Predigt     Johannes 20/19-29     Quasimodogeniti     12.04.2015

"Vom Sehen und Gesehenwerden"
(von Prädikantin Susanne Biegler, Hospitalkirche Hof)

Liebe Leser,

„Ich bin in den Weltraum geflogen, aber Gott habe ich dort nicht gesehen." Juri Gagarin, ein russischer Kosmonaut, soll diesen Satz gesagt haben. Der amerikanische Astronaut James Irwin hatte jedoch eine ganz andere Erfahrung Er sah beim Betreten des Mondes die Erde so, wie sie nur wenige Menschen je gesehen haben. Er nahm dort die gewaltige Gegenwart Gottes wahr. Ihm wurde auf einmal bewusst, dass es Gott gibt, der alles geschaffen hat.

Ja und dann gibt es in der Bibel noch einen schönen Vers aus dem Hebräerbrief (Hebräer 11, 1): „Es ist aber der Glaube eine fester Zuversicht, auf das was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem was man nicht sieht.“ Diese ganzen Aussagen können einen ganz schön verwirren. Der eine zweifelt in keinster Art und Weise daran, dass es Gott nicht gibt. Für ihn steht es außer Zweifel: Es gibt keinen Gott. Der andere hat seine Gotteszweifel verloren und kann aus seiner Erfahrung als Astronaut nur sagen: Es steht außer Zweifel, dass es Gott gibt bei einer so wundervoll erschaffenen Erde.

Ja und dann sollen wir nicht zweifeln an dem, was wir nicht sehen. Also irgendwie ist das Ganze doch etwas undurchsichtig. Sehen wir uns aber unseren heutigen Predigttext an, kann vielleicht etwas Licht in die dunkle Sache kommen. Hören wir zuerst den ersten Teil:

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: "Friede sei mit euch!" Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. Da sprach Jesus abermals zu ihnen: "Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: "Nehmt hin den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten." Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.

Die Jünger waren verängstigt, seit Jesus gestorben war. Die Frauen hatten den Auferstandenen gesehen, aber die Jünger noch nicht. Aus Angst vor den Juden schlossen sie sich in einem Haus ein. Sie wussten einfach nicht mehr, wie es weiter gehen sollte. Auf einmal jedoch tritt Jesus mitten unter sie und ruft: „Friede sei mit euch!“ Wir können uns vorstellen, wie erstaunt die Jünger wohl gewesen waren. Bestimmt freuten sie sich, dass sie Jesus wiedersehen und in Augenschein nehmen konnten. „Friede sei mit Euch“, sagte er. Ja Friede in allem inneren Unfrieden, das konnten die Jünger gebrauchen. Endlich sahen sie wieder den, der ihnen Halt im Leben gegeben hatte. Ich denke wenn wir uns das ganze bildlich als Film vorstellen würden, könnten wir die Erleichterung sehen, die den Jüngern dann ins Gesicht geschrieben war. Vielleicht würde man auch den Stein erkennen, der ihnen vom Herzen fiel.

Schön, die Jünger haben Jesus leibhaftig gesehen. Wir haben ihn noch nicht leibhaftig gesehen und der Astronaut Irwin auch nicht. Er hat nur die Größe Gottes gesehen. Aber dennoch, denke ich, gibt es viele Momente in unserem Leben, wo wir Gott und den auferstandenen Christus ganz konkret in seinem Handeln erleben dürfen, auch wenn wir ihn nicht sehen. Da gibt es manchmal wunderbare Fügungen im Leben, bei denen man sagen kann, ja da hat Gott gelenkt. Dann kann man den schönen Satz zitieren: „Der Mensch denkt und Gott lenkt.“

Da hat man Momente im Gottesdienst, wo man merkt, dass Gott ganz persönlich zu einem spricht, indem er einem immer wieder aufrichtet und tröstet. Da erlebt man Menschen, die einem aufrichten und so die Liebe Gottes weiter geben. Es gäbe bestimmt noch mehr Gotteserfahrungen aufzuzählen. In solchen Situationen merkt man Gott ist wirklich mitten unter uns und da können auch große Steine vom Herzen fallen. Und wenn dann so etwas geschehen ist, dann geht uns auch das Herz über und wir möchten vielleicht vielen Menschen erzählen, wie sehr wir doch in letzter Zeit Gottes Hilfe erfahren haben. „Gott hilft, er hat geholfen und er wird auch weiterhelfen.“ So lautet ein Spruch aus dem Frankenwald, mit dem die Menschen die Hilfe Gottes bezeugt haben.

Dennoch denke ich sind hier in unserem Gottesdienst auch Menschen, die das nicht so sehen können. Ich meine, es gibt genug Leute, denen Gott manchmal ganz weit weg scheint. Ach all die anderen erleben Gottes Hilfe, aber mir geht es doch immer wieder schlecht. In meinem Umfeld passieren immer wieder so viel schlimme Dinge. Warum gibt es im Moment so viele Menschen, die an Krebs erkranken und nicht geheilt werden können? Warum hört man zur Zeit in dieser Welt nur Schlechtes? Solche Fragen treiben viele Menschen und auch mich manchmal um. Warum kann ich Gott jetzt nicht sehen? Ich könnte doch wirklich einfacher glauben, wenn ich Gott sehe. Dabei sind wir jedoch nicht in schlechter Gesellschaft. Denn unser Bibeltext geht noch weiter und zeigt uns auch die andere Seite.

Als Thomas, der nicht dabei war, als Jesus erschien, wieder zu den Jüngern kam, da sagten die andern Jünger zu ihm: "Wir haben den Herrn gesehen." Er aber sprach zu ihnen: "Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben."
Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: "Friede sei mit euch!" Danach spricht er zu Thomas: "Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" Thomas antwortete und sprach zu ihm: "Mein Herr und mein Gott!" Spricht Jesus zu ihm: "Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"

„Nein, liebe Jüngerkollegen, was ihr da erzählt da kann ich im Moment nicht mit“, sagte Thomas. Das glaube ich nicht, weil ich nichts gesehen habe. Ich glaube es wirklich erst, wenn ich meine Finger in seine Nägelmale lege. Das verstehe ich sehr gut. Oft begegnen mir Menschen, die wie wir vorhin schon hören durften, so freudig davon erzählen, dass sie Gott in ihrem Leben erfahren haben, ich aber selbst im Moment gar nichts spüre von seiner Macht. Ja schön, ihr könnt glauben aber ich kann im Moment nicht glauben. Ich sehe ja nichts.

Schauen wir mal unsere Geschichte genauer an. Thomas sagte, ich sehe ja nichts und ich glaube wirklich erst, wenn ich etwas gesehen habe. Er zählt dann auch noch ganz konkret auf, was er sehen möchte. Ich sehe nichts sagte Thomas, jedoch Jesus hat Thomas gesehen. Ganz unverhofft tritt er wieder in sein Leben. Er kommt und sagt Friede sei mit Dir. Dabei lässt Jesus aber diesmal nicht bewenden, denn Jesus hat seine Zweifel gesehen. Thomas muss Jesus nicht erst bitten: „Zeige mir Deine Hände.“ Nein Jesus fordert Thomas auf die Finger in seine Hände zu legen. Dies ist genau das Zeichen, welches sich Thomas gewünscht hat.

Das hat mich doch sehr bewegt. Jesus sieht uns und kennt uns durch und durch. Er weiß, was wir brauchen bevor wir es ihm sagen. Er kennt unsere Zweifel und möchte uns weiterhelfen. Das ist doch eine wunderbar. Jesus ist da in all unserem Zweifeln und Zagen. Aber dennoch sagt Jesus zu Thomas dann doch noch einen Schlusssatz. „Weil du mich gesehen hast, darum glaubst Du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Das fordert uns jedoch wieder heraus. Manchmal frage ich mich da, wie kann ich so ein standhafter Mensch werden, der glaubt obwohl er nichts sieht.

Bei allem Fragen habe ich durch die Übersetzung dieses Verses von Jörg Zink eine gute Hilfe gefunden. Er schreibt: Reich und begnadet ist, wer nicht geschaut hat und doch vertraut (NT nach Jörg Zink, Johannes 20,29b). Zink zeigt uns es ist eine Gnade, dass ich so ein Vertrauen habe. Und diese Gnade kann nur Gott mir schenken. Das Vertrauen kann ich also nicht aus mir selbst und aus meiner eigenen Kraft bekommen. Das Vertrauen ist eine Gnade, die Gott mir schenken muss.

Ich denke, das ist ein großer Schlüssel, der auch das Leben vieler Christen und auch das Leben des Astronauten Irwin verändert hat. Das Vertrauen ist eine Gnade, die Gott uns schenken möchte. Manchmal erfährt man mehr von dieser Gnade und manchmal weniger. Man muss immer wieder im Gebet darum ringen. Und dann geschehen aber auch nicht immer große Glaubensdinge. Das kann es schon mal geben, aber muss es nicht. Nein, es geschieht, das Einfache, genauso wie sich Jesu auch hier bei seinen Jüngern gezeigt hat. „Friede sei mit euch!“, das hat er in unserer Geschichte mehrmals gesagt. Ja er möchte auch, dass unsere unruhigen Herzen, wie die der ersten Jünger, wieder Frieden erfahren. Was damals geschah gilt auch heute noch. Es muss nicht immer alles glatt gehen, aber Gott möchte uns seinen Frieden schenken.

Schauen wir dabei nochmals auf das Leben des Astronauten Irwin. Der Astronaut Irwin wurde in seinem Leben auch nicht vor allem bewahrt. Auf einer Konzerttour mit dem bekannten christlichen Liedermacher Siegfried Fietz verstarb er plötzlich an einem Herzversagen mit nur 61 Jahren. Auch noch so glaubensstarke Menschen werden von allem Unglück befreit und leben nicht ewig. Das sehen wir auch bei Dietrich Bonhoeffer, dessen siebzigsten Todestag wir in dieser Woche gedacht haben. Wenn wir das alles so betrachten, kann der Vers: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man Hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“, so vielleicht zu einer Vollendung finden. Das ist für manche jedoch nur ein schwacher Trost, dem Zweifelnden und auch dem fest Glaubenden. Und der Nichtglaubende kann sagen: „Ja wo war denn der Gott von James Irwin und der Gott Bonhoeffers?“

Wenn man sich jedoch den Glauben aus Gottes Gnade schenken lässt, dann kann mit dem Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht vielleicht etwas besser umgehen. In diesem Sinne hat auch Jörg Zink diesen Vers aus dem Hebräerbrief übersetzt: „Glaube besteht darin, dass das gegenwärtige Leben durch die Hoffnung auf Künftiges bestimmt ist, dass es sich dem unsichtbaren Wirken Gottes aussetzt und sich von ihm prägen lässt.“ (NT nach Jörg Zink, Hebräer 11, 1) Deshalb wünsche ich heute uns allen mit den ermutigenden Worten von Jörg Zink einen tiefen Frieden, der in unser Herz kommt, durch das gnädige unsichtbare Wirken Gottes. Dieses Geschenk des Friedens kann all unser Zweifel immer wieder besiegen.

Prädikantin Susanne Biegler, Hospitalkirche Hof

Text:

19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!
20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.
21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 24 Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.
25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben.
26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!
27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott!
29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
 


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