Liebe Leser,
was heute über dieser Predigt steht, was hier
Johannes der Täufer ausspricht, ist wohl die kürzeste Beschreibung dessen,
worum es in unserem Christenleben geht. Das sollen auch wir: Sehen und
bezeugen. Und nicht irgendwen oder irgendwas - Jesus Christus, den Sohn
Gottes. - Aber nähern wir uns diesem Wort ein wenig langsamer: Was „sehen“
wir?
Zunächst sicher viel Böses, schlechte Verhältnisse, schlimme
Vorzeichen und manche verfahrene Situation, persönlich und in der Welt.
Gerade am Beginn eines neuen Jahres ist unser Blick ja besonders geschärft
und empfänglich für das Dunkle, Bedrohliche, Angsterregende. Gerade
weil wir uns doch nach Glück und guten Aussichten im neuen Jahr sehnen,
sind wir so empfindlich für alles, was uns die Hoffnung und den Mut
nehmen will. So fragen wir uns: Werde ich meine Arbeit behalten? Wird
meine Gesundheit in diesem Jahr besser werden? Kommt ein wenig mehr
Sinn in meine Tage? Werde ich schaffen, was ich mir für die kommenden
12 Monate vorgenommen habe? - Dieser Ausblick nach vorn ist nicht immer
hoffnungsvoll. Er kann auch beängstigen und uns das Herz schwer machen.
Aber „sehen“ wir nicht auch anderes? Schauen wir doch
noch einmal kurz zurück auf die vergangenen 12 Monate: Gab's da nicht
auch - neben manchem Schweren - viel Schönes? Ich weiß ja nicht, was
ihnen alles widerfahren ist, aber ich nenne hier einmal ein paar Ereignisse,
die geschehen sind. Etwas davon haben auch sie erlebt!Einem wurde ein
Enkel geschenkt. Ein anderer hat endlich wieder ein gutes Wort mit seinem
Nachbarn gewechselt. Eine dritte geht nach jahrelanger Pause wieder
arbeiten, und der Anfang ist gelungen: Es macht viel Freude! Einer vierten
ist endlich der Herzenswunsch in Erfüllung gegangen: der langersehnte
gemeinsame Urlaub mit Kindern und Enkeln. Und dann: Manche Bewahrung
haben wir erfahren. Manche Hilfe in Not. Manche Kraft, von der wir wussten,
sie kommt nicht aus uns selbst. Gewiss: Wir könnten dem jetzt auch
wieder schlechte Erlebnisse gegenüberstellen. Aber die haben nicht unser
ganzes Jahr 2012 ausgemacht. Das Gute, das Glück, die Freude gab es
auch! Wir haben also „gesehen“! Nur: haben wir auch „bezeugt“?
Da werden manche jetzt denken, aber wer wird sich denn hinstellen
und ständig verkünden: „Was ich bin und habe kommt von Jesus Christus,
meinem Herrn!“ Wer kann das denn auf solche Weise öffentlich werden
lassen? Das wäre uns doch peinlich!
Ich kann das verstehen. Mir
fiele das auch schwer - besonders dann, wenn ich nicht den Talar trage.
Doch es gibt auch andere, leisere Möglichkeiten, die aber nicht weniger
wichtig und effektiv sind: Da ist das Lächeln, das ich immer einmal
zeigen kann - mein grämliches Gesicht spricht sicher nicht für meine
Freude und die Geborgenheit im Glauben an meinen Herrn. Da ist ein ehrliches
Dankeschön gegenüber Gott in meinem Gebet - wer dankbar ist, der weiß
offenbar zu schätzen, was ihm geschenkt wird. Da gibt es aber auch hin
und wieder Gelegenheit - vielleicht den Kindern und Enkeln gegenüber
- Gott ins Gespräch zu bringen. Warum nicht einmal davon sprechen, wenn
wir über unsere Lebenserfahrungen reden, dass wir Gott sehr viel Gutes
verdanken? Warum nicht einmal zu solchen Worten finden, wenn wir mit
dem Enkelkind an der Hand einen Spaziergang machen: „Weißt du,
ich glaube, dass ein Vater im Himmel nach uns sieht - und auch nach
dir, nach deinem Papa, der Mama, deinen Geschwistern und Freunden, nach
allen Menschen!“ Das würde einen wichtigen Gedanken in unseren
Kindern anstoßen! Da würde vielleicht bei unseren Enkeln ein Nachdenken
entstehen, ein Fragen, ein erstes Suchen und vielleicht sogar ein bisschen
Gottvertrauen?
Und warum denn nicht einmal in die Trauer eines
Kollegen hinein ein paar Worte des Trostes sagen, vielleicht solche: „Ich
kann das nachfühlen, wie es dir jetzt geht! Ich dachte damals, als mein
Vater starb, auch, mir bricht die Welt zusammen. Mir hat in dieser schweren
Zeit mein Glaube geholfen. Ich wusste, dass mein Vater nicht ins Nichts
gefallen ist, sondern in Gottes Hände. Das gilt jetzt auch für dich
und für den Menschen, um den du trauerst!“
Und es gibt
auch täglich die kleinen Gelegenheiten, in einer Zeit, die Gott und
seiner Sache wenig Raum lässt, den Glauben und worauf unser Herz vertraut
zur Sprache zu bringen: Wenn in einer Gesprächsrunde die Resignation
siegen will - dann reden wir von Hoffnung und davon, dass Gott am Ende
alles in seiner Hand hält. Wenn in unserem Verein die Terminplanung
für das Jahr gemacht wird, dann achten wir darauf und sprechen unser
Interesse auch einmal deutlich an, dass die Sonntage und besonders die
Gottesdienstzeiten frei von Veranstaltungen bleiben und so alle die
Möglichkeit haben, den Gottesdienst ihrer Gemeinde zu besuchen. Überall,
wo es uns möglich ist, mahnen wir, nicht nur den Schwund der Werte zu
beklagen, die in unserer Gesellschaft einmal galten, sondern sich auch
ehrlich und tatkräftig dafür einzusetzen, sie zurückzugewinnen.
Das sollen wir: Sehen und bezeugen. Ich bin ganz sicher, wenn wir
uns einmal besinnen, was wir in unserem Leben - und wenn es nur das
vergangen Jahr wäre - erfahren und von Gott und seiner Macht „gesehen“
haben, dann werden wir alle sagen müssen: Es war viel Gutes, viel Schönes
und so manches kleine oder auch große Wunder dabei! Aber ich bin auch
sicher, dass wir aus den gemachten Erfahrungen heraus, nicht in dem
Maß „bezeugt“ haben, wie es recht gewesen wäre! Vielleicht
gelingt uns das ja in diesem Jahr besser? Jedenfalls wünsche ich uns
für dieses Jahr, dass Gott uns wieder reichlich und gnädig sehen lässt:
Wie sehr er uns liebt. Und dass er in Jesus Christus seinen Sohn in
die Welt gesandt hat, einen starken Helfer für alles, was auf uns zukommt.
Darüber hinaus aber wünsche ich uns, dass wir das Bekennen lernen.
Nicht unbedingt das laute, öffentliche, aber doch das deutliche Sprechen
darüber, was wir mit Gott erlebt haben und täglich neu erleben - wenigstens
vor unseren Leuten, den Menschen in unserer Nähe und besonders den Kindern!
Und das fröhliche Gesicht, das zu diesem Wissen passt, wünsche ich uns
auch.
Pfarrer Rudolf Koller
(Hospitalkirche
Hof)
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Text:
29 Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus
zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt
Sünde trägt! 30 Dieser ist's, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt
ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. 31 Und
ich kannte ihn nicht. Aber damit er Israel offenbart werde, darum bin
ich gekommen zu taufen mit Wasser. 32 Und Johannes bezeugte und sprach:
Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb
auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte zu taufen
mit Wasser, der sprach zu mir: Auf wen du siehst den Geist herabfahren
und auf ihm bleiben, der ist's, der mit dem Heiligen Geist tauft.
34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.
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