Liebe Leser,
Wie geht’s Dir?, so fragt man gemeinhin zum
Geburtstag. Und so könnten wir uns heute auch fragen. Pfingsten ist der
Geburtstag der Kirche. Ein Ausleger schreibt:
„Die Stimmung ist nicht gut, nicht bei den Frommen und noch weniger bei
den Weltkindern. Es scheint so, als feiere ein jeder am liebsten sich
selbst, nicht sein Volk und sein Land und schon gar nicht seine Kirche.
Elementare Zugehörigkeiten gelten nicht mehr als selbstverständlich. Als
späte Frucht eines neuen Emanzipationsschubs ist die Kirche ins
Zwielicht geraten. Sie stört den Fortschritt. Also muss sie als
Sündenbock herhalten. Bestätigt sie kirchlichen Gruppierungen nicht
deren politische oder fromme (Vor-)Urteile, dann ist sie vor allem dazu
gut, im Büßerhemd ein Schuldbekenntnis zu sprechen als Hintergrund für
die eigene Rechthaberei.
In dieser Situation wirken die für den Weg der Kirche Verantwortlichen
seltsam gelähmt, voller Hemmungen. Sie reagieren mehr, als dass sie
offensiv würden. Sie geben teure Untersuchungen in Auftrag mit der
Frage, wie stabil die Kirche sei oder was aus ihr werde. Aber damit
kommen sie nicht ins Freie, fallen die Lähmungen nicht von ihnen ab. Es
herrscht Abschiedsstimmung. … In der Gemeinde des Johannes ist es der
Abschied Jesu, der seine Jünger ratlos macht und mit Trauer erfüllt.
Vielleicht wäre bereits viel gewonnen, wir fragten weniger nach der
Zukunft der Kirche und mehr nach unserer Situation ohne die leibhaftige
Nähe Jesu. Denn die Kraft der Kirche hängt ab von der Anwesenheit oder
Abwesenheit Jesu, seiner Nähe oder Ferne, nicht von der Einschätzung der
Medien und noch weniger der eigenen Depressivität.“ (Hartmut Löwe, in
GPM, Heft 3/1993, 47. Jahrgang, S. 262f.)
Zum Geburtstag der Kirche ist die höfliche Nachfrage nach dem eigenen
Wohlbefinden also besonders fehl am Platz. Genauso die fromme Nabelschau
und die Beschäftigung mit sich selbst. Als die Jünger nach der
Himmelfahrt ihres Herrn nach Hause gehen, ist das Leben, Leiden und
Auferstehen ihres Herrn Geschichte. Es war einmal. Was bleibt, sind
schöne und schmerzliche Erinnerungen. Aber Glaube? Wie kann man an einen
Herrn Glauben, der nicht mehr da ist? Wir sehen daran, dass die
Beschäftigung mit der Historizität, mit „geschichtlichen Tatsachen“
sowohl was ihre Bestreitung, als auch was ihre Verteidigung angeht, den
Glauben nicht wirklich weiterbringt. Dass der Christus nicht da ist,
nicht gesehen, nicht berührt werden kann, ist die Anfechtung und die
Trauer des Glaubens.
Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Jünger herzlich wenig
interessiert, wo der Christus hingeht. Deshalb ist es nur folgerichtig,
dass Jesus keine Antworten auf nicht gestellte Fragen gibt, sondern den
Jüngern darüber Auskunft gibt, wie er in Zukunft als der Abwesende
anwesend sein wird: „Ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch,
dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht
zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“
Das ist wirklich ein Abschied der besonderen Art. Ein Abschied, bei dem
die Jünger nichts verlieren, sondern nur gewinnen. Herzlichen
Glückwunsch. Der Christus geht fort um noch gewaltiger da zu sein. Er
schickt den Heiligen Geist. Tröster wird er genannt, Mutmacher. Er ist
der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden. Er ist das Sprachrohr Jesu
Christi auf Erden. Und das ist natürlich auch kritisch gegen ein
Papsttum gesagt, das diese beiden Dinge von sich behauptet. Das ist
natürlich kritisch gegen jede Kirche gesagt, die sich mit dem Heiligen
Geist verwechselt oder ihn als ihren Besitz reklamiert. Stellvertreter
und Sprachrohr Jesu Christi ist der Tröster und Mutmacher. Denn der
Geist und der Sohn und der Vater sind eins. Er wird mich verherrlichen;
denn von dem Meinen wird er's nehmen und euch verkündigen. Der Heilige
Geist ist der wahre Prediger des Evangeliums von Jesus Christus.
Und noch mehr: Der Heilige Geist vergegenwärtigt die Geschichte Jesu
Christi als Pointe unseres Lebens und der ganzen Weltgeschichte. Er
vollendet die Welt, indem er das Erlösungswerk Jesu Christi zur
Durchsetzung bringt. Mit dem Kommen des Heiligen Geistes ist das
Schicksal der Welt auf heilvolle Weise besiegelt.
Deshalb müssen sich an diesem Geist, der der Christusgeist ist, alle
Geister scheiden. Jesus deutet es seinen Jüngern an drei Punkten in
überraschender Weise an.
Und er wird der Welt die Augen auftun über die Sünde, dass sie nicht an
mich glauben. Nein, der Heilige Geist ist kein Moralist und kein
Terrorist der Tugend. Er ist das Band der Liebe, vinculum caritatis,
zwischen Vater und Sohn. Er ist der, der auch uns als Band der Liebe mit
Gott in neuer Weise verbinden will. Das können wir nicht aus eigener
Vernunft noch Kraft: an Gott glauben, ihm vertrauen, uns in seine Hand
fallen lassen. Es ist ein Werk des Heiligen Geistes für ein neues, gutes
Verhältnis zwischen Gott und uns, Gott und der Welt, zwischen uns und
den Mitmenschen, zwischen uns und der Schöpfung zu sorgen. Wo das
geschieht, werden alle kaputten Verhältnisse auf unserer Welt allererst
sichtbar: als Sünde des Unglaubens, es vielleicht doch lieber aus
eigener Vernunft und Kraft zu schaffen. Der Unglauben hat nur ein
Verhältnis zu sich selbst. Der Glauben macht beziehungsreich.
Und er wird der Welt die Augen auftun über die Gerechtigkeit: dass ich
zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht. Der Heilige Geist
vergegenwärtigt die Geschichte Jesu Christi von der Menschwerdung, vom
Leiden, Sterben, Auferstehen und Heimkehren als ein Leben nach Gottes
Geschmack und Willen. In der Teilhabe an dieser Geschichte liegt unser
Schicksal und das Schicksal der Welt beschlossen. Niemand kommt zum
Vater, denn durch mich.
Und er wird der Welt die Augen auftun über das Gericht: dass der Fürst
dieser Welt gerichtet ist. Der Tröster und Mutmacher erzählt vom guten
Ende aller Dinge. Die Rechte des Herrn behält den Sieg. Dem Fürst dieser
Welt darf ins Angesicht gelacht werden. Es ist deshalb alles andere als
geistreich, wenn besonders Fromme den Sherlock Holmes auf der Suche nach
dem Teufel geben. In Tanz- und Kinosälen, ja sogar in Schulbüchern und
auf Schulbesinnungstagen wird er vermutet und identifiziert mitsamt
seinem schrecklichen spiritistischen, okkulten und esoterischem Anhang.
Mit Furcht und Zittern, Angst und Schrecken versucht man sich und die
Kinder in Sicherheit zu bringen vor der ewigen Verdammnis und fühlt sich
dann auch noch als Märtyrer, wenn alle Welt lacht. Und die Engel im
Himmel lachen mit. Das ist nicht Ausdruck eines starken und konsequenten
Glaubens, sondern eines schwachen Glaubens, der der Macht des Teufels
viel und der Macht des Christus wenig zutraut. Der rechte Glaube weiß,
warum der Fürst dieser Welt nicht ins Glaubensbekenntnis gehört, sondern
der, der der Schlange den Kopf bereits zertreten hat.
Der baut seinen Jüngern zum Abschied auch kein Fundament des Glaubens,
gegossen für alle Zeiten in einen Beton aus Heilstatsachen und
Lebensvorschriften. Auf so einem Fundament würde kein Gras wachsen. Ich
habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in
alle Wahrheit leiten. Jesus mutet den Jüngern und uns zu, in jeder
Situation und zu allen Zeiten mit der Führung durch seinen Geist zu
rechnen, der uns aus und durch das Evangelium zeigt, worin unsere
Zukunft liegt.
Und deshalb haben wir nicht nur am Geburtstag der Kirche keine Zeit, uns
mit uns selbst zu beschäftigen, mit Analysen und Studien zur Zukunft der
Kirche, mit den Urteilen, Einschätzungen und Wünschen aus Medien und
Gesellschaft. Wir nehmen sie freundlich und interessiert zur Kenntnis
und spitzen unsere Ohren, öffnen unsere Herzen für den Tröster und
Mutmacher, für den einen Berater, vor dem sich McKinsey und Co nur
verstecken kann. 2000 Jahre hat er seine Kirche erhalten. Zu ihm dürfen
wir uns dankbar beglückwünschen.
Pfarrer Johannes Taig (Hospitalkirche
Hof)
(weitere Predigten von Pfarrer Taig finden Sie exklusiv unter
www.kanzelgruss.de)
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Text:
16,5 Jetzt aber gehe ich hin
zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst
du hin?
16,6 Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
16,7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich
weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch.
Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.
16,8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde
und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
16,9 über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
16,10 über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich
hinfort nicht seht;
16,11 über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
16,12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht
ertragen.
16,13 Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch
in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden;
sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist,
wird er euch verkündigen.
16,14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er's nehmen
und euch verkündigen.
16,15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er
wird's von dem Meinen nehmen und euch verkündigen. |