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      Liebe Leser, 
		 
		eine illustre Gesellschaft von sieben Jüngern 
		wird uns hier vorgestellt. Allesamt Jünger der ersten Stunden, die eine 
		wechselvolle Geschichte mit Jesus hinter sich hatten. Sie waren die 
		ersten, die Jesus nachfolgten; die sich anstecken ließen von seiner 
		großartigen Vision; die ersten, die sich zu ihm als dem Messias, König 
		von Israel, Kyrios und Gott bekannten. Drei von 
		ihnen, Simon Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus hatte Jesus hier 
		am See zu seinen Jüngern berufen: „Folgt mir nach, ihr sollt 
		Menschenfischer sein, sollt Menschen für mich gewinnen.“ 
		 
		Und man muss sagen, es hatte gut angefangen. Immer mehr Menschen 
		strömten Jesus zu – in Fülle- Tausende. Einmal waren es 5000. Die Netze 
		drohten zu reißen. Man hatte Angst, sie nicht satt zu bekommen. Aber es 
		blieb so viel Essen übrig, dass man noch viel mehr satt bekommen hätte.
		Ja, man hatte gemeinsam gehofft, gemeinsam gefeiert und geplant. 
		Man hatte gezweifelt und es doch gewagt. Herausgekommen ist der Tod. 
		Leider allzu oft die Tragik des Lebens. Gerade wenn man viel wagt und 
		einer so großartigen Vision folgt, wie der Vision Jesu vom Reich Gottes. 
		 
		Wenn die Jünger also hier in unserem Predigttext Jesus als dem 
		Auferstandenen neu begegnen, dann mit einer bedeutsamen Vorgeschichte 
		und einer tiefen Verunsicherung und Enttäuschung. 
		Jesus war ihnen bereits in Jerusalem als der Auferstandne erschienen. Er 
		hatte sie mit dem Heiligen Geist beschenkt und ermächtigt, in seinem 
		Namen Sünden zu vergeben oder zu behalten(20,19ff). Aber irgendwie war 
		das im Sande verlaufen. Zu tief saß wohl die Enttäuschung über die 
		verlorene Hoffnung. Die Enttäuschung auch 
		darüber, dass Israel sich nach dem großen Hosianna abgewandt hatte von 
		seinem Messias. Ja, die Jünger hatten den Auferstandenen gesehen. Sie 
		waren begeistert gewesen. Aber jedes Mal waren es nur Sekunden des 
		Erkennens gewesen. Sobald sie ihn erkannten, war er auch schon wieder 
		verschwunden. 
		 
		Ja, so ist das mit dem Glauben. Kurze Momente in unserem Leben ist alles 
		klar. Da rührt Gott unser Herz an, und wir legen unseren Finger in seine 
		Wunde. Tatsächlich: Er ist auferstanden! Und dann ist er weg. Wenige 
		Sekunden, sehen, tasten und spüren. Dann schließt sich die unsichtbare 
		Welt wieder vor unseren Augen und wir stehen wieder in der alten Welt 
		und vor der Entscheidung unseren Glauben aus diesen kurzen Momenten zu 
		nähren oder ihn fahren zu lassen. 
		 
		Die Jünger waren nach einiger Zeit ernüchtert zurückgekehrt zu ihren 
		alten Berufen, in die alte Heimat – in der Hoffnung, die Zeit 
		zurückdrehen zu können und die Geschichte zu vergessen, an die sie die 
		besten Jahre ihres Lebens verschenkt zu haben schienen. Zurück aus der 
		aufgewühlten Unruhe, dem ständigen Hin und Her zwischen Zweifel und 
		Begeisterung, zurück in die Ruhe am See Tiberias, aus der sie Jesus 
		herausgerissen hatte. Nun schien sich das Leben wieder etwas zu 
		beruhigen. Es tat gut, Gras über die Sache wachsen zu lassen und ein 
		Kohlenfeuer ein Kohlenfeuer, ein Boot ein Boot sein und Fischer Fische 
		fischen zu lassen. Und nun erscheint er wieder, 
		der Auferstandene. Warum erkennen sie ihn nicht sofort? Vielleicht 
		wollen sie ihn gar nicht erkennen. „Lass uns, wir sind gerade dabei, so 
		zu tun, als wären die letzten beiden Jahre nicht gewesen. Es war zu 
		schön um wahr zu sein und der Fall danach zu tief.“ 
		 
		Es dauert. Erst langsam lassen sich die Jünger wieder darauf ein. Zuerst 
		spricht es der Lieblingsjünger aus: „Es ist der Herr“, dann, auf dessen 
		Bekenntnis hin, Petrus; schließlich erkennen es alle Jünger an, die sich 
		nicht trauen, es auszusprechen, obwohl oder gerade weil sie wissen, wer 
		er ist: Der Herr! Plötzlich steht der Himmel 
		wieder offen; wie damals bei der ersten Berufung hier am See, wie bei 
		der Speisung der 5000, wie bei der Begegnung mit dem Auferstandenen in 
		Jerusalem. Petrus springt ins Wasser. Ich stelle mir vor: In diesem 
		Moment springt er aus seiner Welt aus Booten und Fischen in die Welt 
		Gottes. Er versucht nicht mehr die Wirklichkeit Gottes zu verdrängen. Er 
		erkennt die Wirklichkeit des Reiches Gottes an – trotz des Schmerzes und 
		der Unruhe, die diese Welt in sein Leben getragen hat und noch tragen 
		wird:  
		 
		Es tut weh, Menschen als Kinder Gottes zu sehen, und festzustellen, wie 
		sie geschunden und gedemütigt, wie sie als Material oder Problem 
		betitelt werden, statt als Kinder Gottes behandelt zu werden. Es tut 
		weh, wie sie sich alle Ecken und Kanten wegoperieren lassen und ihr 
		Leben durchstylen, bis keiner und nicht einmal sie selbst mehr erkennen, 
		wer sie sind: Kinder Gottes. Es bringt Unruhe ins Leben, die dazu 
		drängt, als Kind Gottes unter Kinder Gottes zu leben in Würde und 
		Gerechtigkeit. Petrus spürt es deutlich in seinem 
		Herzen: „Es ist der Herr.“ Es gilt keine Zeit zu verlieren. Und wenn es 
		wieder nur wenige Sekunden sind... Jetzt muss ich mich voll tanken mit 
		Gottes Gegenwart, jede Sekunde auskosten. 
		 
		Das Johannesevangelium erzählt nicht, ob die Jünger diesmal ihrem 
		Auftrag nachgingen, Menschenfischer zu werden, die Welt für Christus zu 
		gewinnen. Das Evangelium endet einfach.
		Und wir sitzen mit den Jüngern am Ufer des Sees und kämpfen mit 
		der Frage, an was wir unser Leben ausrichten: An den kurzen Momenten 
		unseres Lebens, in denen wir die Nähe Gottes unmittelbar fühlten, in 
		denen der Himmel offen stand oder an den langen Jahren, in denen nichts 
		zu spüren war. Die wenigen Sekunden, in denen uns 
		Gott berührte, haben eine Unruhe in unser Leben gebracht. 
		 
		Rückblickend sehen wir, wie die Jünger die Frage beantworteten: Petrus 
		gestand den wenigen Sekunden, in denen er Gott gespürt hatte, 
		Wirklichkeit zu. Nicht mehr die Welt vor dem Vorhang wird die 
		Bestimmende, sondern die Welt hinter dem Vorhang, die oft so unsichtbare 
		Welt des Auferstandenen, wird zur bestimmenden Welt für Petrus. Die 
		Welt, aus der er von nun an lebt, ist die Welt des Christus, die er für 
		Sekunden gesehen hat. Er lässt sich beauftragen, in die Welt zu gehen. 
		Und wird vom Reich Gottes erzählen, das für ihn in Jesus Christus 
		angebrochen ist. 
		 
		Und wir? Vermutlich sind auch Sie hierher getrieben worden von der 
		Unruhe, die in uns lebt, geboren aus einigen Sekunden, in denen Gott uns 
		in die Augen geblickt hat. Wir haben diesen Sekunden Wirklichkeit 
		beigemessen. Deshalb sind wir hier. Aus diesen Sekunden mögen wir leben, 
		ein Leben lang. 
		
      
      
      Vikar Michael Krauß   
      (Hospitalkirche Hof) 
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      Text: 
      
		 1 Danach offenbarte sich 
		Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 
		2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt 
		wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und 
		zwei andere seiner Jünger.3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will 
		fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie 
		gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie 
		nichts. 
		4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger 
		wussten nicht, dass es Jesus war. 
		5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie 
		antworteten ihm: Nein. 
		6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so 
		werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen 
		wegen der Menge der Fische. 
		7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der 
		Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das 
		Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. 
		8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern 
		vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den 
		Fischen. 
		9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische 
		darauf und Brot. 
		10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt 
		gefangen habt! 
		11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer 
		Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss 
		doch das Netz nicht. 
		12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter 
		den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es 
		der Herr war. 
		13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch 
		die Fische. 
		14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, 
		nachdem er von den Toten auferstanden war. 
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