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      Liebe Leser, 
		 
		Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt 
		in Finsternis und macht das Herz uns schwer. 
		 
		Jubilate, freut euch, jubelt, heißt der heutige Sonntag. 
		Und man sollte meinen, die Osterfreude sollte an diesem Sonntag noch 
		etwas nachklingen. Aber der Predigtext aus dem 16. Kapitel des 
		Johannesevangeliums ist der Passionsgeschichte entnommen. Jesus nimmt 
		Abschied von seinen Jüngern. Und die verstehen nichts von dem, was er 
		sagt. Denn er ist sonderbar geworden in der letzten Zeit. Die 
		Leichtigkeit und Lebensfreude, die er früher ausstrahlte, war immer mehr 
		von ihm gewichen, je näher sie Jerusalem kamen. Früher hatte er ein 
		einnehmendes, ja geradezu einladendes Wesen gehabt. Man hatte keinerlei 
		Scheu verspürt, mit ihm zu reden. Aber nun rückte Jesus von ihnen weg. 
		Geradezu unnahbar wurde er, wenn er Worte sagte, wie die folgenden: 
		 
		Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht 
		mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.
		Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, 
		was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht 
		sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: 
		Ich gehe zum Vater? Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch 
		eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 
		 
		Alles an Jesus war nur noch verwirrend. Seine sonst so erheiternden 
		Worte machten nun Angst. Wo war er hin, der Jesus, den sie kannten? 
		 
		Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und 
		sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt 
		habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und 
		abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? Wahrlich, 
		wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt 
		wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in 
		Freude verwandelt werden. Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie 
		Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren 
		hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein 
		Mensch zur Welt gekommen ist. Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber 
		ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure 
		Freude soll niemand von euch nehmen. An dem Tag werdet ihr mich nichts 
		fragen. 
		 
		Nun, wir wissen, was Jesus meinte. Natürlich: Wir kennen den Verlauf der 
		weiteren Geschichte: Jesus zieht nach Jerusalem. Er wird gefangen 
		genommen und ermordet – aus den Händen seiner Jünger gerissen. Die 
		Jünger werden weinen und klagen – und die Welt wird sich an ihrem 
		Schmerz freuen. Ihr Schmerz aber wird nur einen kleine Weile dauern. Wir 
		wissen es: Drei Tage. Dann wird Jesus auferstehen und seine Jünger 
		wiedersehen. Er wird ihre Trauer in Freude verwandeln. 
		 
		Wir sitzen wie vor dem Fernseher und blicken auf diesen Jesusfilm. Und 
		wenn wir gut mitgehen, wie mein Opa das immer bei Übertragungen von 
		Fußballspielen tat, dann könnten wir den Jüngern durch den Bildschirm 
		hindurch zurufen: „Dumme Jünger! Denkt an Ostern! 
		Freut euch! Es kommt alles viel besser, als ihr jetzt sehen könnt!“
		Und dann könnte es sein, dass sich ein vorwitziger Regisseur 
		erlaubt hat, einen Untertitel einzublenden. Quer 
		über den Bildschirm läuft die Frage: „Wie sieht es denn mit dir aus? 
		Kannst du denn dem Namen dieses Sonntags entsprechen: Jubilate: 
		Jubelt!?“ 
		 
		Unversehens finden wir uns wieder in der Situation der Jünger in unserem 
		Predigttext. Denn wir leben doch wie sie im Grunde vor Ostern, nicht 
		danach: mit all unseren Fragen, die sich im Kreis drehen, wie die der 
		Jünger: 
		
      Wie sollen wir das denn verstehen: „Nur eine kleine Weile werdet ihr mich 
		nicht sehen und dann werdet ihr mich sehen.“ Diese kleine Weile dauert 
		ja nun schon beinahe zweitausend Jahre. 
		
      Wie sollen wir das denn verstehen: „Ich gehe zum Vater.“ Auf dem Grabstein 
		da steht's: „Hier ruht in Gott, mein lang
		ersehntes Kind, das schon heimging, bevor es ankam.“ - „Hier ruht 
		in Gott, mein Sohn, der vor mir starb.“ - „Hier ruht in Gott meine 
		geliebte Frau, die durch ihre Krankheit langsam meinen Händen entglitt.“ 
		- „Hier ruht in Gott mein geliebter Mann, mit dem ich fast mein ganzes 
		Leben verbracht habe. Er ist heimgegangen zum Vater.“-
		 „Hier ruht in Gott mein Leben.“ Wie sollen wir das denn 
		verstehen? 
		 
		Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und 
		sprach zu ihnen: „Ihr fragt euch untereinander, 
		was ich gemeint habe, als ich sagte: Noch eine kleine Weile, dann
		werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine
		kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? 
		Ja, wie soll man das verstehen, meine lieben Freunde und Freundinnen?“ 
		sagt Jesus da zu uns: „Ich will ehrlich mit euch 
		sein: Ihr werdet weinen und klagen, und die Welt 
		wird euch fremd; Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss 
		ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz 
		uns schwer. Ja, ich weiß, ihr werdet traurig 
		sein, - doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden.  
		 
		Ihr wisst es, Schwestern: Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat
		sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn
		sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht
		mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein
		Mensch zur Welt gekommen ist. Die Schmerzen sind nicht vergessen, 
		meine Schwestern, ihr wisst es, aber die Freude wiegt sie tausendfach 
		auf. Jetzt seid ihr traurig; aber
		ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich
		freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
		An dem Tag werden euere Fragen die lang ersehnten Antworten 
		finden. Dann werdet ihr mich nichts mehr fragen müssen.
		Ich will euch wieder sehen.“ 
		 
		Ja, werden wir dann auch unsere Lieben wieder sehen?
		Sag uns doch ein Ja, Herr, damit der Abschied ein Abschied auf 
		Zeit bleiben kann. Und seine Antwort: ICH will 
		euch wiedersehen. Die Freude, von der er spricht, ist nicht auf uns, 
		sondern auf IHN bezogen. Die Härte des Abschieds von unseren Lieben wird 
		nicht weggeredet mit einem „ihr werdet euch wiedersehen“, wie es 
		vielleicht manchmal allzu schnell kommt.  
		Im Gegenteil: „Ihr werdet weinen“. Mit beinahe erschreckender Klarheit 
		wird dies ausgesprochen. ICH werde euere Schmerzen in Freude verwandeln, 
		indem ICH euch wiedersehe. Ist das zu wenig? Kann die Freude darin 
		bestehen, dass wir uns gerade nicht selbst freuen müssen? Dann wäre der 
		Name dieses Sonntags keine Aufforderung: Jubelt doch! Nein, er wäre ein 
		Versprechen: Ihr werdet jubeln. ICH sorge dafür. 
		 
		Das ist vielleicht das größte Geheimnis jenes Wiedersehens; nicht wir 
		müssen sehen. Nicht wir müssen den Sinn dieses Jesusfilms verstehen, der 
		uns hier gezeigt wird. Nicht wir müssen Einblick gewinnen in die 
		Antworten auf unsere Fragen, sondern wir werden gesehen. Christus behält 
		uns und unsere Lieben im Auge auch dort, wo wir die Augen fest 
		verschließen vor ihm. Auch dort, wo die Härte dieser Welt uns die Augen 
		zudrückt.  
		 
		Die Freude liegt letztlich nicht an uns und unserem ach so tatkräftigen 
		Glauben. Sondern vor diesem Glauben liegt immer schon Christus, der uns 
		wiedersehen will. Und dies ist in Leid, in Trauer, aber auch in Zeiten 
		des Zweifels unser vielleicht stiller, vielleicht nicht 
		demonstrierbarer, aber doch unverbrüchlicher Trost: Wir können gar nicht 
		so mit Dunkelheit geschlagen werden, dass Christus uns nicht wiedersehen 
		kann, wir dürfen und können zu allen Zeiten der Verwirrung und der 
		Leiden uns gesagt sein lassen: "Ich will euch 
		wiedersehen!" 
		 
		Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr, die Zukunft liegt 
		in Finsternis und macht das Herz uns schwer. Doch der Himmel wölbt sich 
		übers Land, ade, auf Wiedersehn! Wir ruhen all in Gottes Hand, lebt 
		wohl, auf Wiedersehn.  
		
      
      
      Vikar Michael Krauß   
      (Hospitalkirche Hof) 
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      Text: 
      
		 16 Noch eine kleine Weile, 
		dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, 
		dann werdet ihr mich sehen. 
		17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was 
		er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht 
		sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: 
		Ich gehe zum Vater? 
		18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine 
		Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 
		19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: 
		Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine 
		kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine 
		Weile, dann werdet ihr mich sehen? 
		20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber 
		die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure 
		Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. 
		21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde 
		ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr 
		an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen 
		ist. 
		22 Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, 
		und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch 
		nehmen. 
		23 An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen. 
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