Predigt Johannes 2/1-11 2. Sonntag nach Epiphanias 20.01.2019 "Das Beste kommt noch!" |
Liebe Leser, „Das Schlimmste kommt noch“, so lautet der Titel des Romans, in dem der amerikanische Schriftsteller Charles Bukowski seine Jugend beschreibt, in der ihm weder Schläge noch Krankheit erspart blieben. Der vor 25 Jahren verstorbene Dichter war nicht nur für sein Werk sondern auch für seinen Durst bekannt und dafür, dass ihm nichts Menschliches fremd war. Originalton Bukowski: „Vereist und versteinert werden wir uns weiter durch die Nächte quälen mit unseren sinnlosen Träumen, wie schemenhafte paranoide Maulwürfe, die sich für nichts und wieder nichts die Pfoten blutig scharren und am Ende eins werden mit ihren Löchern. Und das ist auch alles, was von uns eines Tages übrig bleiben wird: sinnlose, blutende Löcher in der Nacht.“ Legendär ist seine Lesung in der Hamburger Markthalle am 18. Mai 1978, bei der ein Kühlschrank auf der Bühne stehen musste, damit der Nachschub an wohltemperiertem Müller-Thurgau gesichert war. Über solches würden wohl nicht nur schwäbische Pietisten die Nase rümpfen. Es ist aber tatsächlich überliefert, was sie zum Weinwunder Jesu gesagt haben: „Sei beschts Stückle is des net gwese!“ Moralisierende Frömmigkeit bringt sich schnell um das Beste an dieser Geschichte. War das erste Kapitel des Johannesevangeliums ein hochphilosophisches Traktat, das erklärt, wie der göttliche Logos, das göttliche Wort, durch das alles geschaffen ist, unser Menschsein angenommen hat, so geht es nun auch wirklich menschlich zu. Ach ja, dass auch hinter gutbürgerlichen Fassaden Menschen leben, die sich die Pfoten blutig scharren und sich durch ihre Nächte quälen, wer wollte das bestreiten. Und wie schnell sind die Hoch-Zeiten unseres Lebens abgefeiert und der Wein des Festes und der Freude wird zum trostlosen Begleiter durch einen grauen Alltag. Manchmal hat man den Eindruck, dass der immense Aufwand, mit dem heute so manche Hochzeit gefeiert wird, schon am Tag der Hochzeit etwas Verzweifeltes hat. Jesus hätte Charles Bukowski zugestimmt, der einmal sagte, Krankenhäuser und Gefängnisse seien die wahren Universitäten des Lebens. Der Christus ist zu Kranken und Gefangenen hingegangen. Wie auch zu der Hochzeit im eher heidnisch geprägten Kana in Galiläa. Diese Hochzeit erweist sich auch nicht unbedingt als das verheißene und gelobte Land Kanaan, in dem Milch und Honig fließen. Das würde heute wohl keinem passieren, dass ausgerechnet bei der Hochzeit der Wein ausgeht. Eine Katastrophe. Wenn es schon einmal allen Grund gibt, das Leben zu feiern, darf sich auf keinen Fall schon abends um 10 der Mangel des Alltags wieder einstellen. Wenn einmal aller Reichtum des Lebens versammelt ist, hat Armut und Elend des Lebens draußen zu bleiben. Der Christus sieht das nicht anders. Und wenn wir genau lesen, werden wir darauf aufmerksam, dass das erste Wunder seiner Wirksamkeit doppelte Böden hat. Am dritten Tag erscheint Jesus auf der Hochzeit in Kana. Im zweiten Buch Mose erscheint Gott am dritten Tag höchst selbst seinem Volk am Berg Sinai (2. Mose 19/11). „Und alles Volk antwortete einmütig und sprach: Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun.“ (2. Mose 19/8) Und wir hören Maria, die Mutter Jesu, zu den Dienern sagen: „Was er euch sagt, das tut.“ Weitere Parallelen zum Alten Testament lassen sich finden. Also erzählt diese Geschichte: Das ewige Wort, Gott selbst, ist Mensch geworden. Er ist angekommen im Elend unserer Welt und zeigt uns seine göttliche Herrlichkeit. Nicht nur die Juden, sondern auch die Heiden sind eingeladen Kinder Gottes zu werden. Wo das geschieht, geht aller Mangel in der Fülle Gottes, die im Christus da ist, unter. Diese Hochzeit, die unversehens nicht nur um ein Brautpaar, sondern um den Christus und alle Menschen kreist, kann nicht am Mangel scheitern. Es gibt Wein in einer Menge, die für die Ewigkeit reicht. Zu später Stunde stehen sechs Hektoliter bereit. Kein Wunder also, dass die Wiederkunft des Christus im Gleichnis von den zehn Jungfrauen wieder mit einer Hochzeit verglichen wird. (Matthäus 25/1f). Auch im Himmelreich steht Wein auf dem Tisch. Und was für einer! Der Speisemeister ist begeistert. Dieser Wein erhält das Prädikat „In vino veritas“, im Wein ist die Wahrheit - und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Diese Geschichte könnte daher spätestens jetzt die Überschrift tragen: „Das Beste kommt noch.“ Und schon sind Charles Bukowski und der Christus mitten in einem ernsten Gespräch über das Leben. Kann es nicht sein, dass gerade alte Menschen diese Geschichte besonders aufmerksam hören? Oder Menschen wie Charles, die sehr genau registrieren, dass zwar jedem Anfang ein Zauber innewohnt, aber das dicke Ende unausweichlich scheint? Der Duft des Lebens endet im Gestank des Todes. Die Bösen gewinnen - meistens. Es kommt immer noch das Schlimmste und darüber können sich nur besonders hartnäckige Realitätsverweigerer hinweglügen. Nein, sagt der weinmachende und auferstandene Christus. Nicht das Schlimme ist der Anfang und das Ende, sondern ich. Das Beste kommt noch. Freilich, gerade die Jünger sollten nicht vergessen, dass sie in Kirche und Gemeinde auch mit einem solchen Herrn nur mit Wasser kochen. Wir sind nur die, die die Krüge schleppen und Wasser einfüllen, so wie es der Christus uns aufträgt. Dass Wein daraus wird, der schmeckt, wie nur Gott schmecken kann, und dass wir und andere Gott dann auch schmecken, das steht nicht in unserer Macht. Und deshalb ist es schon sehr lustig, wenn heute die Kirche eifrig immer neue Krüge herbeischleppt, weil es vielleicht an den alten liegt, dass nichts passiert und das Neue sowieso innovativ und der Fetisch unserer Wegwerfgesellschaft ist. Vielleicht liegt es auch am Wasser, dass nicht wissenschaftlich, soziologisch und ökonomisch genug eingefüllt wurde. Und dann wird geschrien: Neue Krüge, neues Wasser – schmeckt und seht wie freundlich wir sind. Wer derlei selbst ins Werk setzten will, muss sich den Anpfiff Jesu an seine Mutter anhören, die ihm erklären will, was jetzt ihrer oder aller Meinung nach notwendig ist. „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Schöpfen können die Diener Christi erst, nachdem der Christus sein Werk vollbracht hat. Dann schmeckt es in der Kirche nach dem Christus und nicht nach der Kirche. Dann schmeckt es nach dem Himmelreich und nicht nach Institution. Man darf deshalb auch auf dem Abendmahl mit Brot und Wein bestehen und Abendmahle mit süßem Saft und Keks zeitgeistig finden. Denn der, der in Kana Wasser zu Wein machte, nimmt es nicht mit der verwöhnten Lustlosigkeit und Langeweile so mancher Zeitgenossen auf. Er kommt nicht um irgendjemand zu bespaßen. Er kommt zu denen, die sich im Leben die Pfoten blutig scharren und sich durch ihre Nächte quälen. Seine Botschaft lautet: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11/28) Das Beste kommt noch!
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof) |
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Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. |
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