Liebe Leser,
„Ich bin in den Weltraum geflogen, aber Gott habe ich dort nicht
gesehen." Juri Gagarin, ein russischer Kosmonaut, soll diesen Satz
gesagt haben. Der amerikanische Astronaut James Irwin hatte jedoch
eine ganz andere Erfahrung Er sah beim Betreten des Mondes die Erde
so, wie sie nur wenige Menschen je gesehen haben. Er nahm dort die
gewaltige Gegenwart Gottes wahr. Ihm wurde auf einmal bewusst, dass
es Gott gibt, der alles geschaffen hat.
Ja und dann gibt es in der Bibel noch einen schönen Vers aus dem
Hebräerbrief (Hebräer 11, 1): „Es ist aber der Glaube eine fester
Zuversicht, auf das was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem was
man nicht sieht.“ Diese ganzen Aussagen können einen ganz schön
verwirren. Der eine zweifelt in keinster Art und Weise daran, dass
es Gott nicht gibt. Für ihn steht es außer Zweifel: Es gibt keinen
Gott. Der andere hat seine Gotteszweifel verloren und kann aus
seiner Erfahrung als Astronaut nur sagen: Es steht außer Zweifel,
dass es Gott gibt bei einer so wundervoll erschaffenen Erde.
Ja und dann sollen wir nicht zweifeln an dem, was wir nicht sehen.
Also irgendwie ist das Ganze doch etwas undurchsichtig. Sehen wir
uns aber unseren heutigen Predigttext an, kann vielleicht etwas
Licht in die dunkle Sache kommen. Hören wir zuerst den ersten Teil:
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die
Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor
den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen:
"Friede sei mit euch!" Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen
die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den
Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: "Friede sei mit
euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Und als er
das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: "Nehmt hin
den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie
erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten."
Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht
bei ihnen, als Jesus kam.
Die Jünger waren verängstigt, seit Jesus gestorben war. Die Frauen
hatten den Auferstandenen gesehen, aber die Jünger noch nicht. Aus
Angst vor den Juden schlossen sie sich in einem Haus ein. Sie
wussten einfach nicht mehr, wie es weiter gehen sollte. Auf einmal
jedoch tritt Jesus mitten unter sie und ruft: „Friede sei mit euch!“
Wir können uns vorstellen, wie erstaunt die Jünger wohl gewesen
waren. Bestimmt freuten sie sich, dass sie Jesus wiedersehen und in
Augenschein nehmen konnten. „Friede sei mit Euch“, sagte er. Ja
Friede in allem inneren Unfrieden, das konnten die Jünger
gebrauchen. Endlich sahen sie wieder den, der ihnen Halt im Leben
gegeben hatte. Ich denke wenn wir uns das ganze bildlich als Film
vorstellen würden, könnten wir die Erleichterung sehen, die den
Jüngern dann ins Gesicht geschrieben war. Vielleicht würde man auch
den Stein erkennen, der ihnen vom Herzen fiel.
Schön, die Jünger haben Jesus leibhaftig gesehen. Wir haben ihn noch
nicht leibhaftig gesehen und der Astronaut Irwin auch nicht. Er hat
nur die Größe Gottes gesehen. Aber dennoch, denke ich, gibt es viele
Momente in unserem Leben, wo wir Gott und den auferstandenen
Christus ganz konkret in seinem Handeln erleben dürfen, auch wenn
wir ihn nicht sehen. Da gibt es manchmal wunderbare Fügungen im
Leben, bei denen man sagen kann, ja da hat Gott gelenkt. Dann kann
man den schönen Satz zitieren: „Der Mensch denkt und Gott lenkt.“
Da hat man Momente im Gottesdienst, wo man merkt, dass Gott ganz
persönlich zu einem spricht, indem er einem immer wieder aufrichtet
und tröstet. Da erlebt man Menschen, die einem aufrichten und so die
Liebe Gottes weiter geben. Es gäbe bestimmt noch mehr
Gotteserfahrungen aufzuzählen. In solchen Situationen merkt man Gott
ist wirklich mitten unter uns und da können auch große Steine vom
Herzen fallen. Und wenn dann so etwas geschehen ist, dann geht uns
auch das Herz über und wir möchten vielleicht vielen Menschen
erzählen, wie sehr wir doch in letzter Zeit Gottes Hilfe erfahren
haben. „Gott hilft, er hat geholfen und er wird auch weiterhelfen.“
So lautet ein Spruch aus dem Frankenwald, mit dem die Menschen die
Hilfe Gottes bezeugt haben.
Dennoch denke ich sind hier in unserem Gottesdienst auch Menschen,
die das nicht so sehen können. Ich meine, es gibt genug Leute, denen
Gott manchmal ganz weit weg scheint. Ach all die anderen erleben
Gottes Hilfe, aber mir geht es doch immer wieder schlecht. In meinem
Umfeld passieren immer wieder so viel schlimme Dinge. Warum gibt es
im Moment so viele Menschen, die an Krebs erkranken und nicht
geheilt werden können? Warum hört man zur Zeit in dieser Welt nur
Schlechtes? Solche Fragen treiben viele Menschen und auch mich
manchmal um. Warum kann ich Gott jetzt nicht sehen? Ich könnte doch
wirklich einfacher glauben, wenn ich Gott sehe. Dabei sind wir
jedoch nicht in schlechter Gesellschaft. Denn unser Bibeltext geht
noch weiter und zeigt uns auch die andere Seite.
Als Thomas, der nicht dabei war, als Jesus
erschien, wieder zu den Jüngern kam, da sagten die andern Jünger zu
ihm: "Wir haben den Herrn gesehen." Er aber sprach zu ihnen: "Wenn
ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in
die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's
nicht glauben."
Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt,
und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen
waren, und tritt mitten unter sie und spricht: "Friede sei mit
euch!" Danach spricht er zu Thomas: "Reiche deinen Finger her und
sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine
Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" Thomas antwortete
und sprach zu ihm: "Mein Herr und mein Gott!" Spricht Jesus zu ihm:
"Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind,
die nicht sehen und doch glauben!"
„Nein, liebe Jüngerkollegen, was ihr da erzählt da kann ich im
Moment nicht mit“, sagte Thomas. Das glaube ich nicht, weil ich
nichts gesehen habe. Ich glaube es wirklich erst, wenn ich meine
Finger in seine Nägelmale lege. Das verstehe ich sehr gut. Oft
begegnen mir Menschen, die wie wir vorhin schon hören durften, so
freudig davon erzählen, dass sie Gott in ihrem Leben erfahren haben,
ich aber selbst im Moment gar nichts spüre von seiner Macht. Ja
schön, ihr könnt glauben aber ich kann im Moment nicht glauben. Ich
sehe ja nichts.
Schauen wir mal unsere Geschichte genauer an. Thomas sagte, ich sehe
ja nichts und ich glaube wirklich erst, wenn ich etwas gesehen habe.
Er zählt dann auch noch ganz konkret auf, was er sehen möchte. Ich
sehe nichts sagte Thomas, jedoch Jesus hat Thomas gesehen. Ganz
unverhofft tritt er wieder in sein Leben. Er kommt und sagt Friede
sei mit Dir. Dabei lässt Jesus aber diesmal nicht bewenden, denn
Jesus hat seine Zweifel gesehen. Thomas muss Jesus nicht erst
bitten: „Zeige mir Deine Hände.“ Nein Jesus fordert Thomas auf die
Finger in seine Hände zu legen. Dies ist genau das Zeichen, welches
sich Thomas gewünscht hat.
Das hat mich doch sehr bewegt. Jesus sieht uns und kennt uns durch
und durch. Er weiß, was wir brauchen bevor wir es ihm sagen. Er
kennt unsere Zweifel und möchte uns weiterhelfen. Das ist doch eine
wunderbar. Jesus ist da in all unserem Zweifeln und Zagen. Aber
dennoch sagt Jesus zu Thomas dann doch noch einen Schlusssatz. „Weil
du mich gesehen hast, darum glaubst Du. Selig sind, die nicht sehen
und doch glauben.“ Das fordert uns jedoch wieder heraus. Manchmal
frage ich mich da, wie kann ich so ein standhafter Mensch werden,
der glaubt obwohl er nichts sieht.
Bei allem Fragen habe ich durch die Übersetzung dieses Verses von
Jörg Zink eine gute Hilfe gefunden. Er schreibt: Reich und begnadet
ist, wer nicht geschaut hat und doch vertraut (NT nach Jörg Zink,
Johannes 20,29b). Zink zeigt uns es ist eine Gnade, dass ich so ein
Vertrauen habe. Und diese Gnade kann nur Gott mir schenken. Das
Vertrauen kann ich also nicht aus mir selbst und aus meiner eigenen
Kraft bekommen. Das Vertrauen ist eine Gnade, die Gott mir schenken
muss.
Ich denke, das ist ein großer Schlüssel, der auch das Leben vieler
Christen und auch das Leben des Astronauten Irwin verändert hat. Das
Vertrauen ist eine Gnade, die Gott uns schenken möchte. Manchmal
erfährt man mehr von dieser Gnade und manchmal weniger. Man muss
immer wieder im Gebet darum ringen. Und dann geschehen aber auch
nicht immer große Glaubensdinge. Das kann es schon mal geben, aber
muss es nicht. Nein, es geschieht, das Einfache, genauso wie sich
Jesu auch hier bei seinen Jüngern gezeigt hat. „Friede sei mit
euch!“, das hat er in unserer Geschichte mehrmals gesagt. Ja er
möchte auch, dass unsere unruhigen Herzen, wie die der ersten
Jünger, wieder Frieden erfahren. Was damals geschah gilt auch heute
noch. Es muss nicht immer alles glatt gehen, aber Gott möchte uns
seinen Frieden schenken.
Schauen wir dabei nochmals auf das Leben des Astronauten Irwin. Der
Astronaut Irwin wurde in seinem Leben auch nicht vor allem bewahrt.
Auf einer Konzerttour mit dem bekannten christlichen Liedermacher
Siegfried Fietz verstarb er plötzlich an einem Herzversagen mit nur
61 Jahren. Auch noch so glaubensstarke Menschen werden von allem
Unglück befreit und leben nicht ewig. Das sehen wir auch bei
Dietrich Bonhoeffer, dessen siebzigsten Todestag wir in dieser Woche
gedacht haben. Wenn wir das alles so betrachten, kann der Vers: „Es
ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man Hofft und
ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“, so vielleicht zu
einer Vollendung finden. Das ist für manche jedoch nur ein schwacher
Trost, dem Zweifelnden und auch dem fest Glaubenden. Und der
Nichtglaubende kann sagen: „Ja wo war denn der Gott von James Irwin
und der Gott Bonhoeffers?“
Wenn man sich jedoch den Glauben aus Gottes Gnade schenken lässt,
dann kann mit dem Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht
vielleicht etwas besser umgehen. In diesem Sinne hat auch Jörg Zink
diesen Vers aus dem Hebräerbrief übersetzt: „Glaube besteht darin,
dass das gegenwärtige Leben durch die Hoffnung auf Künftiges
bestimmt ist, dass es sich dem unsichtbaren Wirken Gottes aussetzt
und sich von ihm prägen lässt.“ (NT nach Jörg Zink, Hebräer 11, 1)
Deshalb wünsche ich heute uns allen mit den ermutigenden Worten von
Jörg Zink einen tiefen Frieden, der in unser Herz kommt, durch das
gnädige unsichtbare Wirken Gottes. Dieses Geschenk des Friedens kann
all unser Zweifel immer wieder besiegen.
Prädikantin Susanne Biegler,
Hospitalkirche Hof |
Text: 19 Am Abend aber dieses
ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen
verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat
mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine
Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich
der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu
ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und
welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 24 Thomas aber,
der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als
Jesus kam.
25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen.
Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die
Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine
Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen
versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen
verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede
sei mit euch!
27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh
meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite,
und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum
glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
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