Liebe Leser,
wer sich bei der Vorbereitung der Predigt für das heutige
Pfingstfest etwas umgehört hat, konnte immer wieder etwas in der
Richtung finden. Ich formuliere überspitzt: An Pfingsten kommt der
Heilige Geist. Aber die Welt ist nach wie vor schlecht. Und in der
Kirche findet man oft die gleichen bedauerlichen Zustände, wie Neid,
Streit, Hass, seelische und oft sogar körperliche Gewalt. Damit wäre
klar, dass die Kirche eben auch ein Teil der Welt sei. Und wer etwas
anderes behaupte, mache sich etwas vor. Aber Gott sei Dank hätten
die in der Kirche wenigstens den Heiligen Geist, der die Menschen
tröstet. Und wenn es auch in der Kirche keinen Frieden gäbe, dann
hätten dort die Menschen wenigstens den himmlischen Frieden im
Herzen.
Wir vergessen solche Predigten ganz schnell wieder. Wenn sie die
Wahrheit sprächen, dann wäre an Pfingsten eine Kirche entstanden,
die die Welt nicht braucht. Wir hätten keinen Grund ihren Geburtstag
zu feiern. Dann wäre der Heilige Geist, den der Christus der Welt
nach seiner Himmelfahrt überlässt, nichts anderes als der billige
Vertröster der Welt und der Kirche. Alles wird gut - aber nur in der
frommen Seele, die beide Augen fest zumacht. Dann kann und soll der
Christenmensch alles ertragen. Und Ludwig Feuerbach lächelt still in
seinem Grab: Ich hatte recht. Religion ist Opium fürs Volk.
Keine Frage, es bleibt wahr: Kirche ist Kirche in der Welt. Wo denn
sonst?! Und weil sie Kirche in der Welt ist, bleibt sie betroffen,
bedrängt oder wie die Frommen sagen „angefochten“ von dem, was in
der Welt leider Gang und Gäbe ist. Aber sie ist hoffentlich der Teil
der Welt „in der Kehre“. Sie ist der Teil der Welt, der das Wort des
Christus hört, der sich zu ihm hinkehrt und ihn vor Augen hat. Das
ist schon alles, was die Kirche und die Menschen in ihr immer wieder
tun können und sollen. Sich von der Welt abkehren und zu Gott
hinkehren. Das Wunder, das dann geschehen wird, beschreibt der
Christus im ersten Satz unseres Predigtwortes. Zu dem Menschen der
solches tut, werden er und sein himmlischer Vater kommen und Wohnung
bei ihm nehmen.
In der alten Lutherbibel stand noch die korrekte Übersetzung: Zu dem
werden wir kommen und Wohnung bei ihm machen. Es ist also keineswegs
so, dass wir Gott und seinem Geist erst einen Herrgottswinkel in uns
einrichten müssten, der dann bei himmlischem Gefallen bezogen wird.
Das Vögelein, das aus solchen frommen Kuckucksuhren ausfährt und
piept, ist nicht mit dem Heiligen Geist zu verwechseln. Jeder sieht,
dass es sich hierbei um den besonders fromm sein wollenden und
heilig sein wollenden Teil der Welt und der Menschheit handelt, für
den die Sprache das Wort „scheinheilig“ erfunden hat.
Übersetzen wir also mit Luther korrekt: Zu dem werden wir kommen und
Wohnung bei ihm machen. Wir dürfen uns das als einen höchst
unberechenbaren Vorgang vorstellen, der mit Vorsicht zu genießen
ist. Denn wenn der Heilige Geist in uns für Gott selbst eine Wohnung
einrichtet, dann müssen wir draußen bleiben, dann haben wir kein
Mitspracherecht und dann können wir sicher davon ausgehen, dass der
Heilige Geist sich nicht an den Platz halten wird, den wir Gott in
unserem Leben und in unserem Innenleben für religiöse Bedürfnisse
zugewiesen haben. Wir werden zukünftig auch keinen Schlüssel zu
dieser Wohnung erhalten und damit keine Chance haben, die
Einrichtung unseren Vorstellungen anzupassen. Über die Wohnung, die
Gott in uns nimmt, verfügen wir nicht.
Wir können also nur bang lauschen und zusehen, was der Heilige Geist
in uns anstellt, wenn Gott seine Wohnung einrichtet. Erst mal wird
sauber gemacht Als erstes fliegt der ganze fromme Plunder, der uns
bisher immer über die Runden gebracht hat, zum Fenster raus. Samt
dem selbstgebastelten Heiligenschein. Dann kommt alles, was bei
Hempels unterm Sofa liegt, an die Reihe. Schon möglich, dass wir im
Boden versinken müssen, wenn der ganze Dreck zum Vorschein kommt.
All die unbezahlten Rechnungen und Schuldscheine, all die offenen
Rechnungen, die wir irgendwann an geeigneter Stelle jemand
triumphierend auf den Tisch hauen wollten. Alles fliegt raus.
Dann werden die Möbel umgestellt. Die, die wir immer für die
ansehnlichsten und wertvollsten gehalten haben, alles, was gut und
teuer war, wird nach hinten geräumt. Ja, wir stellen zu unserem
Entsetzen fest, dass der Heilige Geist in uns sich nicht nur seinen
Herrgottswinkel selbst einrichtet, wie er will, sondern dass von
dort aus sozusagen der ganze Mensch neu eingerichtet wird.
Nicht zufällig lässt der Heilige Geist dabei unseren Mülleimer nicht
unbeachtet. Nimmt vorsichtig das ein oder andere ramponierte Stück
wieder heraus, um es vorsichtig und aufwändig zu restaurieren. Die
kindliche Zärtlichkeit, die mitleidende Verletzlichkeit, die
vorsichtige Achtsamkeit, die wir schon vor langer Zeit als
unbrauchbar und hinderlich für diese Welt weggeworfen hatten. Fast
hatten wir ihn schon vergessen, den Traum von einer besseren Welt,
den der Heilige Geist wieder wachruft, und der nach all den Jahren
so viel neue Farbe vertragen könnte. Die Hoffnung, dass das Gute
doch noch siegt und wir nicht alleine bleiben, wenn unsere Welt zu
Ende geht. Das und vieles andere holt der Heilige Geist wieder
hervor. Schließlich auch das, was von unserer Selbstachtung noch
übrig ist, was wir in falscher Demut für letzten Stolz hielten und
deshalb weggeschmissen haben. Der Heilige Geist hüllt es in seinen
Glanz; zeigt mir mich selbst als Gottes Kind. Gottes Kinder
verachten sich nicht und keiner darf sie verachten.
Und vielleicht rufen wir: Hör auf, es tut weh! Dann lächelt der
Heilige Geist, weil er weiß, dass er sein Werk erfolgreich
vollbracht hat. Ja, ab nun werden wir immer noch in der Welt sein,
aber schon nicht mehr von dieser Welt. Denn es regiert uns nicht
mehr, was in der Welt Gang und Gäbe ist, sondern der Geist Gottes.
Dann wird es uns weh tun, wie es dem Christus weh getan hat und weh
tut, wenn in der Welt auf dem Leben, dem Frieden, der Freiheit und
der Gerechtigkeit herumgetrampelt wird. Dann werden wir in Konflikt
geraten mit denen, die solches verleugnen, unter den Teppich kehren,
für normal halten oder fromm entschuldigen. Dann wird sich so
mancher christliche Seelenfrieden als geistloses Mitläufertum, als
fromme Mittäterschaft offenbaren. Dies geschieht in der Kirche immer
dann, wenn sie taub wird für das Wort ihres Herrn und auf dieses
nicht mehr angesprochen werden möchte. Denn der Heilige Geist, den
mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Landauf, landab lebt die Diskussion wieder auf, was die Kirche
eigentlich sei und wie sie sich eine Form geben kann, die ihrem
Wesen und ihrem Auftrag entspricht. Berliner Gemeinden waren der
Meinung, hierzu müsse das Evangelium befragt werden. Die
Kirchenleitung war anderer Meinung. Es sei abwegig die heutige
Gestalt der Kirche aus der Bibel abzuleiten. Hierzu müsse man die
moderne betriebswirtschaftliche Organisationstheorie heranziehen.
Opel war gestern, morgen ist die Kirche dran.
Das tut weh. So weh, wie die trostlose Predigt am Anfang, die wir
schon wieder vergessen haben. Da lächelt der Heilige Geist, weil er
weiß, dass er sein Werk in uns vollbracht hat. Und wir sollten auch
lächeln. Nicht nur weil heute Pfingsten ist, sondern weil wir
wissen, dass es grundfalsch wäre, solch trostlosen Kirchenleitungen
und Predigern den Heiligen Geist abzusprechen. Um Gottes Willen
nicht! Wir haben stattdessen die Hände zu falten und um so heftiger
für die Kirche, ja für die ganze Welt um Gottes Geist zu bitten.
Denn der Heilige Geist ist das, was die Kirche mit der ganzen Welt
am dringendsten braucht, damit sie bei Trost ist.
Dass durch den Heiligen Geist Gott in uns Wohnung macht, Leib und
Seele, Herz und Verstand neu einrichtet, wie es ihm gefällt, das
verleihe Gott uns und aller Welt.
Pfarrer Johannes Taig
(Hospitalkirche Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de) |
Text:
23 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer
mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn
lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.
24 Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das
Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der
mich gesandt hat.
25 Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin.
26 Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird
in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles
erinnern, was ich euch gesagt habe.
27 Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht
gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und
fürchte sich nicht. |