Liebe Leser,
m 2. Kapitel des Johannesevangeliums kommen wir gerade mit schwerem
Kopf von der Hochzeit zu Kana und müssen einen ganz anderen Jesus
erleben. Gerade war er noch der „Freudenmeister“, der verhindert hat,
dass eine Hochzeit mangels alkoholischer Getränke abstürzt – bekanntlich
sorgte Jesus für reichlich Weinnachschub - und jetzt sehen wir ihn als
Randalierer im Tempel, ein Wüterich der keine Rücksichten nimmt. Es
entstand beträchtlicher Sachschaden.
So gewinnt Jesus gleich zu Beginn des Evangeliums auf scheinbar
gegensätzliche Weise scharfe Konturen. Scheinbar! Denn dadurch will
Johannes zeigen, dass beide zusammengehören: Der liebe und der zornige
Jesus, der Freudenmeister und der Aggressive, der Sanftmütige und der
Gewaltige. Zeigt die Hochzeit zu Kana die überfließende Liebe Gottes zu
seinen Menschen, so zeigt die Tempelaustreibung die Kampfansage Gottes
an alles, was sich als Konkurrent seiner überfließenden Liebe gebärden
will. Die große Liebe Gottes zu seinen Menschen erhebt wie jede große
Liebe Anspruch auf Ausschließlichkeit. Sie duldet keine Nebenbuhler.
Und der größte Nebenbuhler Gottes und des Glaubens ist nicht die
Unmoral, die Maßlosigkeit, der Egoismus und der Unglaube. Der größte
Nebenbuhler Gottes und des Glaubens ist das Geld.
Über Geld redet man nicht. Vielleicht haben deshalb die anderen
Evangelisten Jesus sagen lassen: Ihr habt aus meines Vaters Haus eine
Räuberhöhle gemacht (z.B. Mt 11/17). Als ginge es hier nur um den
rechten Umgang mit dem Geld, um gutes, ehrlich verdientes auf der einen
und um geklautes, zu Unrecht verdientes, schmutziges Geld auf der
anderen Seite.
Nein, „Kaufhaus“ hat Jesus gesagt. Ihr habt aus meines Vaters Haus einen
Kaufhof gemacht. Und Jesus wird dieses Thema erörtern zum Beispiel mit
dem Reichen Jüngling. „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein
Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“
(Mt 19/24), sagt er zu seinen Jünger. Und er erzählt ihnen von
reichen Mann, der in der Hölle schmort, während der arme Lazarus in
Abrahams Schoß sitzt (Lk 16/19). In der Bergpredigt bringt es Jesus auf
den Punkt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“
(Mt 6/24). Der größte Nebenbuhler Gottes und des Glaubens ist das
Geld.
Diesem Nebenbuhler des Glaubens sagt Jesus den Kampf an. Er will nicht,
dass das Geld unser Leben und unsere Herzen regiert. Mag sein, dass man
über Geld nicht redet. Jesus lässt uns damit nicht davonkommen. Denn
vielleicht ist dieses betretene Schweigen über das eigene Geld, die
sublimste Form, seine bestimmende Macht auch unter uns Christen zu
verschleiern.
Lassen wir deshalb die Zeigefinger stecken, mit denen wir empört auf die
immer wieder entbrennende Diskussion um den verkaufsoffenen Sonntag
zeigen und „Pfui“ rufen wollen. Sicher würde Jesus – wie damals im
Tempel - bei uns anfangen, die Ladentische umzustoßen.
Als erstes würde er all die hinauswerfen, die den Wert einer
Gemeindearbeit am jährlichen Spendenaufkommen pro Gemeindeglied
festmachen. 20 Euro sind das im Durchschnitt in unserem Dekanat. In
unserer Hospitalkirchengemeinde sind es gerade mal 10 Euro. So finden
wir uns alle Jahre fast am Ende der mit Ausrufungszeichen versehenen
Statistik aus München wieder und müssen einen Tag lang mit hochrotem
Kopf in der Ecke stehen und uns schämen. Tun wir aber nicht! Wir schämen
uns nicht, dass viele in unserer Gemeinde wenig haben, solange das
Evangelium bei uns gepredigt wird.
Und wir weigern uns auch denen unter uns nachzulaufen, die es dicke
haben und dennoch nichts geben, die sogar aus finanziellen Gründen
austreten und scheinheilig angeben, auch ohne Kirche glauben zu können.
Wir sagen euch zornig: Ihr missachtet und kündigt ohne Not die
Gemeinschaft und Solidarität mit Eueren Mitchristen auf. Ihr seid nicht
bekümmert um Eueren Glauben. Ihr seid nur bekümmert um Euer Geld!
Nehmt die Gemütlichkeitchristen und ihre Anhänger mit. Die von der
Kirche besinnliche Unterhaltung für Menschen jeden Alters verlangen. Die
mit Jesus auf der Hochzeit zu Kana gern einen heben, aber von seiner
handfesten Predigt im Tempel nichts wissen wollen. Kirche ist für alle
da, auch für die Händler im Tempel, sagen sie. Und deshalb wollen sie „everybodys
darling“ sein, geben jedem Recht. Sie halten gerne christenvolkstümliche
Predigten und hören gerne christenvolkstümliche Musik und wünschen sich
Kirche als erholsame Sonderwelt, die möglichst wenig zu tun hat mit der
wirklichen Welt und ihrem alltäglichen Leben. Aufgabe der Kirche sei es,
für die Wiederherstellung der seelischen Gesundheit und Ausgeglichenheit
des die Woche über für das Geld tätigen Menschen zu sorgen. Ach
wirklich? lässt Jesus uns fragen!
Sicher, sagen die Ohnmachtschristen und ihre Anhänger. Geld regiert die
Welt, und auch die Kirche lebt unter den Bedingungen einer gefallenen
Welt. Ja es ist eine Schande, dass sich alles ums Geld dreht und
Mediamarktwerbung am Kirchturm hängt, aber was kann man machen? Ja wir
finden es auch nicht richtig, dass am Sonntag die Läden und
Autowaschanlagen offen haben, aber was kann man machen?
Wer nicht an seinen Gott und die Kraft seiner Botschaft glaubt, macht
sich zum Komplizen aller anderen Götter und aller ihrer Botschaften. Der
Kleinglaube ist der beste Freund des Opportunismus.
Deshalb predigt Jesus auf der Hochzeit zu Kana den Gott, der seine
Menschen überschwänglich liebt. Und er macht kurz darauf im Tempel in
Jerusalem klar, dass diese Botschaft alles andere als ohnmächtig sein
will und alles andere als ohnmächtig ist. Sie nimmt es auf mit dem, was
unser Leben bestimmen und bedrohen will.
Ein Ausleger zur Stelle: „Was das Leben bedroht – die Zerstörung der
natürlichen Lebensumwelt, die Zerstörung menschlicher Gemeinschaft und
persönlicher Lebensperspektiven durch den totalen Markt – im Kern ist es
immer das Geld. Es abstrahiert alle zwischenmenschlichen und alle
zwischengeschöpflichen Beziehungen auf den Charakter von Waren, die sich
ohne Rücksicht auf je gelingendes Leben gegeneinander austauschen
lassen.“ (H.-M. Gutmann, Göttinger Predigtmeditationen 2, 1999, S.360)
Geld raubt dem Menschen sein Gesicht und dem Leben das Herz. Den Kaufhof
interessiert auch sonntags nicht der Mensch, sondern allein der Profit.
Mit dieser trostlosen Herrschaft des Geldes über die Welt und ihre
Menschen nimmt es das Evangelium von der überfließenden Liebe Gottes
auf. Nicht ohnmächtig, sondern gewaltig, wie wir an dem zornigen Jesus
im Tempel sehen.
Und deshalb steht auch uns Christen eine gehörige Portion Zorn gut an,
wenn wir entdecken, wie sich die Herrschaft des Geldes auch in unsere
Kirche und Gemeinde einschleichen will. Deshalb steht uns eine gehörige
Portion Zorn gut an, wenn wir sehen, wie sich die Herrschaft des Geldes
vollständig breit machen will in unseren Beziehungen, in unseren
Familien, in unserer Gesellschaft. Unser Leben ist mehr als Arbeiten und
Einkaufen.
Dafür steht für uns Christen der Sonntag, an dem wir Gottes gutes Wort
„heilig halten, gerne hören und lernen“, wie Luther in der Auslegung zum
3.Gebot schreibt. Und auch wer damit nichts am Hut hat, kann durch
Abstinenz von dem, was er die ganze Woche tut, entdecken, dass das Leben
noch andere Botschaften bereithält, als die unserer Politiker,
Wirtschaftsweisen und Börsenspezialisten.
Jesus möchte uns unsere Menschlichkeit, unser Gesicht, unser Herz und
damit unsere Freiheit zurückgeben. Um jeden Preis. Und so stehen am Ende
unseres Predigttextes Jesusworte, die seine Jünger wohl erst nach seinem
Tod und seiner Auferstehung so richtig begriffen haben.
Erst da haben sie begriffen, dass es Gott mit seiner Liebe „todernst“
ist. Für die Botschaft von der überfließenden Liebe Gottes gibt der
Christus sein Leben am Kreuz. Er möchte seine Geschöpft nicht als trost-
und gesichtslose Geldknechte, sondern als Menschen , beschenkt mit der
herrlichen Freiheit der Kinder Gottes (Rm 8/21).
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
2,13 Und das Passahfest der Juden war nahe, und
Jesus zog hinauf nach Jerusalem.
2,14 Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben
verkauften, und die Wechsler, die da saßen.
2,15 Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum
Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern
das Geld aus und stieß die Tische um
2,16 und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und
macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus!
2,17 Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht (Psalm
69,10): »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.«
2,18 Da fingen die Juden an und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für
ein Zeichen, dass du dies tun darfst?
2,19 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und
in drei Tagen will ich ihn aufrichten.
2,20 Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren
erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?
2,21 Er aber redete von dem Tempel seines Leibes.
2,22 Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger
daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort,
das Jesus gesagt hatte. |