Predigt Johannes 4/19-26 Pfingstmontag 20.05.13 "In
der Gegenwart Gottes" |
Liebe Leser,
malen wir uns vor Augen, in welches Gespräch wir so unvermittelt hineingezogen werden. Jesus führt es mit einer samaritanischen Frau, die er um die Mittagszeit am Jakobsbrunnen trifft. Es ist die Zeit, da Mensch und Tier in einer von Wüste geprägten Landschaft am meisten Durst haben. Brunnen sind Lebensmittelpunkte im wahrsten Sinn des Wortes. Wer sie nicht findet, wird vom Durst gequält und muss schließlich elend zugrunde gehen. Am Brunnen liegen deshalb auch entscheidende Stationen der Heilsgeschichte. So endet der Weg von Hagar und Ismael nicht in der Wüste, weil Gott ihnen einen Brunnen zeigt (1. Mose 21,18). Am Brunnen findet der treue Knecht Abrahams die Frau für Isaak (1. Mose 24, 12). Am Brunnen begegnen sich Jakob und Rahel (1. Mose 29,1). Und am Ende aller Geschichte leuchtet in der Offenbarung des Johannes die Verheißung: Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst (21,6). Diese Verheißung lässt auch der Christus aufblitzen im Gespräch mit der samaritanischen Frau. Auf den Weg der Erkenntnis bringt er sie freilich zunächst dadurch, dass er über ihre zweifelhaften Männerbeziehungen Bescheid weiß. „Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist“, sagt sie da zu ihm. Und dann führt das Gespräch am Brunnen nun wahrlich in die Tiefe, in den Geist und in die Wahrheit; und wie wir sehen werden, in Gott selbst hinein. Denn der Heilige Geist tut nichts anderes, als uns in alle Wahrheit zu leiten, wie Jesus an anderer Stelle sagt (Johannes 16.13). Es entbehrt daher nicht einer gewissen Komik, dass die evangelische Kirche seit ein paar Jahren dabei ist, Leuchtfeuer des qualitativ Hochwertigen und Besonderen zu errichten, die die Menschen von weit her zu sogenannten Kompetenzzentren locken sollen. Man ist eifrig dabei den modernen Zeitgenossen immer neue Brücken ins relativistische Flachland zu bauen, auf denen sie dann in die Kirchen strömen sollen, in denen sich – wissenschaftlich optimiert - auch im Gottesdienst alles wie von selbst versteht. Man möchte medial in die Breite wirken, wo doch nicht nur der Christus und die samaritanische Frau wissen, dass die Welt keine solchen Leuchtfeuer braucht, sondern Brunnen, an denen das Heil nicht in der Breite, sondern in der Tiefe liegt. Die Quellen des lebendigen Wassers liegen nicht in den religiösen Zentren der Metropolen, sondern in den verstreut liegenden, oft einsamen Brunnen, an denen sich vielleicht nur zwei Menschen treffen, um in der Tiefe des Glaubens und der Erkenntnis zu schürfen. Als der Evangelist Johannes erzählt, wie Christus und die samaritanische Frau sich am Jakobsbrunnen treffen, liegt sowohl das Heiligtum der Samaritaner am Berg Garizim, als auch der salomonische Tempel in Jerusalem längst in Schutt und Asche. Das Lachen vergeht einem spätestens dann, wenn man merkt, dass diese Tiefe des Glaubens und Denkens, dass theologische Argumente, wie sie der Christus am Brunnen darbietet, in der modernen evangelischen Kirche keine tragende Rolle mehr spielen. Deshalb kann gar nicht oft genug wiederholt werden, was der Theologe Eberhard Jüngel uns ins Stammbuch schreibt: „Was dem Glauben an kritischer Vernunft vorenthalten wird, das wird zwangsläufig durch Aberglauben ersetzt. Gerade der Glaube muss deshalb auf kritisches Denken bedacht sein. Andererseits ist gegen den Kurzschluss der Umfunktionierung des Glaubens folgendes einzuwenden: Was die kritische Vernunft an Glauben verfehlt, das ersetzt sie zwangsläufig durch Unverstand.“ (Eberhard Jüngel, Unterwegs zur Sache, Mohr 2000/3, S. 296) Gerade der letzte Satz ist nicht für die da draußen, sondern für eine Evangelische Kirche gedacht, die von morgens bis abends über ihre eigenen Kompetenzen und die ihrer Mitarbeiter schwätzt und alles zu organisieren versucht, auch das, was sich nun einmal nicht organisieren lässt. Da wird z.B. auch bei uns versucht, zum Zwecke der Besuchervermehrung den normalen Sonntagsgottesdienst „aufzuwerten“(!) durch besonders angekündigte musikalische Darbietungen, Dichterlesungen und prominente Kanzelredner. Bei allem Respekt: Wer meint, die Anwesenheit Gottes - des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes - im Gottesdienst durch besondere Musik, Dichterlesung, aktuelle Themen und Prominenz noch aufwerten zu müssen oder zu können, der muss an seine Vernunft erinnert werden, die ihm gebietet, dass das schlicht unmöglich ist. Die Gegenwart Gottes ist durch nichts zu toppen. Die Gegenwart Gottes ist es aber, die die Gemeinde im Gottesdienst feiert, nicht irgendetwas oder irgendwen anders, und schon gar nicht sich selbst. Glaube und Vernunft sind keine Feinde. Sie brauchen einander. Die Vernunft bewahrt den Glauben vor Aberglauben, Magie, und Irrlehre. Der Glaube bewahrt die Vernunft davor, sich auf der Oberfläche und in den Wüsten unserer Welt zu verlieren und sich selbst zu überschätzen. Der Glaube zwingt das Denken in die Tiefe. Oder um es mit Meister Eckhart zu sagen: Die Vernunft bricht in den Grund, wie der Brunnen in die Erde – dorthin, wo ihr der Christus und seine Ströme des lebendigen Wassers verheißen sind. Es tut doch der Vernunft keinen Abbruch, wenn sie mit dem Lied EG 161 singen darf: „Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis verhüllet, wo nicht deines Geistes Hand, uns mit hellem Licht erfüllet; Gutes denken, tun und dichten musst du selbst in uns verrichten.“ Und Gott tut dies alles auch in uns, wenn wir ihn nur lassen. Pfingsten ist das Fest der Gegenwart Gottes, der actus purus ist. Reines Tun. Sein Wort macht, was es sagt. Es ruft ins Dasein. Deshalb ist es in der Kirche besonders erbärmlich und verhängnisvoll, eben das zu vergessen. Niemand sollte sich mit Zuständen zufrieden geben, die ein Ausleger schildert: „Mir fällt auf, dass in Gottesdiensten … Gott immer wieder »will«, sich etwas wünscht, uns allerhand gute Werke tun »lassen« soll, vor allem aber immer wieder »möge«. Ein Mögen, ohne dass er etwas vermag. Denn beschworen … wird auch Gott: Er »möge« eben. Zugesprochen wird er nicht. Ich habe vierzehnzeilige vorgeblich irische Segenssprüche gehört, in denen mir vielerlei gewünscht, aber nicht das Geringste zugesagt worden ist. Da mag man zu Aristoteles und Thomas von Aquin stehen wie man mag: Gott, da haben sie recht, ist actus purus, non habens aliquid de potentialitate. Sonst ist er nicht Gott. Was er will, wirklich will, das »möge« er nicht. Das tut er. Gut gemeinte Wünsche im Optativ und Hilfsverben mögen hoch im Schwange sein. Die Sache Gottes ist eine andre: Segen. Indikativ. Tun. Statt hoch »mögender« Potentialität vermögende, verwirklichende Aktualität, dichteste Wirklichkeit.“ (Hans Schlummberger, „Fromme Wünsche. Nette Dinge.“, KorrBl. Nr. 1/2013, S.1 f.) Wo nur noch fromme Wünsche und nette Dinge den Gottesdienst regieren, da braucht man sich nicht wundern, wenn bald nur noch die drin sitzen, die die nette Pfarrerin oder den netten Pfarrer mögen oder den dort versammelten Freundeskreis. Kein Wunder, dass Kritik an solchen Zuständen sofort aggressiv mit dem Vorwurf der Lieblosigkeit zurückgewiesen wird. Kein Wunder, wenn eine solche Gemeinde dann auch im Gebet nicht über die eigenen frommen Wünsche an Gott hinauskommt. Das Gebet, von dem der Christus spricht, ist ein ganz anderes. Hier geht es nicht darum, Gott zum Einlenken in die eigenen Wünsche zu bewegen. Ein Fortschritt wäre, wie Meister Eckhart erklärt, wenn sich im Gebet unser Wille zu Gottes Willen hinbewegt. Am besten freilich ist, wenn unser Wille gänzlich durch Gottes Willen ersetzt wird. Wenn wir also nicht zu Gott, sondern in Gott beten. Nichts anderes meint der Christus mit dem Gebet im Geist und in der Wahrheit. Geist und Wahrheit sind ja nicht irgendetwas Zweites und Drittes. Beide gehören zum Wesen Gottes. „Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Sie müssen also lernen, nicht zu, sondern in ihm zu beten. Dabei hilft uns der Geist Gottes selbst, schreibt Paulus, der uns vertritt mit unaussprechlichem Seufzen (Römer 8/26). Ja, sagt die Frau am Brunnen, wenn der Christus kommen wird, dann wird er uns das alles verkündigen und uns den Weg dorthin zeigen. Da sagt der, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist: „Ich bin's, der mit dir redet.“ Dass auch wir unsere Zeit nicht an den Pfützen weltlicher und kirchlicher Leuchtfeuer verschwenden, sondern den Brunnen finden, aus dem lebendiges Wasser quillt, das verleihe uns der Christus im Heiligen Geist. Und er wird’s tun!
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche
Hof) |
Text:
19 Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe,
dass du ein Prophet bist. |