Liebe Leser, es ist seine Bestimmung! Es ist meine Bestimmung!
Glücklich der, von dem so geredet werden kann und der so von sich
selbst reden kann. Das Weizenkorn, das zur Frucht bestimmt ist, kann
es. Es tut, wozu es bestimmt ist, wenn es - sagen wir ruhig
glücklich - in die Erde fallen und sterben kann. Denn diese Art Tod
ist ja nicht ein dumpfes Zugrundegehen, Vergammeln, unter die Räder
Kommen und Vergessenwerden. Dieser Tod ist die notwendige Bedingung
für neues, vielfältiges, herrliches Leben.
Im Johannesevangeliums spricht Jesus auf besondere Weise von seiner
Passion und seinem Tod am Kreuz: Die Zeit ist gekommen, dass der
Menschensohn verherrlicht werde. Nein, der leidende Christus ist
kein armes Würstchen, das eine gnadenlos böse Welt vor sich
hertreibt und das schließlich unter ihre Räder kommt. Dieser
Christus weiß, was er will und was seine Bestimmung ist. Er geht ihr
unbeirrt nach. Er ist scheinbar schwach, doch in Wahrheit stark. Er
ist scheinbar arm, doch in Wahrheit reich. Er ist der, der scheinbar
untergeht, doch in Wahrheit der, der Licht und Wahrheit und
vielfältiges Leben in die Welt bringt; herrliches Leben, das für
alle Ewigkeiten reicht. Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn
verherrlicht werde.
Die Szene, in der Jesus diese Worte spricht, hat einen Hintergrund.
Einige Griechen haben von Jesus gehört und möchten ihn sehen. Es ist
bestimmt keine haltlose Vermutung, dass diese Griechen von dem
berühmten Lehrer und Meister Jesus gehört hatten und aus langer
Tradition auf der Suche nach dem Guten, Wahren und Schönen waren.
Wenn uns mal nach Religion ist, dann suchen wir ja auch eher das,
was uns aus den Niederungen und der Banalität unseres Alltags
erhebt, in höhere Sphären bringt; dem Himmel entgegen.
Philippus und Andreas, die braven Jünger, sind schon ganz hibbelig.
Griechen fragen nach ihrem aramäischen Wanderprediger. Jetzt muss
Jesus sofort ein Meeting einberufen. Presse wäre auch nicht
schlecht. Wenn Jesus vor diesen Griechen eine gute Figur macht, ist
das ein Ritterschlag erster Klasse. Philippus denkt schon daran, wie
Jesus in der Ahnengalerie der großen griechischen Philosophen ein
Plätzchen eingeräumt bekommt. Eine Büste aus Marmor wäre das
Mindeste. Es wird nichts daraus werden. Paulus notiert: Der
gekreuzigte Christus ist den Juden ein Ärgernis und den Griechen
eine Torheit. (1. Korinther 1/23)
Und wir fügen ehrlicherweise hinzu: Auch in seiner Kirche hat er’s
schwer. Denn die hat bald nach ihrer Entstehung, wie die Reiche
dieser Welt, eine schöne Hierarchie entwickelt. Man kann in ihr was
werden. So mancher, der die evangelische für die bessere katholische
Kirche hält, bedauert insgeheim, dass man in ihr heute nicht mehr
Papst werden kann. Richtig wichtig, richtig bedeutend, richtig
komfortabel wird’s doch erst oberhalb des Predigtamtes. Dann kommt
man in die Zeitung und noch weiter oben sogar ins Fernsehen. Sind
die Kreuze auch auf den Brüsten evangelischer Würdenträger in den
letzten 20 Jahren nicht auch immer ein wenig gewichtiger und größer
geworden? Und erzählen diese Würdenträger nicht vor allem, wie
unentbehrlich die Kirche, also sie sind, dass sie für das Gute,
Wahre und Schöne stehen, für Kultur, soziale Gerechtigkeit und
Bewahrung der Schöpfung und wie schön es ist, in der Kirche zu sein
- ja, dass man eigentlich blöd sein muss, um die Kirche nicht gut zu
finden? Möglichst toll soll die Kirche für möglichst viele
rüberkommen, damit die Mitglieder gebunden werden und die
Organisation erhalten bleibt. Millionen werden in oben konzipierte,
möglichst medienwirksame Kampagnen gepumpt.
Es muss so überspitzt formuliert werden, damit der Kontrast in aller
Schärfe sichtbar wird. Jesus aber sagt: Wahrlich, wahrlich, ich sage
euch: Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein
Leben auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben.
Auch das ist wahrlich überspitzt formuliert. Der Christus lässt
nichts unversucht, um uns zu zeigen, dass sein Weg in die
Herrlichkeit Gottes diametral und kritisch anders verläuft, als die
Wege in die Herrlichkeiten unserer Welt. Wer dem Christus nachfolgt,
wird sein, wo auch er ist. Und muss erkennen, dass auch sein Weg ins
Himmelreich diametral und höchst kritisch anders verläuft, als die
Wege in den Erfolg und in die Herrlichkeiten dieser Welt. Groß ist
die Sehnsucht auch in der Kirche, das eine mit dem anderen auf einen
gemeinsamen Nenner zu bringen. Es geht nicht.
Der Tod des Jesus von Nazareth kann historisch als die Beseitigung
eines Störenfrieds durch die religiös und weltlich Mächtigen seiner
Zeit mit höchst unsauberen Mitteln betrachtet werden. Es ist und
bleibt das ewig gleiche traurige Spiel, bis auf den heutigen Tag.
Jesus selbst freilich hat eine andere Bestimmung. Er ist unterwegs
in die Herrlichkeit Gottes. Dieser Weg führt abwärts. Es ist ein
Abstieg in die Herrlichkeit Gottes. Der Tiefpunkt ist das Reich des
Todes, damit nicht einmal dieses Reich länger dem Tod gehört.
Als der Christus die Augen schließt, ist längst die ganze Gewalt des
lebendigen Gottes in ihm versammelt und der lächerliche Stein und
die lächerlichen Soldaten, die man zur Bewachung seines Grabes
abgestellt hat, werden am Ostermorgen von dieser Gewalt des Lebens
hinweggefegt. An Ostern lacht der Christus und die Christenheit den
Mächtigen dieser Welt ins Gesicht. Und lässt sie im Regen stehen.
Damit wir nicht selbst irgendwann im Regen stehen, bleibt uns als
Christenmenschen und als Kirche die Aufgabe, unserem Leben und
unserer Kirche eine Gestalt zu geben, die der uns aufgetragenen
Botschaft und unserem Herrn entspricht. Dabei haben wir uns den
kritischen Fragen und Hinweisen zu stellen, die Jesus seinen Jüngern
auf den Weg gibt. Denn wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.
Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.
Pfarrherrlichkeit und die Herrlichkeit anderer Würdenträger der
kirchlichen Hierarchie haben in der Kirche Jesu Christi keinen
Platz. Wer meint dorthin Karriere machen zu müssen, sollte in die
Politik gehen. Wer unter euch groß sein will, der sei der Diener
aller, sagt Jesus (Markus 10/48). Große Macht- und
Entscheidungsbefugnis bedeutet in der Kirche nicht mehr Herrlichkeit
und Erfolg, sondern um so größeren Abstieg zum Dienst an denen, zu
denen auch der Christus abgestiegen ist.
Wenn eine Kirche um ihres weltlichen Erfolges willen, ihre Botschaft
ermäßigt um alles, was irgendjemanden stören oder verärgern könnte;
die Prediger, denen solches passiert, als Störenfriede angreift und
kaltstellt - vielleicht gar mit dem Argument, dass das Vertrauen zur
Kirchenleitung gestört ist - dann hat die christliche Gemeinde
Widerstand zu leisten. Nicht um ihrer selbst willen, sondern um des
Evangeliums willen. Die Gemeinde muss ihr Recht darauf verteidigen,
das Evangelium umfassend, ungekürzt und ungefiltert zu hören und hat
eine solche Kirchenleitung zu fragen, ob es nicht in Wahrheit ihr
Vertrauen in das Evangelium ist, dass da gestört ist.
Der Christus, der in die Herrlichkeit Gottes absteigt, weist uns
einen anderen Weg. Jörg Zink schreibt in seiner Ethik: „Die
Ähnlichkeit unseres Weges mit dem Weg, den Jesus ging, entsteht
nicht so, dass wir uns vornehmen, zu werden wie er. Er ist nicht das
Vorbild, das wir nachzuahmen hätten. Es ist umgekehrt: Wir halten
uns ihm hin, und er prägt uns mit dem Stempel, mit dem Siegel seines
Weges. Wir suchen nicht unseren Weg, sondern lassen uns auf seinen
Weg senden. Wir werden nicht die erleuchteten Meister und großen
Gurus, wir bleiben Werkzeuge in seiner Hand.“
Ihr wisst es doch längst: „Ihr findet auf diesem Weg ja nicht nur
das Elend, sondern auch das Glück. Die Erfüllung. Nicht nur die
Mühsal sondern auch den Sinn. Ihr gebt doch nicht nur, ihr empfangt,
und ihr empfangt mehr, als ihr gebt. Bei den Menschen ist nicht die
Hölle, bei den Menschen ist Gott. Wenn ihr Menschen annehmt und für
sie lebt, lebt ihr in Gott.“ (Jörg Zink, Ruf in die Freiheit,
Gütersloh, 2007, S. 179)
Darauf sagen wir: Amen.
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
20 Es waren aber einige Griechen unter denen,
die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest.
21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und
baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.
22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas
sagen's Jesus weiter.
23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen,
dass der Menschensohn verherrlicht werde.
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in
die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber
erstirbt, bringt es viel Frucht.
25 Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben
auf dieser Welt hasst, der wird's erhalten zum ewigen Leben.
26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll
mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater
ehren. |