben ihre Gewinner, die ihre Victory-Finger in die Kameras halten.

Da wäre es doch schon was, wenn ihnen und ihrem Missklang wenigstens an Weihnachten ein mächtiger, globaler und wohlklingender Gesang ins Gesicht blasen würde. Da ist es doch schon ein Zeichen der Hoffnung, wenn an Weihnachten so viele Menschen in die Kirche kommen, um mitzusingen. Denn unsere Weihnachtslieder sind ein solcher Gesang. Und da wäre es nicht mal eine Schande, wenn der ein oder andere von euch heute ein Tränchen zerdrückt, weil er die Sehnsucht und den Schmerz noch spürt, all die nie abgeschickten Briefe an Claudia oder das Christkind. Ach, an Weihnachten merken wir: Wir sind nicht eiskalt und in unseren Herzen brennt noch Licht und das brennt und tut weh und seufzt: Wo bleibst du Trost der ganzen Welt?

Aber an Weihnachten seufzt Gott mit uns. An Weihnachten schaut er ganz tief hinein in die Finsternis der Welt und in die Dunkelheiten unseres Lebens, in der unsere kleinen Hoffnungs- und Sehnsuchtslichter auf so verlorenem Posten brennen. An Weihnachten macht Gott sich auf. Und schenkt uns mehr als das Lied vom großen Licht, mehr als das Lied vom wunderbaren Ratgeber, vom unwiderstehlichen Gott, vom ewigen Vater und vom Friedensfürst; mehr als ein Lied für Claudia und ein Lied vom Christkind. An Weihnachten gibt Gott dem Lied des Propheten und aller Hoffnung auf verlorenem Posten im wahrsten Sinne des Wortes Hand und Fuß. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben.

Da schaut hinein in die Krippe im Stall von Bethlehem. Claudia hat sie nicht, aber das Christuskind hat sie: Hände und Füße. An Weihnachten gibt Gott dem Lied des Propheten und aller Hoffnung Hand und Fuß. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben. Hand und Fuß, davon dürfen die Weihnachtslieder um so lauter singen. Schön wird auch er sein, auf seine Weise und alle Welt wird es sehen. Klug wird auch er sein, auf ganz neue Weise. Einladen wird auch er sich lassen, und Zeit haben, besonders für die, die auf der Schattenseite des Lebens wohnen. Ein offenes Ohr wird er haben, für die, die keiner mehr hört. Den Trost der heilsamen Berührung wird er haben für die, mit denen sich keiner mehr abgibt. Und er wird wieder und wieder an unsere Herzenstür klopfen, bis wir endlich einmal da sind. Er will mehr als einen Weihnachtstag bei uns zuhause sein. Er will das seine Krippe und unser Herz für immer eins werden.

Wer sich an Weihnachten über die Krippe beugt, kann deshalb entdecken, dass die Tränen, die er weint, auch die Tränen des Christuskindes sind, wenn nicht sogar Gottes Perlen und Edelsteine. Denn er kann finden, dass die Sehnsucht in seinem Herzen auch in Gottes Herzen brennt. Dass das Licht im eigenen Herzen nicht länger auf verlorenem Posten leuchtet, sondern ein mächtiges Gotteslicht gezündet hat, vor dem alle - und wirklich alle - Schatten die Flucht ergreifen müssen.

Darum nehmt das Weihnachtslicht heute mit nach Hause. Und wenn die Welt euch furchtsam machen will oder euch etwas schwer zu schaffen macht oder der Haussegen besonders an Weihnachten bedrohlich schief hängt – dann schaut in dieses Licht. Es kommt euch zur Hilfe. Es füllt euer Herz. Denn euch ist ein Kind geboren, ein Gotteskind, das euch zu Gotteskindern macht. Ihm gehört euer Leben und die Zukunft der Welt. Und diese Hoffnung – vergesst es nicht – diese Hoffnung hat wirklich Hand und Fuß.

Pfarrer Johannes Taig    (Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter www.kanzelgruss.de)

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Die Kanzel der Hospitalkirche Hof

Die Predigt zum Hören

Text:

1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
2 Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir freut man sich, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians.
4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
 


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