| 
			Liebe Leser, wie wird der Himmlische erstmals auftreten auf dieser 
			Erde? Womit wird er seine göttliche Macht und Herrlichkeit 
			demonstrieren? Johannes macht die Leser seines Evangeliums gespannt 
			und neugierig. Johannes der Täufer, der am Jordan mit Wasser taufte, 
			hat einen Größeren angekündigt; gemessen an dem Kommenden, so sieht 
			sich Johannes selber, „bin ich nicht wert, dass ich seine 
			Schuhriemen löse.“ (Joh. 1,37) Johannes steigert die Erwartungen, 
			als er Jesus kommen sieht und bezeugt. „Siehe, das ist Gottes Lamm, 
			das der Welt Sünde trägt!“ (Joh. 1,29) Als Jesus auftritt und seine 
			ersten Jünger beruft, kündigt er Großes an: "Wahrlich, ich sage 
			euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- 
			und herabfahren über dem Menschensohn." (Joh. 1,51) 
			 
			Wie wird der so groß angekündigte Jesus sein Werk beginnen? Bei 
			Matthäus und Markus beginnt der Weg Jesu in die Öffentlichkeit mit 
			der Taufe durch Johannes um alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Bei 
			Lukas tritt Jesus als der Zwölfjährige im Tempel zu Jerusalem auf 
			und verblüfft die Schriftgelehrten durch sein Wissen und seine 
			Kenntnis der Schrift, ein religiöser Wunderknabe, von dem noch viel 
			zu erwarten sein wird.  
			 
			Johannes, der Evangelist, beginnt als einziger mit einer 
			Begebenheit, die sich in dem kleinen Ort Kana in der galiläischen 
			Provinz abspielt. Nur Johannes berichtet von der Hochzeit in Kana, 
			zu der auch Jesus, seine Mutter und die ersten Jünger eingeladen 
			waren; Joseph wird nicht erwähnt. Für den ersten Auftritt bildet ein 
			peinlicher Mangel den Anlass. Die Hochzeiten dauerten damals mehrere 
			Tage bis zu einer ganzen Woche bis die Verwandten, Freunde und 
			Nachbarn mit dem Brautpaar den Beginn der Ehe gefeiert hatten. 
			Bräutigam und Braut, die jeweiligen Eltern und der eigens genannte 
			Speisemeister, der das Fest organisierte, die Speisen und Getränke 
			vorkostete, hätten für ausreichende Vorräte sorgen können. 
			 
			Jesu Mutter spürt wie der für ein Hochzeitsfest unentbehrliche Wein 
			knapp wird und auszugehen droht. Sie ergreift die Initiative und 
			spricht ihren Sohn an auf den Mangel, gewiss mit der 
			unausgesprochenen Absicht, etwas zu tun, um die 
			Hochzeitsgesellschaft vor der sich anbahnenden Verlegenheit zu 
			bewahren. 
			 
			Jesu Antwort erscheint schroff und mürrisch. Er spricht Maria nicht 
			mit Mutter an. In der älteren Lutherübersetzung stand die überaus 
			distanzierend wirkende Anrede: “Weib“ Aber auch die jetzige neuere 
			Übersetzung mit „Frau“ klingt keineswegs familiär oder ehrerbietig, 
			ganz zu schweigen von einer Verehrung für Maria. „Frau, was geht`s 
			dich an, was ich tue?“ Er will sich nicht dreinreden lassen und 
			nicht zu etwas gedrängt werden, was er nicht als den göttlichen 
			Lebensplan begreift. Diese hart klingende Antwort Jesu erinnert an 
			die sehr scharfe Zurechtweisung des Jüngers Petrus, der seinen 
			Meister davon abbringen wollte, den Leidensweg zu gehen. 
			 
			Trotz des klaren Verweises, dass seine Stunde noch nicht gekommen 
			ist, wird Jesus doch aktiv. Maria weist die Diener an in einer Art 
			stillschweigendem Einverständnis mit ihrem Sohn: “Was er euch sagt, 
			das tut.“ Damit fordert sie zugleich mit den Dienern auch die Leser 
			und Leserinnen, Hörer und Hörerinnen auf, Jesus zu hören und seinem 
			Wort zu folgen. 
			 
			Die Diener befolgen Jesu Anweisungen und füllen sechs steinerne 
			Krüge mit Wasser. Diese Krüge mit einem Fassungsvermögen von jeweils 
			ungefähr einhundert Litern, zusammen als etwa sechshundert Litern, 
			dienten zur zeremoniellen Reinigung nach den jüdischen Gesetzen. Der 
			Speisemeister soll kosten, was es mit dem Wasser auf sich hat. Der 
			zeigt sich überaus beeindruckt von dem erlesenen Wein. Ohne sich 
			groß zu verwundern, macht er dem Bräutigam einen scherzhaft 
			klingenden Vorwurf: So einen Qualitätswein serviert man nicht erst 
			dann, wenn die Gäste schon betrunken sind und die Qualität nicht 
			mehr zu schätzen wissen, sondern zuerst. 
			 
			So erscheint der Speisemeister als Vertreter einer praktischen 
			Lebensart, die auch wunderbare Vorgänge in den üblichen und 
			vertrauten Kategorien wahrnimmt und sozusagen nicht über den 
			Tellerrand hinausblickt. Er müsste ja sein Denken und seine 
			Mentalität ändern um das Wunderbare zuzugestehen und zu begreifen. 
			 
			Bezeichnen wir ihn als einen Realisten mit praktischem Sinn, der ein 
			Gespür hat, was sich als vorteilhaft erweist. Freilich auch als 
			einer, dem Wesentliches verschlossen bleibt. So erscheint der 
			Speisemeister als einer von den vielen, die Jesus hören und sehen, 
			aber nicht begreifen und verstehen, welche göttliche Würde in Jesu 
			Wesen erscheint. Anstatt den eignen Horizont weiten zu lassen, 
			beschränken sie die Würde und Hoheit Jesu auf ihren eigenen 
			begrenzten irdischen Horizont. Nur mit einem kurzen Hinweis will ich 
			daran erinnern, dass dieses Wunder Jesu mit einer solchen Menge Wein 
			die Gegner von Alkohol immer wieder irritiert hat und fragen ließ, 
			ob es ein sinnvolles und heilsames Wunder gewesen sei. 
			 
			Wenden wir uns lieber noch den Jüngern zu. Sie kommen zum Glauben. 
			Sie fangen an zu verstehen, was hier beginnt. Das Leben offenbart 
			sich in seiner Fülle. Wasser wird in Wein verwandelt. An die Stelle 
			von Mangel und Not tritt Fülle. So könnte auch Hunger und Durst 
			gestillt, Trauer in Freude verwandelt werden. 
			 
			Das wird Johannes im ganzen Evangelium sozusagen durchbuchstabieren, 
			wie Jesus seine göttliche Würde und Herrlichkeit offenbart als das 
			Brot des Lebens, als der rechte Weinstock, als Licht der Welt, als 
			der Weg, die Wahrheit und das Leben. So bezeichnet Johannes die 
			Verwandlung von Wasser in Wein auch nicht als Wunder sondern als ein 
			Zeichen. Ein Zeichen, das hinweist auf die göttliche Lebensfülle, 
			die in Jesus erscheint. 
			 
			Dazu ist Jesus auf dieser Erde erschienen um zu verwandeln. Er 
			vermag auch heute unser Zeugnis von Gott und seinem Reich zu 
			verwandeln in eine frohmachende und befreiende Botschaft, die wir 
			von ganzem Herzen glauben. Und unsere Bitten, unseren Dank und unser 
			Lob, das wir unter Berufung auf Jesu Namen vor Gott bringen, vermag 
			er zu verwandeln in Gebetsworte, die bei Gort ankommen und gehört 
			werden. Als Schlüssel zum Reich Gottes hat er seinen Jüngern und 
			damit auch uns das Vater unser anvertraut als ein Gebet, das Himmel 
			und Erde umspannt und uns anleitet, in der rechten Weise mit Gott zu 
			reden. 
			 
			So erscheint also Jesus gleich in der ersten Geschichte vom 
			öffentlichen Auftreten Jesu in dem kleinen Ort Kana in Galiläa als 
			der von Gott Gekommene, der die Trennung der schuldbeladenen 
			Menschen auf dieser Erde vom Vater im Himmel überwindet und die 
			Menschen, die an ihn glauben mit Gott verbindet. In Jesus erscheint 
			von Anfang seines Wirkens an die Fülle des Lebens. 
			
		Dekan 
		i.R. Rudolf Weiß 
			 | 
			Text: 
			1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit in 
			Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 
			2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 
			3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie 
			haben keinen Wein mehr. 
			4 Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine 
			Stunde ist noch nicht gekommen. 
			5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 
			6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung 
			nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 
			7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie 
			füllten sie bis obenan. 
			8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem 
			Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 
			9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen 
			war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten's, die 
			das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 
			10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, 
			wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten 
			Wein bis jetzt zurückbehalten. 
			11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in 
			Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger 
			glaubten an ihn.  |