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 Predigt Jesaja 65/17-25 Ewigkeitssonntag 26.11.2006 "Bilder 
der Hoffnung, die uns trösten und Mut für die Zukunft machen"  | 
    
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			Liebe Leser,  Wenn eine alte Frau zum Friedhof geht und einsam und gebeugt vor einem Grabstein steht, wenn sie die Hände ringt, wenn ihre Tränen rinnen, dann wünscht sie sich nur eins, sie könnte noch einmal von vorne beginnen. Noch einmal jung sein mit dem Mann, der hier begraben liegt, noch einmal sehen, wie er ihre Kinder in den Armen wiegt, noch einmal ihren Kopf an seine Schulter legen und mit ihm gehen auf allen Alltagswegen, ihn abends neben sich im Bette spüren und morgens beim Erwachen sein Gesicht berühren, mit ihm sich freuen ihm ihren Kummer klagen, und ihm liebe Worte sagen. (Aber:) Es lässt kein irdisch Weg sich zweimal gehen... Ute Latendorf hat in diesem Gedicht in Worte gefasst, was eine alte Frau beschäftigt, die zum Grab ihres verstorbenen Mannes geht. Ähnlich mag es manchem unter uns am Totensonntag gehen, wenn vor unser Auge Menschen treten, die im vergangenen Kirchenjahr verstorben sind, oder deren Tod schon länger zurückliegt: Ich wünsche mir, dass alles noch einmal neu wird, dass ich den Menschen, den ich verloren habe, noch etwas sagen und ihn noch einmal in die Arme nehmen kann. Ich erinnere mich, wie der Mensch war, welche Eigenheiten und Charakterzüge er hatte, und mir fällt ein, was wir alles gemeinsam erlebt haben. Ich denke an seinen Tod – starb er nach einem langen, erfüllten Leben? War sein Tod eine Erlösung nach schwerer Krankheit? Ist er viel zu früh gegangen? Ich blicke zurück, wie seitdem das Leben für mich weiterging: wo ich mich arrangiert habe, wo mir der Mensch bei ganz alltäglichen Dingen fehlt, wo ich noch unter dem Verlust leide und innerlich gelähmt und noch nicht wieder in der Wirklichkeit angekommen bin. Jeder von uns hat heute seine eigenen Gefühle: die gute 
			Erinnerung an gemeinsame Erlebnisse, oder Schmerz, Wehmut, Trauer, 
			Wut, oder von allem ein bisschen, ein Wechselbad der Gefühle. 
			Vielleicht auch Angst. Angst vor dem eigenen Sterben. Wie lange habe 
			ich noch auf dieser Erde? Ist dann alles aus? Was wird aus den 
			Menschen, die ich zurücklasse?  Nein! sagt Jesaja! Auch wenn mir alles trostlos vorkommt, wenn ich keine Zukunft sehe: Gott ist da! Gott hält an seinem Volk fest, an den Menschen, die ihm wertvoll sind. Gott schenkt Zukunft. Jesaja malt den Menschen diese Botschaft mit großartigen Bildern vor Augen: Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Man soll nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. Das sind unglaubliche Worte, auch für die Menschen von damals. Jesaja kann und muss diese Worte sagen, weil er weiß, dass Gott ein Gott des Lebens ist. „Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe.“. Das ist es, was Gott plant: Menschen sollen wieder fröhlich werden und sich freuen können – trotz aller schlimmen Erfahrungen, trotz aller Einsamkeit, trotz aller Zerstörung, trotz des Todes von manch einem lieben Angehörigen. Er ist ein Gott, der sich mit seinem Volk über das Leben freut. Doch woher weiß Jesaja das? Jesaja steht in einer langen Kette von Menschen durch alle Zeiten, die Gott so erlebt haben: als den, der segnet und tröstet, der Zukunft und Leben schenkt - angefangen bei Noah und Abraham. Wer heute fragt, woher wir wissen, dass Gott uns nahe ist, der hat scheinbar all das vergessen, was durch und mit Jesus geschehen ist! Denn seit Jesus ist es auf eindeutige Weise offenbar geworden, dass Gott ein menschenfreundlicher und tröstender Gott ist: Die Sünder und Zöllner, die Jesus begegnet sind, durften es erleben, wie er sie trotz aller gesellschaftlichen Verachtung angenommen hat. Das gab ihnen neues Selbstbewusstsein und neuen Lebensmut. Ihre Niedergeschlagenheit hat sich verwandelt. Und Jesus selbst, der am Kreuz noch schrie: Mein Gott, mein Gott, 
			warum hast du mich verlassen!, er hat Gott als einen Gott des Lebens 
			erfahren - im wahrsten Sinne des Wortes: Gott ist Jesus sogar im Tod 
			nahe geblieben Gott selber ist in den Tod eingedrungen und hat ihn 
			überwunden. Seit Jesus hat die Gewissheit der 
			Nähe Gottes eine neue Tiefe, so dass Paulus sagen kann: Ich bin 
			gewiss, dass uns nichts von der Liebe Gottes trennen kann, nicht 
			einmal der Tod (Röm 8)! Und so setzt sich die Kette der Menschen, 
			die diese Nähe Gottes bezeugen,, fort, über Paulus zum Apokalyptiker 
			Johannes, der ähnliche Bilder wie Jesaja benutzt, um seinen 
			Zeitgenossen in der Christenverfolgung Mut zu machen. Und die Kette 
			reicht über Paul Gerhard, der trotz schwerer Erlebnisse so 
			trostvolle Lieder dichten konnte, und über Bonhoeffer, der sich 
			trotz seiner bedrängten Lage von guten Mächten wunderbar geborgen 
			weiß, bis in unsere Gegenwart.  Es lässt kein irdisch Weg sich zweimal gehen, Aber es geht um weit mehr als um Medizin: Warum Kinder zeugen und gebären, wenn es für sie keine Zukunft gibt? fragen auch heute immer mehr Menschen. Steigende Lebenshaltungskosten, zunehmendes Ungleichgewicht zwischen Rentnern und Beitragszahlern, Arbeitslosigkeit. Was wird aus dem Kind, das ich auf die Welt bringe? Hinter solchen Fragen steht eine tiefe Einbuße an Vertrauen, dass das Leben noch gelingen und sich auch in Zukunft entfalten kann. Jesaja steuert dagegen. Er macht Mut zum Kinderbekommen. Zugleich rüttelt er die Gesellschaft auf, Strukturen zu schaffen, die Familien stützen und den Kindern Zukunft schenken. „Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen.“. Die Existenz jedes Menschen soll gesichert sein: Jeder soll sein Einkommen haben und davon leben können. Dahinter steht ein Grundvertrauen in die Beständigkeit des Lebens. Worte des Jesaja, die jedem Hartz-IV-Empfänger, jedem Arbeitssuchenden und Obdachlosen Mut machen können. Worte des Jesaja, die uns und unsere Gesellschaft an die Verantwortung für die Schwachen erinnern, und uns die Frage stellen, ob wir dieser Verantwortung durch das ständige Reduzieren der Sozialleistungen gerecht werden. Einmal sollen Wolf und Schaf beieinander weiden. Dieses Bild 
			spricht von einer Erlösung der Tierwelt, die durch ihr „Fressen und 
			Gefressen werden“ unter sich selbst zu leiden hat, und die unter uns 
			Menschen zu leiden hat, weil wir Tiere oft nur wie Gegenstände 
			behandeln – als Nahrungslieferanten und Versuchsobjekte für unsere 
			Medizin. Ein neuer Himmel und eine neue Erde - das steht für 
			umfassenden Frieden, der Menschen, Tiere und die Natur einschließt. Wer neuen Lebensmut schöpfen möchte braucht Hoffnungsbilder und Erfahrungen von gelungenem Vertrauen. Gott hat uns solche Hoffnungsbilder geschenkt, damit wir uns daran festhalten können und nicht aus dem Blick verlieren, dass er uns und unser Leben in seiner Hand hält, damit wir einen neuen Blick aufs Leben gewinnen. Möge es geschehen, dass wir auch im Leiden diese Nähe Gottes erleben und neue Kraft und Hoffnung daraus schöpfen, und immer wieder mutig aufbrechen auf den Weg ins Leben.  | 
			Text: 
			
			 17 Denn siehe, ich will einen neuen Himmel 
			und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr 
			gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.  |